Es gibt auf dem Internetportal Facebook Fanklubs der besonderen Art. Sie huldigen nicht Popstars oder Sportlern. Sie verherrlichen Mafiosi. Und zwar nicht irgendwelche. Es sind die berüchtigsten Mafiabosse überhaupt. Ihre Namen: Riina, Provenzano und Messina Denaro.
Zwischenzeitlich fast 2300 Unterstützer verklärten den 1993 festgenommenen Cosa-Nostra-Boss Totò Riina auf Facebook zum "Mythos". Sie ergingen sich in Lobhudeleien, wünschten Riina, der auch "die Bestie" genannt wird, fröhliche Weihnachten und stellten Fotos und Videos von ihm online. Bis zu seiner Verhaftung war Riina oberster Boss der sizilianischen Cosa Nostra, momentan verbüßt er eine Haftstrafe zwölf Mal lebenslänglich.
Ihm werden unter anderem die Mordattentate auf die Anti-Mafia-Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 zur Last gelegt. Die ursprüngliche Fanseite ist inzwischen auf Facebook nicht mehr zu finden. Zuletzt fanden sich dort mehr als 600 Fans der "Bestie".
Auch Riinas Nachfolger an der Spitze der Cosa Nostra, Bernardo Provenzano, erhält auf Facebook großen Zuspruch. Seine Grobschlächtigkeit brachte ihm den Spitznamen "der Traktor" ein. Provenzano lebte 43 Jahre lang im Untergrund. 2006 wurde er auf einer Schaffarm in der Nähe des sizilianischen Städtchens Corleone gefasst. Seine Gefängnisstrafen belaufen sich auf insgesamt 250 Jahre.
Auf Facebook finden sich mehr als 900 Unterstützer für Provenzano. Einige loben ihn dafür, den Staat 43 Jahre lang ausgetrickst zu haben. Andere fordern sogar umgehend seine "Heiligsprechung". Auch der dritte Boss in der Rangfolge, Matteo Messina Denaro, ist auf Facebook vertreten: Der 46-Jährige ist der mutmaßliche aktuelle Boss der Bosse der Cosa Nostra. Unter sizilianischen Jugendlichen hat er bereits Kultstatus. Auf Facebook wird er zum Helden stilisiert - Nutzer, die sein Profil als Freund akzeptiert hat, fühlen sich "sehr geehrt".
Claudio Michele Mancini, Autor und Mafia-Schriftsteller hat mindestens 12 Mafiabosse, die kürzlich in ihren aktuellen Facebook-Profilen sich offen mit Waffen produzierten enttarnt und an Polizeibehörden weitergegeben. Es ist lediglich eine Verhaftung erfolgt. Dennoch sind die Profile weiterhin aktiv und werden genutzt! Niemand schein sich zuständig zu fühlen, diese Verbrecher dingfest zu machen. Ganz offen verhöhnen sie Justiz und Polizeibehörden, währen Facebook-Fans "liken".
Claudio Michele Mancini
Hat die Mafia Facebook als neue PR-Strategie entdeckt? Wer die Profil-Seiten der Bosse ins Netz eingerichtet hat, ist bislang unklar. Italienische Staatsanwälte jedenfalls schließen nicht aus, dass prominente Mafiosi dahinter stecken könnten, um so vor allem unter den Jugendlichen ihre Beliebtheit zu festigen, berichtete die Tageszeitung La Repubblica.
Der oberste Anti-Mafia-Ermittler, Staatsanwalt Pietro Grasso, hält eine PR-Aktion der Mafia für möglich: "Warum sollten Mafiosi heute nicht auch die Medien für ihre Zwecke missbrauchen?"
Die Seiten haben in Italien für großen Aufruhr gesorgt. Insbesondere nachdem aufgebrachte Angehörige von Mafia-Opfern die Betreiber aufforderten, die Seiten zu entfernen.
Maria Falcone, die Schwester des getöteten Mafia-Jägers Falcone, äußerte sich besorgt. "Ich bin empört. Leider zieht das Böse viele Jugendliche an. Man muss sich engagieren, damit dies nicht mehr geschieht. Botschaften dieser Art im Internet helfen nicht", kommentierte sie den Facebook-Hype in La Repubblica.
"Es ist besorgniserregend, dass einige Mafia-Bosse Jugendliche derart faszinieren. Viele glauben, sie seien originell, wenn sie Mafiosi verherrlichen, dabei nähren sie nur den Kult von Mördern", sagt der Staatsanwalt von Palermo, Antonio Ingroia. Seine Behörde beobachtet die Vorgänge auf Facebook.
Anti-Mafia-Ermittler fordert Bürgerrevolte
Tatsächlich etwas unternehmen kann sie aber nicht. Ähnlich wie im deutschen Strafrecht findet auch in Italien die Meinungsfreiheit ihre Grenzen, wenn es sich um Rassendiskriminierung und Faschismus handelt.
Und dann gibt es da noch ein Problem, das die Sache juristisch verkompliziert: Der Server des Facebook-Betreibers ist in Palo Alto, Kalifornien. Damit sind der italienischen Postpolizei, die in allen Bereichen der Kommunikation tätig wird und im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermitteln würde, strafrechtlich die Hände gebunden. Allerdings sollen italienische Beamte angekündigt haben, gegen diejenigen Facebook-Nutzer ermitteln zu wollen, die sich als berüchtigte Mafiosi ausgeben und damit eine gestohlene Identität annehmen.
Der Betreiber jedenfalls denkt nicht daran, etwas gegen die Mafia-Fanklubs zu unternehmen. Und zeigt dabei zweifelhafte Moralvorstellungen: Erst vor kurzem hat Facebook für Schlagzeilen gesorgt, weil das Portal Bilder von stillenden Müttern sperrte. Die Mafiosi-Fanklubs dagegen existieren weiter. Der Grund: Solange die Inhalte nicht gegen die Nutzerrichtlinien verstoßen und etwa pornographische oder gewalttätige Inhalte zeigen, wird Facebook nicht tätig, sagt eine Sprecherin.
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