Dienstag, 28. Oktober 2014

Die Mafia – ein Desaster für Mailand


Die Expo 2015 in Mailand soll Italien einen Wirtschaftsschub geben. Doch bei dem Mammutprojekt regiert die Korruption. Die Staatsanwaltschaft ließ nun 13 Mitglieder der Ndrangheta verhaften.





Sie ist die vielleicht mächtigste kriminelle Organisation der Welt. Die Ndrangheta aus dem süditalienischen Kalabrien handelt mit Drogen, erpresst Schutzgelder und korrumpiert die Politik. Sie breitet sich immer weiter aus. Geschätzter Jahresumsatz: 53 Milliarden Euro. Den reichen italienischen Norden, vor allem die Lombardei, hat die Ndrangheta bereits in erschreckendem Maße im Griff. Auch vor der Weltausstellung Expo, die 2015 in Mailand stattfindet, macht sie nicht Halt.

Das beweist die Operation "Quadrifoglio" ("Kleeblatt") der Staatsanwaltschaft Mailand. 13 Personen, die der Ndrangheta angehören sollen, wurden am Dienstag festgesetzt. Einschüchterung, Geldwäsche und Bestechung wird der Gruppe vorgeworfen.
Besonders pikant: Mitglieder der Bande sollen bei der Expo mitgewirkt haben. Zwei Ausschreibungen bei dem Mammutprojekt soll sie sich gesichert haben. Im Gesamtwert von 450.000 Euro.

Konkret geht es um die "Tangenziale Est Esterna di Milano" oder kurz "Teem". Das ist eine Umgehungsstraße, die extra für die Weltausstellung gebaut wird, um den Verkehr zu entlasten. Über eine Gesellschaft soll die Ndrangheta-Bande an den Bauarbeiten mitgewirkt haben.


Italien knüpft an die Expo große Hoffnungen

Die Expo wandelt sich mehr und mehr vom Hoffnungsträger zum PR-Debakel. Es entsteht der Eindruck, dass die Weltausstellung im großen Stil für krumme Geschäfte genutzt wird. 2014 schritt die Staatsanwaltschaft bereits mehrmals ein.

Im Mai nahm sie Angelo Paris fest, der in der Expo-Betreibergesellschaft für die Planung und den Einkauf zuständig war. Unter Hausarrest gestellt wurde Antonio Rognoni, der früher Infrastrukturprojekte für die Region Lombardei verantwortete. 80 Hausdurchsuchungen wurden landesweit durchgeführt.
Italien knüpft an die Expo enorme Hoffnungen. Die Weltausstellung soll dem Land die Bühne bieten, um sich einem internationalen Publikum im besten Licht zu präsentieren. "Feeding the Planet, Energy for Life", lautet das Motto.
Im Mittelpunkt steht der nachhaltige Umgang mit Nahrungsmitteln und Energie. Von Mai bis Ende Oktober 2015 werden mehr als 140 Länder neue Technologien und Denkansätze präsentieren. Rund 20 Millionen Besucher werden erwartet.


Es geht um enorme Summen bei der Ausstellung

Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi baut darauf, dass die Expo der Wirtschaft einen Schub verleiht. Italien ist 2014 in die dritte Rezession seit 2008 gerutscht. In den vergangenen sechs Jahren fiel das Bruttoinlandsprodukt um neun Prozentpunkte, die Industrieproduktion um rund ein Viertel. In einem Brief an die EU-Kommission in Brüssel sprach Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan von einem "erheblichen Deflationsrisiko". Ein viertes Jahr Rezession müsse "unter allen Umständen" vermieden werden, schrieb Padoan.

Um die Expo und andere Projekte wie beispielsweise die Flutwehr Mose in Venedig aus den Schlagzeilen zu holen, ernannte Premier Renzi Raffaele Cantone im März zum nationalen Antikorruptionsbeauftragten. Cantone, der als Staatsanwalt in Neapel gegen die Mafia vorging, soll verhindern, dass die organisierte Kriminalität große öffentliche Bauvorhaben unterwandert.

Es geht um enorme Summen. 1,3 Milliarden Euro lässt sich der italienische Staat die Expo kosten, 350 Millionen Euro steuern private Investoren bei. Die Teilnehmerländer legen eine Milliarde Euro dazu. Deutschland beteiligt sich mit 48 Millionen Euro. Alles in allem wird mit einem Wachstumsimpuls für die italienische Wirtschaft von zehn Milliarden Euro gerechnet.


Selbst hinter Gittern ist die Ndrangheta noch aktiv

Die Operation "Quadrifoglio" weckt Zweifel an der Durchsetzungskraft Cantones und der italienischen Behörden. Mit einem einfachen Trick soll der Verdächtige Giuseppe Galati die Anti-Korruptionsregeln ausgehoben haben. Galati, der im Gefängnis sitzt, soll die Anteile an seiner Baufirma an seinen Schwager übertragen haben.

Da der Schwager nicht vorbestraft war, schlug das Warnsystem der Expo-Organisatoren nicht an. Galatis Firma sicherte sich so als Subunternehmer eines anderen Unternehmens aus Modena die Beteiligung an den Expo-Bauarbeiten.


Die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini informierte bei einer Pressekonferenz über den aktuellen Stand der Ermittlungen zur Korruption bei der Expo


Firmen führen aus dem Gefängnis heraus – selbst hinter Gittern ist die Ndrangheta noch aktiv. Zu den 13 Festgenommen zählen auch alte Bekannte, die die italienische Justiz eigentlich schon unter Kontrolle wähnte. Salvatore Muscatello beispielsweise.





Der 80-Jährige soll der Kopf des Ndrangheta-Ablegers in Mariano Comense bei Como sein. Er wurde bereits vor Jahren im Rahmen der Mammutoperation "Infinito" festgesetzt und steht unter Hausarrest. Doch das hinderte ihn anscheinend nicht daran, weiterhin seine Gehilfen zu steuern.

"Nichts hat sich geändert", resümierte die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini nun. Die rothaarige Boccassini ist weit über die Grenzen Italiens bekannt. Die Juristin aus Neapel ist unter anderem für den Ruby-Prozess gegen Silvio Berlusconi zuständig.

Dem Ex-Premier wirft sie vor, dass er mit einer Minderjährigen gegen Bezahlung Sex gehabt haben soll. Im Kampf gegen die Ndrangheta wirkt die sonst so kämpferische Boccassini fast ein wenig resigniert. Wer einmal in der Ndrangheta sei, der bleibe der Organisation treu. Verhaftung hin oder her. "Bis zum Tod."
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