Italien hat einen neuen Lebensmittelskandal. Panscher machten
gewaltige Mengen Billig-Olivenöl durch Mischen oder Um-etikettieren zu
teurer Edelware, manchmal sogar mit gefälschtem Bio-Siegel. 80 Prozent
der gesamten Produktion sollen betroffen sein, ein Teil wird auch in
Deutschland verkauft.
Keine zwei Wochen ist es her, da beschlagnahmte die Polizei im
norditalienischen Verona 2.500 Tonnen angeblicher Bio-Futtermittel, vor
allem Soja und Raps, die tatsächlich alles andere als "bio" waren.
Einige Hundert Tonnen von dem Zeug sollen zuvor nach Deutschland
exportiert und dort an Schweine, Rinder, Hühner verfüttert worden sein.
Seit 2007 soll der Betrüger-Ring neben Tierfutter auch Mehl, Obst und
Trockenfrüchte für insgesamt 220 Millionen Euro verkauft haben. Auch
davon ging ein Teil nach Deutschland.
Jetzt enthüllte die römische Tageszeitung "La Repubblica"
den nächsten Millionenskandal mit gefälschten Lebensmitteln:
"Italienisches" Olivenöl der Qualitätshöchststufe "Extra Vergine" (in
Deutschland: Natives Olivenöl Extra) stamme selten aus heimischen
Beständen. In vier von fünf Flaschen seien Öle aus Spanien, Griechenland
oder Tunesien. Das jedenfalls hätten Kontrollen und Recherchen der
italienischen Behörden ergeben. Die Untersuchung ist noch nicht
abgeschlossen. Aber schon die ersten Ergebnisse deuten auf einen
organisierten Betrug in gewaltigem Ausmaß. Ein Sprecher des
Bauernverbandes Coldiretti spricht von Aktivitäten der Mafia.
Mafia macht Traumgewinne mit "Superschnäppchen"
Etwa fünf Milliarden Euro setzen die italienischen Öl-Händler im Jahr
um - einen erheblichen Teil davon, so sieht es jedenfalls jetzt aus -
mit traumhaften Gewinnen dank betrügerischer Machenschaften. Basis für
die schmierigen Geschäfte sind die großen Preisunterschiede in den
ölproduzierenden Ländern.
In Spanien kostet das Olivenöl ab Mühle etwa 0,50 Euro, in Tunesien
weniger als 0,25 Euro pro Kilo. In Italien verlangen die Ölhersteller
dagegen im Schnitt vier bis fünf Euro, in der Toskana etwas mehr, eher
sieben Euro, in Apulien und Kalabrien etwas weniger. Und so bringen
Tanklaster und riesige mit Öl gefüllte Schiffe jedes Jahr beinahe eine
halbe Million Tonnen fremdes Olivenöl nach Italien.
Würde die Ware dort auf Flaschen gefüllt und entsprechend etikettiert
- Öl aus Tunesien, zum Beispiel - und mit der zutreffenden
Qualitätsstufe gekennzeichnet, wäre die Sache völlig in Ordnung. Aber
das geschieht offenbar nur selten. Häufiger werden die Fremd-Öle dem
Verbraucher als heimische Produkte untergejubelt. Manchmal steht sogar
irgendwo auf dem Etikett, in winzigster, nahezu unlesbarer Schrift
"enthält Öle aus EU-Ländern" oder "enthält Öle aus EU- und
Nicht-EU-Ländern" - aber oft verzichten die Panscher selbst auf solche
versteckten Hinweise und verkaufen das Importöl einfach als italienische
Ware - ob als "Superschnäppchen" für zwei bis vier Euro, oder auch viel
teurer. Es ist ja schließlich, laut Etikett, beste italienische
Qualität.
Die Hälfte ist schimmelig
Tatsächlich ist der Inhalt in der Regel nicht nur kein "extra
vergine"-Öl, sondern oft richtig schlecht. Untersuchungen von zwölf
gängigen in italienischen Supermärkten verkauften Marken zeigten ein
erschütterndes Resultat: die Hälfte der Öle war schimmelig.
Oft reichen hübsche Flaschen und schöne Etiketten nicht, um das
Importprodukt verkäuflich zu machen. Denn nicht selten stinkt das
Billig-Öl schrecklich. Dann muss es chemisch "desodoriert" und
vielleicht auch mit etwas gutriechendem Öl vermischt werden. Aber sogar
diese chemisch aufgehübschte Schrottware wird mitunter noch als
"Bio"-Produkt auf den Markt gebracht. Nicht nur in Italien.
