Dienstag, 30. Juli 2013

Wer hat Angst vor der Mafia?

Freie Meinungsäußerung – die ist mitten in Europa eigentlich selbstverständlich, denkt man. Aber auf Sizilien, wo seit eineinhalb Jahrhunderten die Mafia regiert, ticken die Uhren anders: Hier ist »Omertà« (Schweigen) das oberste Gesetz. Wer viel spricht, der lebt gefährlich.

Unter diesen Voraussetzungen grenzt es an ein Wunder, dass es Telejato, den kleinen gemeinnützigen TV-Sender aus dem Jatotal, überhaupt noch gibt. Doch die Menschen in Partinico, San Giuseppe Jato und Corleone (alles Heimatorte legendärer Mafiabosse!), lieben ihren unerschrockenen Mini-Sender, der sie seit acht Jahren mit den wirklich wichtigen Nachrichten versorgt – mit brühwarmen Geschichten über Korruption und Schutzgelderpressung, kurz: mit Berichten aus dem sizilianischen Alltag. Auf der Insel entrichten schätzungsweise 85% Prozent der Geschäftsleute den »Pizzo«, das Mafiaschutzgeld, und jeder weiß von mindestens einem Mafiaopfer im Bekanntenkreis.




Auch Telejato bleibt von den Einschüchterungsversuchen der Mafia nicht verschont: Wenn Pino Maniaci, bei Telejato Chef und Anchorman in Personalunion, mit sarkastischem Unterton von »technischen Pannen« im Sendebetrieb spricht, wissen die 150.000 Zuschauer, was gemeint ist. Drohbriefe und –anrufe, zerschnittene Autoreifen, Brandanschläge, Hinterhalte und eingeworfene Fensterscheiben sind bei den engagierten Fernseh-Machern an der Tagesordnung.

Zudem hetzen die Mafiagranden ihre Top-Anwälte auf Pino Maniaci – fast 200 Verleumdungsklagen musste er schon einstecken. Doch bis jetzt konnte die »ehrenwerte Gesellschaft« ihm nichts anhaben – Telejato sendet weiter aus der Dreizimmerwohnung der Maniacis. Seine Tochter Letizia ist mit der Kamera unterwegs – auf den Straßen, in Gerichtssälen und Gefängnissen. Mutter und Sohn sind ebenfalls fest in den Sendebetrieb eingebunden. Die Zuschauer lieben und unterstützen ihren kleinen mutigen Sender. Und auch ich verbeuge mich voller Hochachtung vor der Zivilcourage meines publizierenden Mitkämpfers.

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