Donnerstag, 27. November 2014

Italien versetzt Geldfälschern einen Tiefschlag

Acht von zehn Euro-Blüten kommen aus Neapel. Die fast perfekten Fälschungen werden für die gesamte Eurozone zur Gefahr. Nun greift Italiens Polizei hart durch – doch die Fälscher kennen einen Ausweg.




Allein schon bei den Codewörtern beweisen sie Einfallsreichtum. "Botschaft", "Schuhe", "Gnocchi", "Ansichtskarte" oder einfach nur "Cosariello", was so viel heißt wie "kleine Sache".

Gemeint ist damit aber nicht ein kleines nettes Geheimnis, sondern schlichtweg Falschgeld. Die Fälscherbanden Neapels unterhalten sich so am Telefon über Blüten und gezinkte Münzen, um nicht die Polizei zu alarmieren. Diskret und unauffällig soll es zugehen. Sie wollen nicht gestört werden.

Das funktioniert aber Gott sei Dank nicht immer. Die italienische Polizei hat am Mittwoch einen großen Fälscherring ausgehoben. Einheiten aus Rom und Neapel schweiften in der Nacht aus. 56 Personen wurden festgesetzt. 29 wanderten direkt ins Gefängnis, zehn wurden unter Hausarrest gestellt. Die restlichen 17 müssen sich ab sofort regelmäßig auf der Wache präsentieren.


"Napoli Group" – so nennen sich die Fälscher

"Das ist ein harter Schlag gegen die Napoli Group", sagte Francesco Ferace, der Leiter der Anti-Fälschungseinheit der italienischen Carabinieri, auf einer Pressekonferenz im Gebäude der Staatsanwaltschaft Neapel. "Napoli Group" – so werden die berühmtesten Geldfälscher Europas genannt. "Hier geht es nicht nur um Italien. Das ist von Interesse für die gesamte Euro-Zone. Das Fälschen ist ein Problem außerordentlichen Ausmaßes", sagte Ferace.


Francesco Ferace, der Leiter der Anti-Fälschungseinheit der italienischen Carabinieri


Neapel ist Blüten-Exportweltmeister. Nach Schätzung der italienischen Finanzpolizei Guardia di Finanza entfällt rund die Hälfte der Euro-Blüten auf die "Napoli Group". Rechnet man noch die Blüten dazu, die aus dem Verkehr gezogen wurden, dann kommt man laut Angaben von Europol auf einen astronomischen Wert von 80 bis 90 Prozent.

Für die Euro-Zone ist das Treiben im Süden Italiens eine ernsthafte Bedrohung. 18 Länder haben inzwischen den Euro eingeführt. Litauen kommt am 1. Januar 2015 als 19. Land dazu. Geldscheine und Münzen zirkulieren also frei über Ländergrenzen in einem sich ausdehnenden Gebiet hinweg. Das bedeutet: Falschgeld kann besser in Umlauf gebracht werden und wandert weit.


Das Fälschen hat hier Tradition

In und um Neapel, genauer gesagt in der Gegend um Giugliano im nördlichen Hinterland, hat das Fälschen Tradition. Frühere Buchdrucker, die ihre Arbeit verloren haben, haben sich mit dem Blütenmachen ein neues Auskommen gesichert. Ihr Können geben sie an nachfolgende Generationen und – besorgniserregend – an Fälscher in anderen Ländern weiter.




Dass Neapel ein Fälscherparadies ist, das ist seit Langem bekannt. Das Kino wurde bereits in den 50er-Jahren auf die Fälschergenies aufmerksam. "La Banda degli onesti" heißt der Streifen aus dem Jahr 1956. Neapels Kultfigur Totò versucht mit zwei Freunden, Lire-Banknoten zu drucken. Am Ende jedoch entscheidet sich das Trio, das Betrügen sein zu lassen.

Die wirkliche "Napoli Group" kennt hingegen keine Reue. Experten bezeichnen die 20-Euro-Scheine aus neapolitanischer Fertigung als kleine Meisterwerke. Seit 2002 bis heute wurden in Europa rund fünf Millionen Blüten sichergestellt. Es wird geschätzt, dass fünfmal mehr noch im Umlauf sind.

Auch andere Länder fälschen. In Frankreich, in Spanien, in Südamerika, zuletzt auch in Litauen, wurden illegale Notenpressen ausgehoben. Doch spricht man mit Experten, lautet das einhellige Urteil: Die Qualität der Napoli Group ist bislang unerreicht.


Die Napoli Group deckt die ganze Wertschöpfungskette ab

Die aktuelle Operation der italienischen Polizei zeigt, wie gefährlich die Napoli Group ist. Sie ist straff organisiert und gleicht einer Konzernholding. Die Ermittler sprechen von elf Gruppen, die neben der Produktion vier Aufgaben abdecken würden.

Das sind: das Einlagern der Blüten, der Vertrieb über den Großhändler, der Vertrieb an den Endkunden bis hin zum Endkunden selbst, der im Wissen, Falschgeld in Händen zu halten, mit den Blüten auf Shoppingtour geht. Um es im Jargon der Unternehmensberater auszudrücken: Die Napoli Group deckt die gesamte Wertschöpfungsstufen ab, sie ist vertikal integriert.

(siehe auch mein Berichthttp://mancini-books.blogspot.de/search?q=Geldf%C3%A4lscher )

Bei der Operation wurde eine Offset-Druckerei in Neapel und eine Prägestelle für Münzen in Gallicano in der Region Latium ausgehoben. Insgesamt wurde Falschgeld im Wert von einer Million Euro sichergestellt. Das klingt nach wenig. Aus Sicht der Ermittler besteht der eigentliche Erfolg aber darin, das Vertriebsnetz der Napoli Group durchlöchert zu haben.


Die Fälscher wandern einfach in andere Länder aus

Nicht nur die italienischen Ermittler, sondern auch die europäischen Institutionen nehmen den Kampf gegen die Fälscher an. Die Europäische Zentralbank (EZB) brachte im September die neuen 10-Euro-Scheine in Umlauf. Wie der neue Fünf-Euro-Schein verfügt die Banknote nach Angaben der EZB über verbesserte Sicherheitsmerkmale.

Im Hologramm und im Wasserzeichen der neuen Banknote ist ein Porträt der Europa zu erkennen. Der Geldschein ist zudem mit einer Smaragd-Zahl ausgestattet. "Beim Kippen des Scheins wird auf dieser glänzenden Zahl ein Lichtbalken sichtbar, der sich auf und ab bewegt. Außerdem verändert die Zahl ihre Farbe von Smaragdgrün zu Tiefblau", schreibt die EZB auf ihrer Webseite.

Im Mai 2014 brachte die EU zudem eine Direktive (2014/62/EU) auf den Weg, die den Kampf gegen Fälscher über Grenzen hinweg vereinheitlicht. Die Mitgliedsländer müssen zukünftig Mindeststandards einhalten. Zudem wird das Strafmaß für Fälscher angepasst. Das soll dabei helfen, die Gesetzeslücken in Europa zu schließen.

Reicht das aus? Wohl kaum. Die Napoli Group gibt sich jedenfalls nicht geschlagen. Weil es ihr in Neapel selbst zu heiß wird, verlagert sie die Produktion ins Ausland, beispielsweise in osteuropäische Länder wie Rumänien. Denn wie jede moderne Organisation, ist auch die Napoli Group äußerst mobil. Zynisch könnte man sagen: Sie achtet auf die Standortqualität.



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