Donnerstag, 7. November 2013

Neues Portal "MafiaLeaks": Anonym gegen die Mafia

Per Internet wollen mutige Italiener den Schweigekodex der Mafia durchbrechen. Informanten sollen sich fortan unerkannt an Behörden oder Medien wenden können - ohne Gefahr für Leib und Leben. Jetzt hoffen wir auch auf Post aus Deutschland.

Für die Mafia ist die Treue eine tragende Säule ihrer Macht. Clans fordern von ihren Mitgliedern die "Omertà", das Schweigen bis in den Tod. Mit oft brutaler Gewalt und Einschüchterungen sorgt die 'Ndrangheta dafür, dass keiner ausschert.




Nun eröffnen ein paar Italiener denjenigen, die geneigt sind, sich mitzuteilen, eine neue Möglichkeit: Sie starteten "MafiaLeaks", eine Internet-Plattform, über die Whistleblower Informationen anonym übermitteln können.

Die Macher richten sich an Insider aus der Unterwelt, aber auch an Opfer der kriminellen Machenschaften und ganz normale Bürger, die vielleicht zufällig etwas erfahren oder gesehen haben. "MafiaLeaks" will eine Brücke sein zu Behörden oder Medien, an die sich Informanten nicht wenden wollen, weil sie sich nicht sicher fühlen.


"Manche haben Familie"

Die Macher von "MafiaLeaks" bleiben anonym. Verständlich: Sie müssten sonst wohl um ihr Leben fürchten. Über Mittelsmänner kontaktiert waren sie aber bereit, ihr Projekt und ihre Motive näher zu erklären. Sie sind nach eigenen Angaben "mehr als fünf, weniger als zehn" in einer Gruppe Gleichgesinnter, "manche haben Familie".




Bislang, so ein Mitglied der Gruppe mit Decknamen Bobby, habe ein sicherer Weg gefehlt, Informationen über die Mafia ohne Risiko an die Öffentlichkeit oder zu den Behörden zu bringen. Telefon, E-Mail, Post - alles viel zu gefährlich. Jeder Absender solch lebensgefährlicher Mitteilungen muss riskieren, dass er enttarnt wird.

Tor heißt ein System, das Internet-Daten durch eine Kaskade von hintereinandergeschalteten Servern leitet, um die IP-Adresse des Nutzers zu verschleiern. "MafiaLeaks" versteckt sich im Tor-Netzwerk - nur, wer den entsprechenden Dienst nutzt, etwa über das kostenlose Tor Browser Bundle, kann auf die Seite mit der kryptischen Adresse "http://pliqhphjyny4yglg.onion" zugreifen.

Von dort gelangen die Informationen schließlich zu den Machern von "MafiaLeaks". Deren Betreiber kennen die Absender nicht, wollen sie auch gar nicht kennen. Sie wollen die anonymen Mitteilungen und Dokumente nur an "vertrauenswürdige Personen" in Polizeidienststellen, Anti-Mafia-Organisationen und Medien weiterleiten. Auch Zuschriften an mich werden direkt und vertraulich an die Polizei weitergeleitet. (siehe Mailadresse unten)

Das bietet den Hinweisgebern Schutz. Zugleich wird die Seite wie alle Plattformen dieser Art Denunzianten anlocken. Es bleibt bei den Behörden und Medien, Informationen auszuwerten und einen Missbrauch des Systems zu erkennen.


"Niemand sagte oder tat etwas"

Den Anstoß zu "MafiaLeaks" hatte ein Gruppenmitglied gegeben, das nach etlichen Jahren wieder in seinen Geburtsort zurückgekehrt und entsetzt war: Traditionsreiche Kleinbetriebe waren geschlossen, Einschusslöcher zierten die Tür zur Bar. Das 5.000-Einwohner-Städtchen war von einer Mafia-Familie "übernommen" worden, die seitdem brutal den "Pizzo", sogenanntes "Schutzgeld", einforderte.

"Alle wussten", so Bobby, "dass die Familie X es war, die den Ort terrorisierte, niemand sagte oder tat etwas." Was die Sache noch dramatischer machte: Das Ganze spielte sich nicht im schon lange mafiaverseuchten Süden des Landes ab sondern im Norden. "Die Clans breiten sich immer weiter aus, wir wollten etwas dagegen tun."

Schon in den ersten 24 Stunden von "MafiaLeaks" seien Informationen eingegangen, jubelt Bobby. Und er hofft, dass er nicht nur Post aus Italien bekommt.

 Mafia-Banden wie die 'Ndrangheta arbeiten längst international, natürlich auch in Deutschland. Die wüste Schießerei vor einer Duisburger Pizzeria im August 2007 zum Beispiel, bei der sechs Menschen getötet wurden, war Folge eines Gebietskrieges zweier "Familien" aus dem süditalienischen Kalabrien. Meistens geht es stiller zu: Immobilien in großer Zahl, mitunter ganze Viertel, kaufe die Mafia nördlich der Alpen, sagt Bobby.

Viele Menschen wären dabei vonnöten, Anwälte, Notare, Bankangestellte, Beamte in den zuständigen Behörden. Und natürlich "wären deren Informationen auch in Italien hochwillkommen", und "MafiaLeaks" wäre auch für sie "eine sichere Brücke, ihr Wissen risikolos zu transferieren", lockt Bobby. In Italienisch müsste freilich alles sein, denn Deutsch kann keiner in der Gruppe. Sollten Deutsche oder deutschsprachige Personen etwas wissen, ist die Anlaufstelle mein Mail-Account, was ich extra für diese Fälle eingerichtet habe.


Jede Zuschrift wird absolut vertraulich behandelt.

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