Freie Meinungsäußerung – die ist mitten in Europa eigentlich
selbstverständlich, denkt man. Aber auf Sizilien, wo seit eineinhalb
Jahrhunderten die Mafia regiert, ticken die Uhren anders: Hier ist
»Omertà« (Schweigen) das oberste Gesetz. Wer viel spricht, der lebt
gefährlich.
Unter diesen Voraussetzungen grenzt es an ein Wunder, dass es
Telejato, den kleinen gemeinnützigen TV-Sender aus dem Jatotal,
überhaupt noch gibt. Doch die Menschen in Partinico, San Giuseppe Jato
und Corleone (alles Heimatorte legendärer Mafiabosse!), lieben ihren
unerschrockenen Mini-Sender, der sie seit acht Jahren mit den wirklich
wichtigen Nachrichten versorgt – mit brühwarmen Geschichten über
Korruption und Schutzgelderpressung, kurz: mit Berichten aus dem
sizilianischen Alltag. Auf der Insel entrichten schätzungsweise 85%
Prozent der Geschäftsleute den »Pizzo«, das Mafiaschutzgeld, und jeder
weiß von mindestens einem Mafiaopfer im Bekanntenkreis.
Auch Telejato bleibt von den Einschüchterungsversuchen der
Mafia nicht verschont: Wenn Pino Maniaci, bei Telejato Chef und
Anchorman in Personalunion, mit sarkastischem Unterton von »technischen
Pannen« im Sendebetrieb spricht, wissen die 150.000 Zuschauer, was
gemeint ist. Drohbriefe und –anrufe, zerschnittene Autoreifen, Brandanschläge, Hinterhalte und
eingeworfene Fensterscheiben sind bei den engagierten Fernseh-Machern
an der Tagesordnung.
Zudem hetzen die Mafiagranden ihre Top-Anwälte auf Pino
Maniaci – fast 200 Verleumdungsklagen musste er schon einstecken. Doch
bis jetzt konnte die »ehrenwerte Gesellschaft« ihm nichts anhaben –
Telejato sendet weiter aus der Dreizimmerwohnung der Maniacis. Seine Tochter
Letizia ist mit der Kamera unterwegs – auf den Straßen, in Gerichtssälen
und Gefängnissen. Mutter und Sohn sind ebenfalls fest in den
Sendebetrieb eingebunden. Die Zuschauer lieben und unterstützen ihren
kleinen mutigen Sender. Und auch ich verbeuge mich voller Hochachtung
vor der Zivilcourage meines publizierenden Mitkämpfers.
Mafia, Camorra, 'Ndrangheta. Paten organisieren in Europa, USA und Südamerika die "großen" Geschäfte. Sie sind gut vernetzt mit Politik, Wirtschaft und der Kirche. Als Autor schreibe ich seit 25 Jahren über das Phänomen der Cosa Nostra und deren Aktivitäten. Meinen Romanen liegen authentische Kriminalfälle zugrunde. Die wichtigsten Publikationen finden Sie unter "meine Romane" auf der Leiste oder unter: http://tinyurl.com/bgu5pbh
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