Mittwoch, 31. Juli 2013

Die schmierigen Geschäfte der Olivenöl-Mafia

Italien hat einen neuen Lebensmittelskandal. Panscher machten gewaltige Mengen Billig-Olivenöl durch Mischen oder Um-etikettieren zu teurer Edelware, manchmal sogar mit gefälschtem Bio-Siegel. 80 Prozent der gesamten Produktion sollen betroffen sein, ein Teil wird auch in Deutschland verkauft.



Keine zwei Wochen ist es her, da beschlagnahmte die Polizei im norditalienischen Verona 2.500 Tonnen angeblicher Bio-Futtermittel, vor allem Soja und Raps, die tatsächlich alles andere als "bio" waren. Einige Hundert Tonnen von dem Zeug sollen zuvor nach Deutschland exportiert und dort an Schweine, Rinder, Hühner verfüttert worden sein. Seit 2007 soll der Betrüger-Ring neben Tierfutter auch Mehl, Obst und Trockenfrüchte für insgesamt 220 Millionen Euro verkauft haben. Auch davon ging ein Teil nach Deutschland.

Jetzt enthüllte die römische Tageszeitung "La Repubblica" den nächsten Millionenskandal mit gefälschten Lebensmitteln: "Italienisches" Olivenöl der Qualitätshöchststufe "Extra Vergine" (in Deutschland: Natives Olivenöl Extra) stamme selten aus heimischen Beständen. In vier von fünf Flaschen seien Öle aus Spanien, Griechenland oder Tunesien. Das jedenfalls hätten Kontrollen und Recherchen der italienischen Behörden ergeben. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Aber schon die ersten Ergebnisse deuten auf einen organisierten Betrug in gewaltigem Ausmaß. Ein Sprecher des Bauernverbandes Coldiretti spricht von Aktivitäten der Mafia.


Mafia macht Traumgewinne mit "Superschnäppchen"

Etwa fünf Milliarden Euro setzen die italienischen Öl-Händler im Jahr um - einen erheblichen Teil davon, so sieht es jedenfalls jetzt aus - mit traumhaften Gewinnen dank betrügerischer Machenschaften. Basis für die schmierigen Geschäfte sind die großen Preisunterschiede in den ölproduzierenden Ländern.

In Spanien kostet das Olivenöl ab Mühle etwa 0,50 Euro, in Tunesien weniger als 0,25 Euro pro Kilo. In Italien verlangen die Ölhersteller dagegen im Schnitt vier bis fünf Euro, in der Toskana etwas mehr, eher sieben Euro, in Apulien und Kalabrien etwas weniger. Und so bringen Tanklaster und riesige mit Öl gefüllte Schiffe jedes Jahr beinahe eine halbe Million Tonnen fremdes Olivenöl nach Italien.

Würde die Ware dort auf Flaschen gefüllt und entsprechend etikettiert - Öl aus Tunesien, zum Beispiel - und mit der zutreffenden Qualitätsstufe gekennzeichnet, wäre die Sache völlig in Ordnung. Aber das geschieht offenbar nur selten. Häufiger werden die Fremd-Öle dem Verbraucher als heimische Produkte untergejubelt. Manchmal steht sogar irgendwo auf dem Etikett, in winzigster, nahezu unlesbarer Schrift "enthält Öle aus EU-Ländern" oder "enthält Öle aus EU- und Nicht-EU-Ländern" - aber oft verzichten die Panscher selbst auf solche versteckten Hinweise und verkaufen das Importöl einfach als italienische Ware - ob als "Superschnäppchen" für zwei bis vier Euro, oder auch viel teurer. Es ist ja schließlich, laut Etikett, beste italienische Qualität.


Die Hälfte ist schimmelig

Tatsächlich ist der Inhalt in der Regel nicht nur kein "extra vergine"-Öl, sondern oft richtig schlecht. Untersuchungen von zwölf gängigen in italienischen Supermärkten verkauften Marken zeigten ein erschütterndes Resultat: die Hälfte der Öle war schimmelig.