Top-Öl für drei Euro geht nicht
Zwar landet das Gros des italienischen Olivenöls, sei es importiert
oder selbst produziert, in den Töpfen oder Pfannen italienischer Küchen.
Aber immerhin 250.000 Tonnen Olivenöl exportiert Italien pro Jahr. Viel
davon, um die 60.000 Tonnen, landet in Deutschland. Und, vermutlich,
ist dabei auch viel von dem Schmier-Öl.
Dass die Verbraucher damit hereingelegt werden, ist zum Teil auch
deren Schuld. Denn manche Angebote sind so billig, dass unmöglich das
drin sein kann, was drauf steht. Und viele Käufer wissen das zwar,
theoretisch, fallen im Ernstfall aber immer wieder der
Billig-Billig-Versuchung zum Opfer.
Ein "Natives Olivenöl Extra" ist ein reines Naturprodukt,
kaltgepresst, aus erster Pressung, mit einem ganz geringen Säuregehalt.
Die Bäume müssen gepflegt, die Oliven schonend geerntet werden - bei
Spitzenölen sogar von Hand, fünf Kilo oder mehr für einen Liter - das
Pressen ist aufwendig. Das alles ist teuer. Ein Öl der höchsten
Qualitätsstufe für drei, vier Euro - wie sie auch in deutschen Läden zu
haben sind - kann es in Wirklichkeit nicht geben. Es sei denn, der
Verkäufer verschleudert seine gute Ware unter dem Herstellungspreis -
oder die Ware ist gar nicht so gut.
Betrug beim Olivenöl ist keine neue Sache. Früher pressten
betrügerische italienische Ölpanscher die Oliven ein zweites Mal, jagten
die Maische mit heißem Wasser durch eine Zentrifuge und holten so den
letzten Tropfen aus der Frucht. Das Produkt war minderwertig - aber der
Profit stimmte. Jetzt holt man sich gleich Billigöl und füllt es um. Die
Mühe ist geringer, der Verdienst noch größer.
EU hilft Öl-Panschern
Dazu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit, beim Schummeln mit verschimmeltem Öl aufzufliegen, nicht sonderlich groß ist. Die
Kontrollen sind lasch, die Vorschriften verwirrend und teilweise
unsinnig. Bis vor ein paar Jahren genügte es, tunesische Oliven in einer
toskanischen Ölmühle auszuquetschen - schon hatte man, ganz legal,
original Toskana- Olivenöl. Seit 2008 schreibt Italien immerhin vor,
dass dort angebotenes Olivenöl die Herkunft der Oliven ausweisen muss.
In vielen anderen Ländern, so in Deutschland, gibt es das nicht. Da
kann man den Verbrauchern ganz legal Ölverschnitte aus mehreren Ländern
als "italienisches" Produkt unterschieben.
Und die Europäische Union
tat in diesem Frühjahr noch ein übriges: Sie setzte für das Premium-Öl
(Nativ Extra) den erlaubten Höchstgehalt von Alkylestern - das sind
chemische Verbindungen, die beim Pressen minderwertiger Früchte oder
beim Panschen entstehen - kurzerhand auf 150 Mikrogramm (µg) pro Kilo
herauf. Im ordentlichen Natur-Olivenöl liegt dieser Wert selten über 30
µg/kg, bei Spitzenölen sogar nur um 15 µg/kg. Nur wer Öle panscht oder
sogar desodoriert kommt auf die hohen Werte. Im Klartext: Brüssel macht mit der neuen Verordnung der Öl-Mafia das Leben noch leichter.
Mafia, Camorra, 'Ndrangheta. Paten organisieren in Europa, USA und Südamerika die "großen" Geschäfte. Sie sind gut vernetzt mit Politik, Wirtschaft und der Kirche. Als Autor schreibe ich seit 25 Jahren über das Phänomen der Cosa Nostra und deren Aktivitäten. Meinen Romanen liegen authentische Kriminalfälle zugrunde. Die wichtigsten Publikationen finden Sie unter "meine Romane" auf der Leiste oder unter: http://tinyurl.com/bgu5pbh
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