Das Prunkbegräbnis eines Mafia-Paten löste in Rom einen
Skandal aus, der noch nicht zu Ende ist. Auf Rai Uno preisen zwei Mitglieder
des berüchtigten Casamonica-Clans den Toten wie einen Heiligen.
Das hat Italien noch nie gesehen: Zur besten Sendezeit
und im ersten staatlichen Sender Rai Uno durfte sich in einem der bisher
angesehensten politischen Fernseh-Salons die berüchtigte römische Mafia-Familie
Casamonica präsentieren: Bruno Vespa bot in seiner Talkshow
„Porta a Porta“ der Tochter Vera und dem Enkel Vittorio jun. des verstorbenen
Clanchefs Vittorio Casamonica eine offene Bühne.
Der Zuschauer traute seinen Augen kaum: Da konnte im
schwarzen schulterfreien T-Shirt über einem weißen langen Rock und schwarzen
Stöckelschuhen Vera Casamonica ihren Vater mit Papst Johannes Paul II. vergleichen; der Verstorbene
sei für sie und die Familie wie ein Heiliger gewesen, befand sie.
Die
Staatsanwaltschaft hingegen sieht den Verstorbenen als Padrone eines
Sinti-Clans, der es mit Rauschgift- und Menschenhandel, mit Erpressung und
Betrug zu einem Vermögen von etwa neunzig Millionen Euro gebracht hat. Mehr als
ein Dutzend Angehörige des Clans saßen oder sitzen zurzeit in Haft.
Der Enkel des Paten schweigt
Mutmaßlich weil einer der Söhne dieses Padrone daheim in Hausarrest bleiben
muss, hatte Vespa neben der stolzen Vera noch den Enkel Vittorio eingeladen.
Der saß neben ihr im schwarzen Hemd und schwarzen Jeans und wusste
offensichtlich nicht so recht, wie man sich in einem Fernsehstudio benimmt. Der
Junior schwieg meist. Doch wenn beide nicht schlagfertig genug waren, mischte
sich der Anwalt der Familie ein.
Dabei verwickelte Bruno Vespa seine Gäste keineswegs in ein Kreuzverhör.
Vielmehr ging es ihm offenbar vor allem darum, den weißen Anzug, in dem der
Tote auf einer meterhohen Leinwand bei der Trauerfeier gezeigt worden war,
optisch in die Nähe zum weißen Habit des Papstes zu rücken; und da hatten es
die Casamonicas leicht: Nun gut, sagte Vera, aber das war ein normaler
Straßenanzug und nichts mehr. Dabei hätte man gerne gewusst, wie man zum
Beispiel die Polizei so an der Nase herumführt, dass man eine sechsspännige
Kutsche zum Transport des Sargs in einem langen Zug von Luxuskarossen mit den
Trauerkränzen durch die Stadt schicken und aus einem Hubschrauber rote Rosen
auf den Sarg regnen lassen kann.
Verbrechen salonfähig gemacht
Seit die Regierung von Matteo Renzi an der Macht ist und so etwas wie
stabile Verhältnisse in Italiens Politik eingetreten sind, haben es politische
Talkshows schwer. Bruno Vespa, der als Mentor dieser Art von Debatten-Kultur
gilt und bei dem früher sein Freund Silvio Berlusconi und dessen gesamte
politische Brut stets ein offenes Forum hatten, wurde wegen dieser Normalität
mit seiner Sendung „Porta a Porta“ kaum mehr beachtet. Das muss ihn so gekränkt
haben, dass er nun zur Hebung der Zuschauerzahlen zum Äußersten griff. 1,34 Millionen
Zuschauer sahen dann auch seine Sendung; fast so viele wie die am Abend zuvor
mit dem Studiogast Renzi.
Aber nun muss sich der
aalglatte Vespa der Kritik von fast allen Seiten stellen. Roms Bürgermeister
Ignazio Marino sagte, man sollte die Sendung verschrotten. Er werde nie mehr
„Porta a Porta“ sehen, denn Vespa habe die Würde der Stadt verletzt. Diese
Sendung habe nicht informiert, sondern versucht, das Verbrechen salonfähig zu
machen. Darauf entgegnete Vespa: „In der Tat hat Rom seine Würde verloren, aber
doch nicht durch diese Sendung, sondern durch die Politik.“
Juristisch lasse sich
womöglich nichts gegen diese Sendung machen, sagte der Präfekt von Rom, Franco
Gabrielli; Vespa habe sich freilich als jemand entlarvt, der den Kontakt zur
Mafia nicht scheue. Berlusconis Forza Italia hat derweil nichts an der Sendung
auszusetzen. Sein Fraktionssprecher im Abgeordnetenhaus Renato Brunetta meinte,
Vespa sei ein guter Journalist, der seine Zuschauer zu informieren wisse. Der
Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission der Rai, Roberto Fico,
stellte hingegen fest: Auch wer beim staatlichen Fernsehen arbeitet, ist nicht
unantastbar. Die nächste Kommissionssitzung kommt bestimmt.
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