Sonntag, 17. November 2013

Massenprotest in Neapel gegen Giftmüllkippen der Mafia

Millionen Tonnen an radioaktivem Material und Industriemüll hat die Camorra in den vergangenen Jahren zwischen Rom und Neapel illegal entsorgt - tödliche Krebsgefahr für die Bevölkerung inklusive.
 
 
 
 
 


Zehntausende Menschen haben am Samstag in Neapel gegen illegale Müllkippen der Mafia demonstriert. In strömendem Regen riefen die Demonstranten "Nein zur Camorra" und hielten Plakate hoch, auf denen sie auf den "Biozid" durch die Müllkippen hinwiesen. Einige der Demonstranten zeigten Fotos ihrer Verwandten, die an Krebs gestorben waren. Laut den Veranstaltern kamen 100.000 Menschen zusammen, die Polizei sprach von 30.000 Teilnehmern.
Die Camorra, die neapolitanische Mafia, lädt in Kampanien giftige Abfälle ab. Nach Angaben der Organisation Legambiente wurden in 22 Jahren insgesamt zehn Millionen Tonnen Industriemüll illegal entsorgt. Die Region zwischen Neapel und Caserta wird als "Dreieck des Todes bezeichnet". Die Protestbewegung beklagt insbesondere, dass die Verbrennung des Mülls giftige Dämpfe freisetzt

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Auch radioaktives Material aus Deutschland

Das Treiben der Camorra wurde von den Mafiosi selbst schon vor Jahren bestätigt. Ex-Mafia-Boss Carmine Schiavone hatte bereits 1997 vor einem Untersuchungsausschuss dazu ausgesagt - seine Informationen wurden von den Parlamentariern jedoch unter Verschluss gehalten. Erst Ende Oktober wurde das bis dato als Staatsgeheimnis deklarierte Protokoll veröffentlicht. "Ich weiß aus Erfahrung, dass bis 1992 Regionen im Süden Italiens mit toxischem Müll verseucht wurden - Müll aus ganz Europa, nicht nur aus Italien", hatte Schiavone bei seiner Anhörung vor den italienischen Abgeordneten gesagt. Seit Ende der 1980er-Jahre habe die Mafia daran verdient, den Abfall illegal zu entsorgen.




"Wir reden nicht von Tausenden Tonnen toxischen Materials, sondern von Millionen Tonnen", gab Schiavone damals zu Protokoll. Detailliert schilderte er, wie die Casalesi - der berüchtigte Camorra-Clan, dem er angehörte -, die Müllentsorgung zwischen Latina, 70 Kilometer südlich von Rom, und Caserta, 40 Kilometer nördlich von Neapel, kontrollierte. Darunter sei Industrie-Müll aus Norditalien gewesen, aber auch radioaktives Material aus Deutschland, das etwa in Gruben und Seen gelandet sei. Die Mafia habe besonders nach dem Mauerfall viel Geld mit Geschäften aus Deutschland verdient. Laut Schiavone soll es unter anderem Verbindungen nach Dortmund, München und Baden-Baden gegeben haben.


Auch Bürgermeister eingespannt

Auch habe die Camorra habe Ende der 1980- und Anfang der 1990er-Jahre Bürgermeister "in allen 106 Kommunen der Provinz Caserta" für ihre Ziele eingespannt, so der Mafia-Aussteiger weiter. Sie habe zudem auf das Stillschweigen mehrerer Minister sowie des früheren Premiers Ciriaco De Mita vertrauen können - heute ein Mitglied des Europaparlaments. Und: Die illegale Müllentsorgung werde bis auf de heutigen Tag unverdrossen fortgesetzt.

Das könnte fatale Folgen für die Gesundheit der Einwohner haben. Allgemeine Statistiken über erhöhte Krebsraten in Neapel und Umgebung gibt es zwar nicht. In einer Gemeinde aber schnellten die Fälle von Krebserkrankungen auffällig in die Höhe: von 136 im Jahr 2008 auf 420 im Jahr 2012. Umweltaktivist und Pfarrer Maurizio Patriciello empörte sich über das Versagen der italienischen Behörden, die Bürger aufzuklären. "Wenn der Staat uns Einwohner von Casela und Neapel vor 16 Jahren gewarnt hätte, dass wir durch die giftigen Abfälle an Krebs sterben könnten, hätten wenigstens die Jüngeren ihre Sachen packen und woanders hinziehen können", sagte er der italienischen "Huffington Post". Nun aber erkrankten selbst Verwandte der Camorra-Mitglieder.

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