Samstag, 31. Mai 2014

Polizei nimmt Chef der Enkel-Mafia fest

Von Roman Lehberger und Andreas Ulrich

Ermittler haben einen der meistgesuchten Betrüger Deutschlands gefasst. Nach über zehn Jahren Fahndung sitzt Arkadiusz "Hoss" Lakatosz in Untersuchungshaft. Gemeinsam mit seinem Clan soll er Rentner um ihr Erspartes gebracht haben.




Eine schwarze Mercedes S-Klasse mit cognacfarbener Lederausstattung, frisch gewaschen und poliert, parkt im Innenhof einer bewachten Wohnanlage in der Warschauer Innenstadt. Bewaffnete Polizisten haben sich Sturmhauben über den Kopf gezogen, ein Wachmann öffnet ihnen leise die Haustür. Um Punkt sechs Uhr hämmern sie am Eingang zur Wohnung Nummer 68 im vierten Stock: "Aufmachen! Polizei!"

Ein Wehklagen hebt an, eine Frau schreit: "Mein Mann ist nicht da!" Stimmt aber nicht. Arkadiusz "Hoss" Lakatosz, Fahrer der S-Klasse, liegt verschlafen im Bett. Er klagt sofort über Kreislaufbeschwerden, die Polizei bestellt einen Rettungswagen. Er trägt Sportkleidung, als die Beamten ihn abführen, erst ins Krankenhaus und dann ins Gefängnis. Der Zugriff fand am Dienstag statt. Am Donnerstag wurde Lakatosz der Haftbefehl verkündet.


Hunderte Rentner in Deutschland sind Opfer der Bande

Das legere Outfit stand in krassem Gegensatz zum üblichen Auftreten von Lakatosz, der auf gepflegtes Äußeres achtet. Er schmiss Partys in Schlössern, ließ Sängerinnen auftreten und Feuerwerk zünden, Hubschrauber flogen Gäste ein. Den ganzen Prunk und Protz, glauben Ermittler, haben deutsche Rentner bezahlt. Auf ihr Erspartes, mitunter über Jahre angesammelt, hatten es Lakatosz und sein Clan abgesehen.

Hunderte Opfer gibt es in Deutschland, viele stürzte der Betrug in eine tiefe Krise, manche schämen sich so sehr, dass sie sich nicht zur Polizei trauen. Die Täter hingegen führten ein Leben in Saus und Braus.




Von Polen aus durchsuchten sie systematisch Telefonbücher nach Namen wie Elvira oder Emil, die auf ältere Menschen hindeuten. "Rate mal, wer hier ist!", begann so ein Gespräch. Wenn das Opfer einen Verwandten zu erkennen glaubte, zogen die Anrufer es in ihren Bann. Schnell kam dann eine Immobilie zum Schnäppchenpreis oder ein tragischer Unfall zur Sprache, was dringend und schnell Bargeld erforderte. Notfalls nahmen sie auch Schmuck.

Sobald Oma versprochen hatte, das Geld zu besorgen, informierte der Anrufer einen Komplizen, der ein Netz von Abholern in Deutschland dirigierte. Kuriere brachten das Geld sofort nach Polen.

Der Legende nach waren die Lakatosz-Brüder 1999 in Hamburg beim Versuch eines Telefonbetrugs auf den Trick gekommen. Die Masche erwies sich als äußerst erfolgreich. Nach einer Wohnungsdurchsuchung bei Lakatosz 2001 setzten er und sein Bruder Adam sich nach Polen ab und telefonierten von dort aus. Sämtliche Versuche deutscher Behörden, die polnischen Kollegen zur Zusammenarbeit zu bewegen, scheiterten. Als polnische Staatsbürger waren die Lakatosz-Brüder lange vor Strafverfolgung sicher.


Arzt attestierte ein Herzleiden

2007 sah es kurz so aus, als könne man ihnen das Handwerk legen. Lakatosz wurde aufgrund eines Haftbefehls aus Stuttgart festgenommen. Doch ein Arzt attestierte Haftunfähigkeit wegen eines Herzleidens. 25.000 Euro soll "Hoss" das Gutachten gekostet haben. Lakatosz machte munter weiter.

Der Geldbedarf der zu den Roma gehörenden Sippe war offenbar riesig. Alles ging drauf für Autos, Gemälde, Partys. Auf Youtube ist ein illegales Straßenrennen zwischen Hoss-Sohn Marcin, genannt Lolli, in einem Mercedes SLR McLaren gegen ein Familienmitglied im Ferrari in der Warschauer Innenstadt dokumentiert, bei dem Lolli die Kontrolle über seinen Wagen verlor und in parkende Autos raste. Die Bilanz des Unfalls: Mehrere Verletzte und Totalschaden an dem Mercedes im Wert von rund 500.000 Euro. Den Verlust dürften deutsche Rentner ersetzt haben.

Nachbarn waren der aufwendige Lebensstil, die teure Einrichtung und die lauten Partys der Lakatosz-Sippe nicht geheuer. Er handle mit Schmuck, rechtfertigte Hoss den Wohlstand. Doch wie Schmuckhändler sahen seine Söhne und Cousins nicht aus.


Die Polizei beschlagnahmte den Mercedes, Gemälde und Vasen

Im November 2012 beauftragte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Spezialabteilung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität im Landeskriminalamt mit neuen Ermittlungen. Allein in dem Verfahren geht es um Beute von rund zwei Millionen Euro. Auch die polnischen Behörden waren jetzt zu Ermittlungen bereit.

Eine gewisse Befriedigung war den Nachbarn in Warschau anzumerken, als Polizisten "Hoss" Lakatosz am Dienstag gegen 8 Uhr abführten, den Mercedes abschleppten, Gemälde, Vasen und Porzellan aus seiner Wohnung beschlagnahmten.

Zeitgleich wurden in Polen weitere Clan-Mitglieder verhaftet, darunter sein Bruder Adam in Posen. Auch in Deutschland schlug die Polizei zu, unter anderem in Hamburg, Essen und Duisburg. Bei den Verdächtigen wurden Autos wie Mercedes, Porsche und Ferrari sowie Gemälde und Schmuck beschlagnahmt.


http://www.spiegel.de/panorama/justiz/betrug-durch-enkel-trick-polizei-nimmt-bande-in-polen-fest-a-972412.html
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