Samstag, 18. Januar 2014

Drohnen gegen die Camorra

Die Camorra hat im Hinterland Neapels zehn Millionen Tonnen Giftmüll vergraben. Darunter soll auch radioaktiver Schlamm aus Deutschland sein. Das Verbrechen ist seit Jahren bekannt, jetzt scheint endlich gehandelt zu werden.

Italien setzt zur Beseitigung illegaler Mülldeponien der Mafia nun das Militär ein
Die italienische Regierung hat 850 Soldaten zur Bekämpfung der Müllkriminalität in Kampanien in Marsch gesetzt. Sie sollen Müllkippen aufspüren und verhindern, dass sie weiter genutzt werden.





»Wir sind dazu bereit. Wir haben niemals eine schlechte Figur abgegeben«, sagte General Vincenzo Lops voller Stolz zu seiner neuen Aufgabe: Er kommandiert 850 Soldaten bei der Suche nach Giftmüll in Süditalien. Sogar Aufklärungsdrohnen stehen seinen Einheiten zur Verfügung. Das ist durchaus sinnvoll. Zwar weisen die Umweltaktivisten von Legambiente seit mehr als zwei Jahrzehnten auf die illegalen Müllkippen und die Gefahren hin, die durch die Verseuchung von Boden, Wasser und Luft entstehen.

Viele der Müllkippen sind schon lokalisiert. Aber immer wieder werden in Ermittlungen gegen die Camorra neue illegale Deponien aufgespürt, die sich zum Teil in entlegenen Gebieten oder unter meterdicken Erdschichten befinden.

Grundlage des Militäreinsatzes ist das Anfang dieser Woche in Rom verabschiedete Dekret über das »Land der Feuer«. Die Bezeichnung rührt von den vielen Bränden der illegalen Müllkippen Kampaniens her. Das Dekret ist ein Zeichen, dass die gegenwärtige Regierung das Problem ernst nimmt. Einwohner der Region fühlen sich aber auch an die Showeffekte des Militäreinsatzes gegen den Müllnotstand in Neapel vor wenigen Jahren durch die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi erinnert.






Vertreter von Umweltschutzverbänden kritisieren daher den massierten Einsatz. »Die Armee lässt uns im Notstand verharren. Wir aber brauchen einen strukturellen Ansatz«, meint Lucio Iavarone, Sprecher des Koordinationskomitees der Bürgerinitiativen im »Land der Feuer«. Alessandro Gatto, Präsident des WWF Kampanien, sagt: »Wir hätten uns mehr Ermittlungskapazitäten gewünscht, um die Auftraggeber der Mülltransporte und der Brände herauszubekommen. Nur die zu erwischen, die für ein Handgeld von 20 Euro die Brände legen, reicht nicht.« Passend zu Gattos Bemerkung wurden dieser Tage bei Caserta zwei Tunesier festgenommen, die Giftmüllberge angezündet hatten. Hinweise auf die Auftraggeber lieferten sie nicht.

Die Dimension der illegalen Müllwirtschaft ist erschreckend. Von 1991 bis 2013 hat die Staatsanwaltschaft Neapel wegen des Transports und des illegalen Lagerns von Industrie- und Giftmüll aus anderen Regionen Italiens 82 Ermittlungsverfahren eingeleitet, 915 Haftbefehle erlassen und Transporte von etwa zehn Millionen Tonnen Giftmüll in die Provinzen Neapel und Caserta nachgewiesen. Angeblich ist auch Atommüll dabei.

Wurde dieses Problem lange verharmlost, so haben in den letzten Jahren Berichte über zunehmende Krebserkrankungen der Bevölkerung eine Welle des Widerstands ausgelöst. Ob ein direkter Zusammenhang mit der Müllverbrennung besteht oder die Ursachen nicht vielmehr im desolaten Gesundheitssystem zu suchen sind, ist derzeit offen. Während in Norditalien bei der Krebsfrüherkennung fast jeder zweite Befund Karzinome in einem Frühstadium nachweist, ist es in Kampanien nur bei jedem vierten Befund der Fall. Drei Viertel aller Krebserkrankungen sind bereits in fortgeschrittenem Stadium, was auch an Wartezeiten von oft mehr als sechs Monaten für einen Untersuchungstermin liegt. Für ein kostenloses Screening in den am ärgsten betroffenen Gegenden hat das römische Gesundheitsministerium jetzt 75 Millionen Euro bereitgestellt.


Bleibt zu hoffen, dass dieses Geld nicht wieder in den Händen der Camorra landet, sondern bei der Bevölkerung. Der Zustand des Gesundheitswesens ist direkte Folge des Mittelabflusses von Investitionen in die Taschen der Clans. Statt Drohnen bräuchte es Finanzermittler.
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