Acht von zehn Euro-Blüten kommen aus
Neapel. Die fast perfekten Fälschungen werden für die gesamte Eurozone zur
Gefahr. Nun greift Italiens Polizei hart durch – doch die Fälscher kennen einen
Ausweg.
Allein schon bei den Codewörtern
beweisen sie Einfallsreichtum. "Botschaft", "Schuhe",
"Gnocchi", "Ansichtskarte" oder einfach nur
"Cosariello", was so viel heißt wie "kleine Sache".
Gemeint ist damit aber nicht ein kleines
nettes Geheimnis, sondern schlichtweg Falschgeld. Die Fälscherbanden Neapels
unterhalten sich so am Telefon über Blüten und gezinkte Münzen, um nicht die
Polizei zu alarmieren. Diskret und unauffällig soll es zugehen. Sie wollen
nicht gestört werden.
Das funktioniert aber Gott sei Dank nicht
immer. Die italienische Polizei hat am Mittwoch einen großen Fälscherring
ausgehoben. Einheiten aus Rom und Neapel schweiften in der Nacht aus. 56
Personen wurden festgesetzt. 29 wanderten direkt ins Gefängnis, zehn wurden
unter Hausarrest gestellt. Die restlichen 17 müssen sich ab sofort regelmäßig
auf der Wache präsentieren.
"Napoli Group" – so nennen sich die Fälscher
"Das ist ein harter Schlag gegen die Napoli Group",
sagte Francesco Ferace, der Leiter der Anti-Fälschungseinheit der italienischen
Carabinieri, auf einer Pressekonferenz im Gebäude der Staatsanwaltschaft
Neapel. "Napoli Group" – so werden die berühmtesten Geldfälscher
Europas genannt. "Hier geht es nicht nur um Italien. Das ist von Interesse
für die gesamte Euro-Zone. Das Fälschen ist ein Problem außerordentlichen
Ausmaßes", sagte Ferace.
Francesco Ferace, der Leiter der Anti-Fälschungseinheit der italienischen Carabinieri |
Neapel ist Blüten-Exportweltmeister. Nach
Schätzung der italienischen Finanzpolizei Guardia di Finanza entfällt rund die
Hälfte der Euro-Blüten auf die "Napoli Group". Rechnet man noch die
Blüten dazu, die aus dem Verkehr gezogen wurden, dann kommt man laut Angaben
von Europol auf einen astronomischen Wert von 80 bis 90 Prozent.
Für die Euro-Zone ist das Treiben im Süden
Italiens eine ernsthafte Bedrohung. 18 Länder haben inzwischen den Euro
eingeführt. Litauen kommt am 1. Januar 2015 als 19. Land dazu. Geldscheine und
Münzen zirkulieren also frei über Ländergrenzen in einem sich ausdehnenden
Gebiet hinweg. Das bedeutet: Falschgeld kann besser in Umlauf gebracht werden
und wandert weit.
Das Fälschen hat hier Tradition
In und um Neapel, genauer gesagt in der
Gegend um Giugliano im nördlichen Hinterland, hat das Fälschen Tradition.
Frühere Buchdrucker, die ihre Arbeit verloren haben, haben sich mit dem
Blütenmachen ein neues Auskommen gesichert. Ihr Können geben sie an
nachfolgende Generationen und – besorgniserregend – an Fälscher in anderen
Ländern weiter.
Dass Neapel ein Fälscherparadies ist,
das ist seit Langem bekannt. Das Kino wurde bereits in den 50er-Jahren auf die
Fälschergenies aufmerksam. "La Banda degli onesti" heißt der Streifen
aus dem Jahr 1956. Neapels Kultfigur Totò versucht mit zwei Freunden,
Lire-Banknoten zu drucken. Am Ende jedoch entscheidet sich das Trio, das
Betrügen sein zu lassen.
Die wirkliche "Napoli Group" kennt hingegen keine Reue.
Experten bezeichnen die 20-Euro-Scheine aus neapolitanischer Fertigung als
kleine Meisterwerke. Seit 2002 bis heute wurden in Europa rund fünf Millionen
Blüten sichergestellt. Es wird geschätzt, dass fünfmal mehr noch im Umlauf
sind.
Auch andere Länder fälschen. In Frankreich,
in Spanien, in Südamerika, zuletzt auch in Litauen, wurden illegale
Notenpressen ausgehoben. Doch spricht man mit Experten, lautet das einhellige
Urteil: Die Qualität der Napoli Group ist bislang unerreicht.
Die Napoli Group deckt die ganze Wertschöpfungskette
ab
Die aktuelle Operation der italienischen
Polizei zeigt, wie gefährlich die Napoli Group ist. Sie ist straff organisiert
und gleicht einer Konzernholding. Die Ermittler sprechen von elf Gruppen, die
neben der Produktion vier Aufgaben abdecken würden.
Das sind: das Einlagern der Blüten, der
Vertrieb über den Großhändler, der Vertrieb an den Endkunden bis hin zum
Endkunden selbst, der im Wissen, Falschgeld in Händen zu halten, mit den Blüten
auf Shoppingtour geht. Um es im Jargon der Unternehmensberater auszudrücken:
Die Napoli Group deckt die gesamte Wertschöpfungsstufen ab, sie ist vertikal
integriert.
(siehe auch mein Bericht: http://mancini-books.blogspot.de/search?q=Geldf%C3%A4lscher )
Bei der Operation wurde eine
Offset-Druckerei in Neapel und eine Prägestelle für Münzen in Gallicano in der
Region Latium ausgehoben. Insgesamt wurde Falschgeld im Wert von einer Million
Euro sichergestellt. Das klingt nach wenig. Aus Sicht der Ermittler besteht der
eigentliche Erfolg aber darin, das Vertriebsnetz der Napoli Group durchlöchert
zu haben.
Die Fälscher wandern einfach in andere Länder aus
Nicht nur die italienischen Ermittler,
sondern auch die europäischen Institutionen nehmen den Kampf gegen die Fälscher
an. Die Europäische Zentralbank (EZB) brachte im September die neuen
10-Euro-Scheine in Umlauf. Wie der neue Fünf-Euro-Schein verfügt die Banknote
nach Angaben der EZB über verbesserte Sicherheitsmerkmale.
Im Hologramm und im Wasserzeichen der neuen Banknote ist ein
Porträt der Europa zu erkennen. Der Geldschein ist zudem mit einer Smaragd-Zahl
ausgestattet. "Beim Kippen des Scheins wird auf dieser glänzenden Zahl ein
Lichtbalken sichtbar, der sich auf und ab bewegt. Außerdem verändert die Zahl
ihre Farbe von Smaragdgrün zu Tiefblau", schreibt die EZB auf ihrer
Webseite.
Im Mai 2014 brachte die EU zudem eine
Direktive (2014/62/EU) auf den Weg, die den Kampf gegen Fälscher über Grenzen
hinweg vereinheitlicht. Die Mitgliedsländer müssen zukünftig Mindeststandards
einhalten. Zudem wird das Strafmaß für Fälscher angepasst. Das soll dabei
helfen, die Gesetzeslücken in Europa zu schließen.
Reicht das aus? Wohl kaum. Die Napoli Group
gibt sich jedenfalls nicht geschlagen. Weil es ihr in Neapel selbst zu heiß
wird, verlagert sie die Produktion ins Ausland, beispielsweise in
osteuropäische Länder wie Rumänien. Denn wie jede moderne Organisation, ist
auch die Napoli Group äußerst mobil. Zynisch könnte man sagen: Sie achtet auf
die Standortqualität.
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