Stockbetrunken
und auf Antidepressiva wurde letztes Jahr im Februar der Chef der
Drogenfahndung im Allgäu festgenommen. Er saß am Steuer seines Audi und war
gerade von zu Hause geflüchtet, wo er kurz zuvor seine Frau lebensgefährlich
gewürgt, zu sexuellen Handlungen gezwungen haben soll und ihr wohl auch noch
drohte, sie umzubringen.
Um
den Wahnsinn komplett zu machen, gestand er seinen verdutzten Kollegen noch
während der Festnahme, dass er Drogen in seinem Spind in der Polizeiwache in
Kempten gebunkert hätte. „Das reicht bis zur Rente", soll er gesagt haben.
Mehr als eineinhalb Kilo Koks fanden die Beamten dann, als sie seinen Spind
aufbrachen. Marktwert: bis zu 250.000 Euro.
Am
Montag begann der Prozess gegen den Mann vor dem Landgericht Kempten. Jetzt
brauchte er natürlich jede Menge Chuzpe, um sein Pulver direkt vor der Nase
einer Horde eifriger Drogenfahnderkollegen zu verstecken. Denen hätte ja auch
mal auffallen können, dass er immer in der Toilettenkabine verschwand, statt
aufs Pissoir zu gehen. Aber der Schock bei den Beamten, Angehörigen und so
ziemlich jedem, der in Kempten eine Meinung hat, sitzt tiefer:
Wer
1,6 Kilo
Kokain hat, muss ganz nah an der Quelle sein,“ kommentierte der Mafia-Experte Claudio
Michele Mancini den
Fall laut Zeitungsberichten. „Und diese Quelle ist die
Ndrangheta." Aber von vorne - Armin N. - seinen Nachnamen dürfen wir
nicht nennen, weil das gegen seine Persönlichkeitsrechte verstoßen würde, wie
überhaupt vieles in diesem Prozess nicht geschrieben werden darf, berechtigt
oder unberechtigt - wurde jedenfalls im Jahr 2000 zum Chef-Drogenfahnder von
Kempten befördert. Das heißt, er war etwa für verdeckte Ermittlungen, Razzien
und Festnahmen zuständig und durfte beschlagnahmtes Rauschgift vernichten. Soll
heißen:
Er
warf es im Beisein eines Staatsanwalts in die
Müllverbrennungsanlage. Privat lief es nicht so gut. Im gemeinsamen Haus
sollen der Fahnder und seine Frau sich zwar ausschweifenden Nächten mit Koks,
Sex-Spielzeug und BDSM hingegeben haben, die aus der Serie „KinK „stammen
könnten, berichten Eingeweihte.
Die Ermittlungsergebnisse
dazu sollen aber ebenfalls nicht veröffentlicht werden - zum Schutz besonders
von Armins Frau. Verständlich. Wer jahrelang mit einem kokainsüchtigen
Polizisten zusammenlebt, der auf harten Sex steht und scheinbar unerschöpfliche
Kokain-Vorräte hat, hat es schwer genug. In solchen Nächten soll Armin seine Frau immer wieder
geschlagen und misshandelt haben, nicht nur einvernehmlich. Einmal floh sie in
so einer Situation vor ihm, stürzte vom Balkon und brach sich einen
Lendenwirbel.
Am
Abend des 14. Februar 2014 war Sex vermutlich nur Nebensache. Es war
Valentinstag und irgendwie muss es Streit gegeben haben. Nach dem gemeinsamen
Abendessen trat Armin seiner Frau in Kampfanzug und Erkennungsmarke um den Hals
entgegen, drohte, sie umzubringen, und versuchte, sie zu vergewaltigen.
Armin war stockbetrunken, seine Frau konnte sich aus seinem Griff befreien,
floh in den Garten und holte per Telefon Hilfe.
Als
Nächstes soll Armin sich im Auto Richtung Kempten aus dem Staub gemacht haben,
bis er schließlich von der mittlerweile verständigten Polizei gestoppt
wurde und die Koks-Bombe platzen ließ.
Man
könnte fast meinen, er wollte geschnappt werden. Im Gerichtssaal am Montag gab
er an, seit Jahren kokainabhängig zu sein. Das Kokain will er aus der
Asservatenkammer gehabt haben, wo die Polizei ihre Drogenfunde bis zur
Vernichtung lagert. Ein Staatsanwalt soll es ihm überlassen haben -
damit er andere im Erkennen von Drogen schult. Aber das glaubte ihm von
Anfang an keiner. Woher das Koks stammt, ist bis heute völlig ungeklärt. Das riesige Interesse der Medien an dem Fall rührt
aber wo anderes her: Kempten gilt als die Hochburg der italienischen
Ndrangheta in Deutschland und als Logistik-Zentrum im Koks-Handel.
Stand
Armin N. auf der Gehaltsliste der Mafia oder war er womöglich
erpressbar? Schon in den 60er Jahren warb Deutschland in großem Stil
Gastarbeiter im Ausland an, damals noch aus Italien. Auch nach Kempten wurden
sie geschickt, um die dortige Industrie mit aufzubauen. Wohl mehr zufällig
kamen die meisten der Kemptener Italiener ausgerechnet aus Kalabrien, aus der
Umgebung eines kleinen, in Deutschland unbekannten Dorfes namens San Luca. Was
man damals nicht wusste oder für irrelevant hielt: San Luca ist die
Geburtsstätte der Ndrangheta, hier liefen und laufen die Fäden dieser
international tätigen kriminellen Vereinigung zusammen, meinen Experten.
Die Gastarbeiter aus San Luca wollten der Armut Kalabriens entfliehen. Es gibt
keinen Grund, ihnen schlechte Absichten zu unterstellen. Aber im Gepäck hatten
sie eben auch zahlreiche Kontakte und Familienbande zur Ndrangheta.
Als
dann in den 80er Jahren die Mafia in Italien massiv bekämpft wurde, machten
sich viele eingefleischte Mafiosi auf nach Kempten. Sie bauten dort eine
sogenannte Relais-Station auf, für den Drogen- und Waffenhandel zwischen Nord-
und Südeuropa. Ihren Höhepunkt erreichte die Mafia-Präsenz in Kempten Ende der
90er Jahre, als eine korrupte Schreibkraft bei der Staatsanwaltschaft eingeschleust
werden sollte und ein gefürchteter Auftragsmörder am
Kemptener Bahnhof festgenommen wurde.
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