Der Humus, aus dem Buzzis Reich so üppig wuchs, hatte
nach einhelligem Befund der Kommentatoren zwei Schichten. Roms, wo gut und
böse, Freund- und Seil- und Komplizenschaft, öffentliche Ordnung und privater
Profit so ineinander verschwimmen, dass keiner mehr eine klare Unterscheidung
treffen kann. „Alle tun, was alle tun“, sagt ein Fahnder, „innere Bremsen gegen
das Abrutschen in illegale und/oder mafiöse Kulturen gibt es nicht.“
Die zweite Schicht ist der „schwarze“, der
rechtsextreme Sumpf, über den in Italiens Hauptstadt bis heute nur recht dünne
Bretter führen. Massimo Carminati hat eine prominente Vergangenheit als
führender Rechtsterrorist in den „NAR“, den „Bewaffneten Autonomen Zellen“ der
späten siebziger Jahre. Und nicht nur eine Vergangenheit. Fahnder berichten von
den Abhöraktionen, dass selbst Carminati darüber gestaunt habe, welche
Bekanntheit und welches Drohpotenzial allein sein Name noch immer besitzt: „Da
laufen die Leute weg, wenn du mit ihnen reden willst“, sagte er: „Sie wissen
eben, wie die Dinge wirklich stehen.“
Das Netzwerk "alter Kameraden" ist noch
intakt
Jener Kronzeuge, der die Polizei auf Carminatis und Buzzis
Spuren gebracht hat, sagte darüber hinaus, der Kreis der „alten Kameraden“ sei
in Rom noch intakt: „Da ist noch ein Gefühl füreinander da. Die einen sind zwar
Politiker geworden, die anderen Banker, aber sie sind in diesem Ambiente
aufgewachsen. Es ist immer noch leicht, sich gegenseitig um einen Gefallen zu
bitten.“
Carminati, dem man außer kleineren Raubüberfällen nie
etwas hatte nachweisen können – und wenn er doch einmal zu drei oder vier
Jahren Haft verurteilt worden war, dann kam er immer wieder aufgrund von allgemeinen
Amnestieregelungen frei. Er betrieb in Roms Norden mit seiner Lebensgefährtin
ein Modegeschäft.
Zwanzig Jahre alt ist der Sohn, eine ruhige Familie –
nach außen hin. Doch im Verborgenen hat es Carminati nach Erkenntnissen der
Staatsanwaltschaft geschafft, aus den verbliebenen Mitgliedern seiner alten
Zelle und aus jenen Stadt-Kriminellen der „Magliana-Bande“, die in den
achtziger Jahren Rom terrorisierte, eine ebenso diskrete wie gefürchtete
Mafia-Gruppe zu formen. Ziel: maximales Geldverdienen.
Das Mittel: Buzzis
verschachteltes, allgegenwärtiges Imperium, finanzielle
„Freundschaftsdienste“
für Betriebe, die in wirtschaftliche Not gerieten und dann – nach klassischer
mafiöser Manier – die schleichende Übernahme der Firma: „Worauf ich abziele“,
sagte Carminati am Telefon ganz offen, „ist gleichberechtigte Teilhabe zu
gegenseitigem Vorteil. Die Sache ist ja die: Aus der Freundschaft folgt, dass
wir gemeinsame Geschäfte machen. Das sage ich allen: Die Unternehmer müssen
Sachen für uns ausführen. Sie müssen für uns arbeiten.“
Rom ist gefährlicher als Palermo, sagt ein
Mafia-Experte
Der erfahrene Mafia-Reporter Lirio Abbate, der sich
seit seiner Arbeit auf Sizilien nur mehr unter Polizeischutz fortbewegen kann
und Rom heute für gefährlicher als Rom, hatte im August 2013 Wind von den
Umtrieben Carminatis bekommen. In seiner Reportage, über deren Zeitpunkt
mancher Ermittler gar nicht glücklich war, zitierte er auch die Anwältin des
Bosses. Sie sagte: „Würde all das stimmen, was man Carminati nachsagt, dann
wäre er kein mächtiger Mann, sondern einer mit Superkräften, der die Zügel der
römischen Wirtschaft in der Hand hält und die Politik beeinflussen kann. Und
das alles mit nur einem Auge! Das sind doch nur Kino-Klischees!“ In diesen
Tagen zeigt sich: So weit von der Wirklichkeit war diese Art von „Cinema
Capitale“ nicht entfernt.
Aus der Untersuchungshaft in Rom haben sie Carminati
jetzt nach Parma verbracht, in jenes Hochsicherheitsgefängnis, in dem auch Toto
Riina einsitzt, der „Boss der Bosse“ der sizilianischen Cosa Nostra, der
„Schlächter von Corleone“. Rom und Corleone, auf einer Ebene sozusagen. Welch
ein Abstieg für eine Stadt, die sich noch immer gerne „Caput Mundi“ nennt:
„Hauptstadt der Welt“.
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