Freitag, 16. Mai 2014

Mafia mutiert zur Elite-Organisation

Der letzte Semesterbericht der DIA für die parlamentarische Sicherheitskommission gibt klare Auskünfte über die Wandlung der archaischen Mafia zur Elite-Organisation. Immer häufiger, heißt es dort, werden Elemente im Umkreis der Ehrenwerten Gesellschaft lokalisiert, die einen Universitätsabschluss besitzen und eine langjährige erfolgreiche Berufskarriere hinter sich haben. Oft treten diese Kaderleute selbst in den Rang von Paten, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die so genannten colletti bianchi, die Mafiosi im Anzug, können jahrelang miteinander kommunizieren, ohne sich je zu sehen. Der rituelle Kuss der Mafiosi ist Geschichte.




Die Piazza als Treffpunkt existiert nicht mehr. Heute ist die Piazza virtuell, und die Bügelfalten-Mafiosi sind online miteinander verbunden. Der eine sitzt in Palermo, der andere in Frankfurt oder Zürich. Das Jahres-Budget der italienischen Mafia ist größer als der Etat der EU, so das italienische Außenministerium. Mehr als 200 Milliarden Euro erwirtschaftet das Organisierte Verbrechen im Land. Doch nur zehn Prozent des Geldes bleiben in Italien, der Rest wandert ins Ausland. „Die Mafia hat überall gute Freunde“, so Giovanni Brauzzi, Sicherheitsdirektor des Außenministeriums. Zum Vergleich: Das Jahresbudget der EU liegt bei 140 Milliarden Euro.

Brauzzi warnte in Brüssel davor, dass die Mafia eng mit dem italienischen Rechtssystem zusammenarbeite, um etwa gegen kleinere Cyber-Angriffe vorzugehen. Das münde in einer für beiden Seiten vorteilhaften Beziehung: „Die Mafia besorgt Beweismittel, um diese kleinen Aktivitäten zu stoppen. Dafür können sie ihre Geschäfte ungestört durchführen.

Top-Manager und Spitzen-Anwälte seien auf der Gehaltsliste der Mafia. Brauzzi stellte weiter fest, dass die Mafia ihre „Investitionen“ außerhalb der Grenzen Italiens verschoben habe. Zudem wäre das Organisierte Verbrechen tief im Bankensystem des Landes verwurzelt, berichtet der Observer. Korruption ist ein ernsthaftes Problem im Land, das sagen auch rund die Hälfte aller italienischen Unternehmen, die im Februar im Anti-Korruptionsbericht der EU veröffentlicht wurde.

Marano, eine Stadt nördlich von Neapel, ist das Königreich der hochgebildeten Camorristi. Sie haben einerseits Verbindungen zu den Familien der Cosa Nostra, andererseits zu Politikern, Banken und großen Unternehmen. In der Via Poggio Vallesana, eine der Straßen in der eleganten Enklave von Marano, lebt der Mafiaboss „der Arzt". Man nennt ihn auch Stefano Brutto, 43 Jahre alt. Eine Penthousewohnung mit allen Sicherheitsvorkehrungen. Die Ermittler wissen nicht einmal, wer Stefano Brutto ist. Den Namen gibt es nicht. Er ist klug, elegant, sympathisch und top ausgebildet. Ein lebender Schläfer der Camorra und scheinbar Lichtjahre von der Sippe und der Kriminalität entfernt.

Stefano Brutto gehört zur Camorra 2.0. Wer in den Absteigen des Stadtteiles lebt, benötigt weniger Miete als eine Dosis Heroin, wer in Marano wohnt, muss ein Vermögen aufbringen. Man hat in diesen Wohnungen mehrere Hundert Millionen Euro gefunden und beschlagnahmt, wohl wissend, dass die Beträge nur ein kleiner Teil der Finazmittel ist, mit denen die Top-Cammoristi umgehen.

Die Bindung zur Camorra hat sich weiter entwickelt. Weg von dem Clan in die Anonymität unbeschreiblichen Reichtums. Hier gibt es keinen Platz für Verbrecher mit dümmlichem Gewaltprofil. Sie sind hier fehl am Platz. Wir sprechen über Manager, die jederzeit auch einen Konzern leiten könnten und hochprofessionelle Dienstleistungen anbieten.



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