Im Norden Neapels ringen Banden um die Vorherrschaft im Drogengeschäft. Das kostete seit 2012 alleine in den Wohnblocks von Scampia 45 Menschen das Leben.
Im Norden Neapels spielt sich einer der brutalsten Camorra-Konflikte
seit Jahren ab. Am Sonntagmorgen ermordeten Killer in Scampia den 42
Jahre alten Raffaele Abete, Bruder eines inhaftierten Clanchefs. Mit
drei Schüssen in den Schädel streckten ihn die Mörder vor der
"Caffetteria Zeus" nieder. Von den Tätern fehlt jede Spur, doch ihr
Motiv ist für die Ermittler eindeutig: Dem Mann wurde zum Verhängnis,
der Bruder des Camorra-Bosses Arcangelo Abete zu sein. "Krieg in
Scampia", schreibt die Zeitung "La Repubblica".
Harmlosere Namen sind für diese Schauplätze des Schreckens kaum
denkbar: Wegen ihrer einst blauen Farbe nennen sich die
heruntergekommenen Wohnblöcke "Case dei Puffi", Häuser der Schlümpfe.
Und die riesigen Hochhausruinen, in denen immer noch Tausende Familien
leben, heißen "Le Vele", die Segel.
Jetzt spielt sich am Rand dieser tristen Gebäude ein heftiger
Camorra-Konflikt ab. Etwa 80 Clans gibt es in Neapel, unter einigen von
ihnen ist ein blutiger Streit um die Vorherrschaft im "größten
Drogensupermarkt Europas" neu entbrannt. So nennen Insider den
trostlosen Distrikt im Norden der Stadt. In und um Neapel sind die
heruntergekommenen Betonburgen von Scampia berüchtigt, auch im Film
"Gomorra" sind sie zu sehen. Drogensüchtige und Dealer versorgen sich
hier mit Stoff. Bis zu 500 Kriminelle teilen sich das Geschäft mit
Kokain, Heroin, Tabletten und Haschisch. Die Drogen gelangen über
Spanien hierher. Auf bis zu 100 Millionen Euro schätzen Staatsanwälte
den illegalen Jahresumsatz.
Dieser enorme Profit ist der Grund für den neuen Konflikt, in dem sich
in erster Linie die Clanfamilien Abete-Abbinante-Notturno und
Menetta-Magnetti-Petriccione bekriegen. Die Tötung Abetes sei die Rache
für einen anderen Mord gewesen, behauptet die Polizei. Am 23. August
starb Gaetano Marino im Kugelhagel, als er an der Strandpromenade von
Terracina, einer Kleinstadt zwischen Neapel und Rom, in sein Auto
einsteigen wollte. Die Exekution erfolgte mitten am Tag, Touristen
liefen auf der Straße. Auch Marino ist der Bruder eines gefürchteten
Bosses im Norden Neapels, Gennaro Marino.
Seit 2011 sind laut Polizei 35 der insgesamt 67 Morde in Neapel auf die
Auseinandersetzung in Scampia zurückzuführen. Seit März 2012 forderte
der Konflikt sieben Tote. Polizei und Carabinieri sind seit dem Mord an
Marino auf 200 Mann verstärkt worden, das jüngste Attentat konnten sie
dennoch nicht verhindern. Immerhin ist der Drogenhandel nun erschwert.
Innenministerin Anna Maria Cancellieri sagte: "Offensichtlich hat dieser
Aufwand nicht genügt, wir werden mehr tun müssen." Nun wird über einen
Einsatz des Militärs spekuliert.
Die tief verwurzelten Probleme des Viertels werden jedoch auch Soldaten
nicht aus der Welt schaffen können. Der heutige Konflikt ist die
Fortsetzung der "Fehde von Secondigliano", bei der zwischen 2004 und
2005 mehr als 89 Menschen ums Leben kamen. Eine Gruppe, die sogenannten
Abspalter hatte sich damals gewaltsam vom Di-Lauro-Clan getrennt. Sie
kontrollierten seither die Drogenumschlagplätze in Scampia, vor allem in
den "Case dei Puffi" und den "Vele", die seit Jahren de facto
rechtsfreier Raum sind. Wie in einer Burg haben die Clans Wachposten an
jeder Ecke postiert, die das Territorium kontrollieren. Nun ist
innerhalb der Abspalter ein neuer Machtkampf entbrannt.
Der Verfall in Scampia begann 1980 nach einem schweren Erdbeben in
Kampanien. Tausende Obdachlose fanden in den Wohnblöcken Unterschlupf.
Nie wurde eine entsprechende Infrastruktur geschaffen, auch Arbeit gibt
es für die heute 80 000 Bewohner kaum, die Rede ist von bis zu 75
Prozent Arbeitslosigkeit. Nur ein Fünftel der in den "Vele" lebenden
Familien hat einen regulären Mietvertrag. Die anderen leben in besetzten
Wohnungen, viele haben sich eigenhändig an die Strom- und
Wasserversorgung angeschlossen. Die Camorra, die die soziale Misslage
für sich nutzt, kontrolliert auch den illegalen Wohnungsmarkt. Don
Fulvio D’Angelo war hier jahrelang Seelsorger. Der Priester sagt: "In
vielen Jahren habe ich nicht die Spur einer Idee gesehen, wie diese
Gegend wirtschaftlich und sozial gefördert werden kann."
Mafia, Camorra, 'Ndrangheta. Paten organisieren in Europa, USA und Südamerika die "großen" Geschäfte. Sie sind gut vernetzt mit Politik, Wirtschaft und der Kirche. Als Autor schreibe ich seit 25 Jahren über das Phänomen der Cosa Nostra und deren Aktivitäten. Meinen Romanen liegen authentische Kriminalfälle zugrunde. Die wichtigsten Publikationen finden Sie unter "meine Romane" auf der Leiste oder unter: http://tinyurl.com/bgu5pbh
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