Italien leidet nicht nur im
Süden unter der Mafia. Sie breitet sich seit Jahrzehnten über die Landesgrenzen
hinweg aus, so dass die Clans der kalabresischen Ndrangheta mittlerweile auch
deutschen Staatsanwälten zu schaffen machen.
In Italien stehen mehr als 200 Gemeinden
wegen Unterwanderung durch das organisierte Verbrechen teils seit Jahren unter
Zwangsverwaltung. Rom entging dieser Maßnahme vor kurzem nur ganz knapp. Und
das, obwohl einer der Clans seine Macht durch ein als Hollywood-Spektakel
inszeniertes Begräbnis inklusive Blütenregen aus dem Hubschrauber inszeniert
hatte. Nur der Stadtteil Ostia wurde unter besondere Aufsicht gestellt.
Den römischen Bürgermeister Ignazio Marino
überraschte das so wenig, dass er nicht einmal seinen Karibik-Urlaub
unterbrach.
Spektakuläre
Morde verübt die Mafia nicht mehr, heute schüchtert sie ein. Das reicht in den
meisten Fällen aus. Doch hat der Einfluss der alles anderen als ehrenwerten
Gesellschaft, für Italien gravierende und langfristige Folgen. Der Mangel an
Rechtssicherheit schreckt vor allem im unterentwickelten Süden Investoren ab.
Die wirtschaftliche Entwicklung kommt kaum voran. Zum Sparen verurteilte
Gemeinden sind vielfach nicht mehr in der Lage, die ohnehin lückenhafte Infrastruktur Instand zuhalten, geschweige denn, sie auszubauen. Junge Menschen bleiben so
ohne Perspektive. Sie wandern aus - oder finden vielerorts einzig bei der Mafia
Einkommensquellen.
Als
Antwort auf den Teufelskreis aus Unterentwicklung und Kriminalität kennt
Italien traditionell nur die Forderung nach staatlichen Investitionen. Doch
gerade sie wecken neue Begehrlichkeiten der Clans. Dass es zur Überwindung der
Lähmung nicht nur staatlicher Hilfen, sondern auch des Engagements der Bürger
bedarf, ist nur wenigen Italienern bewusst. Obwohl der italienische
Nationalstaat nicht jünger als der deutsche ist und ebenfalls eine
faschistische Diktatur erlebte, entwickelte sich in Italien kaum Bürgersinn.
Das Vertrauen in politische Parteien ist aufgrund der Korruptions- und
Mafiaskandale der vergangenen Jahrzehnte nur gering. Dass die Bürger ihre
Interessen selbst vertreten könnten und für ihre Volksvertreter verantwortlich
sind, können sich die wenigsten vorstellen.
Wer
dennoch versucht, für rechtsstaatliche Verhältnisse zu sorgen, bekommt es rasch
mit der gut verwurzelten Macht der Mafia-Organisationen zu tun. Mehr als 130
Lokalpolitiker wurden in den vergangenen 40 Jahren ermordet. Heute ist in
vielen Fällen kein blutiges Verbrechen mehr nötig, um aufstrebende Politiker
daran zu erinnern, wer am längeren Hebel sitzt. Meist reichen per Post
geschickte Patronenkugeln oder ein ausgebrannter Privatwagen als Botschaft aus.
Rom steht
nun eine neue Herausforderung bevor. Die Hauptstadt soll sich für Pilgerströme
rüsten, die im Rahmen des Heiligen Jahres erwartet werden, das im Dezember
beginnt. Mit Millionen Euro aus der Staatskasse soll die Hauptstadt ertüchtigt
werden. Darüber, dass die Summen nicht in privaten Kassen verschwinden, sondern
tatsächlich für den Ausbau der Infrastruktur genutzt werden, soll Roms Präfekt
wachen. Franco Gabrielli hat bereits ein anderes Großprojekt gemeistert. Er
sorgte im Auftrag der römischen Regierung dafür, dass das verunglückte
Kreuzfahrtschiff Costa Concordia gehoben und sicher nach Genua gebracht wurde.
Die Herausforderungen durch die mafiösen Strukturen Roms dürften die durch den
Kreuzfahrtriesen jedoch bei weitem übertreffen.
Patronenkugeln reichen zur Einschüchterung aus.
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