Oft reichen hübsche Flaschen und schöne Etiketten nicht, um das Importprodukt verkäuflich zu machen. Denn nicht selten stinkt das Billig-Öl schrecklich. Dann muss es chemisch "desodoriert" und vielleicht auch mit etwas gutriechendem Öl vermischt werden. Aber sogar diese chemisch aufgehübschte Schrottware wird mitunter noch als "Bio"-Produkt auf den Markt gebracht. Nicht nur in Italien.


Top-Öl für drei Euro geht nicht

Zwar landet das Gros des italienischen Olivenöls, sei es importiert oder selbst produziert, in den Töpfen oder Pfannen italienischer Küchen. Aber immerhin 250.000 Tonnen Olivenöl exportiert Italien pro Jahr. Viel davon, um die 60.000 Tonnen, landet in Deutschland. Und, vermutlich, ist dabei auch viel von dem Schmier-Öl.

Dass die Verbraucher damit hereingelegt werden, ist zum Teil auch deren Schuld. Denn manche Angebote sind so billig, dass unmöglich das drin sein kann, was drauf steht. Und viele Käufer wissen das zwar, theoretisch, fallen im Ernstfall aber immer wieder der Billig-Billig-Versuchung zum Opfer.

Ein "Natives Olivenöl Extra" ist ein reines Naturprodukt, kaltgepresst, aus erster Pressung, mit einem ganz geringen Säuregehalt. Die Bäume müssen gepflegt, die Oliven schonend geerntet werden - bei Spitzenölen sogar von Hand, fünf Kilo oder mehr für einen Liter - das Pressen ist aufwendig. Das alles ist teuer. Ein Öl der höchsten Qualitätsstufe für drei, vier Euro - wie sie auch in deutschen Läden zu haben sind - kann es in Wirklichkeit nicht geben. Es sei denn, der Verkäufer verschleudert seine gute Ware unter dem Herstellungspreis - oder die Ware ist gar nicht so gut.

Betrug beim Olivenöl ist keine neue Sache. Früher pressten betrügerische italienische Ölpanscher die Oliven ein zweites Mal, jagten die Maische mit heißem Wasser durch eine Zentrifuge und holten so den letzten Tropfen aus der Frucht. Das Produkt war minderwertig - aber der Profit stimmte. Jetzt holt man sich gleich Billigöl und füllt es um. Die Mühe ist geringer, der Verdienst noch größer.


EU hilft Öl-Panschern

Dazu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit, beim Schummeln mit verschimmeltem Öl aufzufliegen, nicht sonderlich groß ist. Die Kontrollen sind lasch, die Vorschriften verwirrend und teilweise unsinnig. Bis vor ein paar Jahren genügte es, tunesische Oliven in einer toskanischen Ölmühle auszuquetschen - schon hatte man, ganz legal, original Toskana- Olivenöl. Seit 2008 schreibt Italien immerhin vor, dass dort angebotenes Olivenöl die Herkunft der Oliven ausweisen muss.
In vielen anderen Ländern, so in Deutschland, gibt es das nicht. Da kann man den Verbrauchern ganz legal Ölverschnitte aus mehreren Ländern als "italienisches" Produkt unterschieben.

Und die Europäische Union tat in diesem Frühjahr noch ein übriges: Sie setzte für das Premium-Öl (Nativ Extra) den erlaubten Höchstgehalt von Alkylestern - das sind chemische Verbindungen, die beim Pressen minderwertiger Früchte oder beim Panschen entstehen - kurzerhand auf 150 Mikrogramm (µg) pro Kilo herauf. Im ordentlichen Natur-Olivenöl liegt dieser Wert selten über 30 µg/kg, bei Spitzenölen sogar nur um 15 µg/kg. Nur wer Öle panscht oder sogar desodoriert kommt auf die hohen Werte. Im Klartext: Brüssel macht mit der neuen Verordnung der Öl-Mafia das Leben noch leichter.



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