Donnerstag, 7. November 2013

Süditalien ist Giftmüll-Deponie - Mafia-Geständnisse veröffentlicht:

Industriemüll und radioaktives Material sollen über Jahrzehnte in Seen und Gruben zwischen Rom und Neapel entsorgt worden sein. Bereits 1997 gestand Ex-Mafiaboss Carmine Schiavone das einem Untersuchungsausschuss, die Akten wurden aber bis jetzt unter Verschluss gehalten.

Überschüttet die Mafia Italien mit giftigem Müll? Dieser Verdacht besteht seit Jahren - und wird nun von der Aussage eines Ex-Mafia-Bosses gestützt. Carmine Schiavone hatte bereits 1997 vor einem Untersuchungsausschuss dazu ausgesagt - seine Informationen wurden von den Parlamentariern jedoch unter Verschluss gehalten. Erst in der vergangenen Woche wurde das bis dato als Staatsgeheimnis deklarierte Protokoll veröffentlicht.



 
„Ich weiß aus Erfahrung, dass bis 1992 Regionen im Süden Italiens mit toxischem Müll verseucht wurden - Müll aus ganz Europa, nicht nur aus Italien“, hatte Schiavone, ein ehemaliges Mitglied der neapolitanischen Camorra, bei seiner Anhörung vor den italienischen Abgeordneten gesagt. Seit Ende der 1980er-Jahre habe die Mafia daran verdient, den Abfall illegal zu entsorgen.
 
 
Radioaktives Material aus Deutschland
 
„Wir reden nicht von Tausenden Tonnen toxischen Materials, sondern von Millionen Tonnen“, gab Schiavone damals zu Protokoll. Detailliert schilderte er, wie die Casalesi - der berüchtigte Camorra-Clan, dem er angehörte -, die Müllentsorgung zwischen Latina, 70 Kilometer südlich von Rom, und Caserta, 40 Kilometer nördlich von Neapel, kontrollierte.
 
Darunter sei Industrie-Müll aus Norditalien gewesen, aber auch radioaktives Material aus Deutschland, das etwa in Gruben und Seen gelandet sei. Die Mafia habe besonders nach dem Mauerfall viel Geld mit Geschäften aus Deutschland verdient. Laut Schiavone soll es unter anderem Verbindungen nach Dortmund, München und Baden-Baden gegeben haben.
 
 
„Sie machen es heute noch“
 
Und die Camorra führe die illegale Müllentsorgung fort, sagte der Mafia-Aussteiger nun. „Sie haben es damals gemacht und sie machen es immer noch“, sagte er dem italienischen Staatsfernsehen RAI, nachdem das 16 Jahre alte Protokoll seiner Aussagen bekannt geworden war.
 
Das könnte fatale Folgen für die Gesundheit der Einwohner haben. Allgemeine Statistiken über erhöhte Krebsraten in Neapel und Umgebung gibt es zwar nicht. In einer Gemeinde aber schnellten die Fälle von Krebserkrankungen auffällig in die Höhe: von 136 im Jahr 2008 auf 420 im Jahr 2012.
 
 
Empörung über Versagen der Behörden
 
Umweltaktivist und Pfarrer Maurizio Patriciello empörte sich über das Versagen der italienischen Behörden, die Bürger aufzuklären. „Wenn der Staat uns Einwohner von Casela und Neapel vor 16 Jahren gewarnt hätte, dass wir durch die giftigen Abfälle an Krebs sterben könnten, hätten wenigstens die Jüngeren ihre Sachen packen und woanders hinziehen können“, sagte er der italienischen Huffington Post. Nun aber erkrankten selbst Verwandte der Camorra-Mitglieder.
 
Vorwürfe über die illegale Entsorgung von Giftmüll durch die Mafia kursieren seit langem. Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano hatte 2006 in seinem Bestseller „Gomorrha“ die tödlichen Machenschaften beschrieben. „Das offene Geheimnis wurde gelüftet“, kommentierte die italienische Umweltschutzorganisation Legambiente die jüngsten Enthüllungen. Sie forderte Aufklärung darüber, welche Politiker so lange geschwiegen hätten, statt zu handeln. Sie hätten sich damit zu Komplizen der kriminellen Machenschaften gemacht.


 
 
Laut Schiavone soll die Camorra Ende der 1980- und Anfang der 1990er-Jahre Bürgermeister „in allen 106 Kommunen der Provinz Caserta“ für ihre Ziele eingespannt haben. Sie habe auch auf das Stillschweigen mehrerer Minister sowie des früheren Premiers Ciriaco De Mita vertrauen können - heute ein Mitglied des Europaparlaments.
 
 
Aufräumaktion angekündigt
 
Die italienischen Behörden haben Aufräumaktionen angekündigt. So sollten Experten am Mittwoch damit beginnen, die Küstenlinie vor Licola nördlich von Neapel nach Verunreinigungen abzusuchen. Jene, die die Region rund um Neapel verschmutzt haben, würden dafür zahlen müssen, versprach Italiens Landwirtschaftsministerin Nunzia De Girolamo.
 
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