Italienische Ermittler filmen heimlich, wie
neue Mitglieder in die höchsten Ränge der italienischen Mafia ’Ndrangheta
eingeschworen werden. Die Anwärter schwören nicht etwa auf Heilige - sondern
auf Nationalhelden, die für die Freiheit und Einheit Italiens kämpften.
Die kalabrische Mafia, die ’Ndrangheta,
begräbt in San Luca Opfer einer Schießerei.
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Bisher wusste man von solchen Ritualen
nur aus den Geständnissen reuiger Mafiosi. Jetzt ist es italienischen
Ermittlern erstmals gelungen, mit versteckter Kamera festzuhalten, wie
Neumitglieder in die höchsten Ränge der ’Ndrangheta eingeschworen werden.
Die Mafiaorganisation, die mit
Drogenhandel, Korruption und Schutzgeldern nicht nur in Italien Milliarden
verdient, operiert normalerweise strikt im Geheimen. Deshalb gilt das
unscharfe, körnige Polizeivideo als Sensation. Zumal es nicht in einer
abgelegenen Berggegend Kalabriens, dem Heimatland der ’Ndrangheta aufgenommen
wurde, sondern in einem Restaurant in Castello di Brianza nahe dem Comer See in
Norditalien.
Rituale der Freimaurer
Zu sehen sind undeutlich vier Männer,
die im Kreis um einen Tisch herumstehen. Einer begrüßt sie mit der Formel: „Ein
gutes Abendessen und ein gesegneter Abend für unsere Santisti.“ Santa, das ist
eine der höchsten Hierarchiestufen der Clans. Der spricht, ist einer der
kalabrischen Bosse und eigens angereist, um den Treue- und Verschwiegenheitseid
anzuleiten. Die drei anderen müssen ihm feierlich nachsprechen: „Ich schwöre
alles abzustreiten bis zur siebten Generation, um die Ehre meiner weisen Brüder
zu bewahren und die ganze kriminelle Gesellschaft anzuerkennen. Unter dem Licht
der Sterne und dem Glanz des Mondes bilde ich die heilige Kette.“
Mond und Sterne
Während andere Mafiaorganisationen auf
Heiligenbilder und die Madonna schwören, werden in diesem Initiationsritus
erstaunlicherweise die Nationalhelden Garibaldi, Mazzini und La Marmora
angerufen. Sie kämpften im 19. Jahrhundert für die Freiheit und Einheit
Italiens. Aber nicht etwa deshalb stünden sie Paten, erklärt der Mafia-Experte
und Bestseller-Autor Roberto Saviano, sondern weil sie Freimaurer waren.
Von den Geheimlogen hätten sich die Mafiosi Rituale und
esoterische Symbole wie Mond und Sterne abgeschaut.
In einem zweiten, nicht veröffentlichten Video wurde
festgehalten, wie Neuaufgenommene versprechen müssen, dass sie sich bei
schweren Verfehlungen entweder mit Gift umbringen oder sich erschießen werden.
„Nicht die Menschen urteilen über euch, sondern ihr selbst“, zitierte
Staatsanwältin Ilda Boccassini, die Leiterin der Ermittlungen, aus dem Schwur.
„Ihr müsst immer eine Kugel für euch übrig haben“, so laute das Gesetz der
’Ndrangheta.
Zwei Jahre dauerten die Ermittlungen, die nun zu 40 Festnahmen
in der reichen Lombardei führten, wo die ’Ndrangheta zahlreiche Ableger hat.
Das zeige erneut, wie stark die organisierte Kriminalität inzwischen in
Norditalien etabliert ist, sagte die Staatsanwältin. Derzeit ist das ganz
besonders lukrativ. Rund um Mailand fließt viel Geld für die Vorbereitungen der
Weltausstellung Expo 2015, die im Mai eröffnet werden soll.
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