Das organisierte
Verbrechen macht sich auf Facebook breit. Die Mafiosi drohen Feinden, protzen
mit ihrem Reichtum und diskutieren über ihre Karrierechancen. Auch der
italienischen Polizei gefällt das - manchmal.
"Die Handschellen machen keine Angst - aber die machen
Angst, die anfangen zu singen, damit sie aufgehen." Das ist nicht schwer
zu verstehen: Wer mit der Polizei redet, ist ein Charakterschwein und wird auch
so behandelt. Dass Mafiosi so denken, ist wenig überraschend. Dass sie solche
Nachrichten auf Facebook posten, ist noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber
digitale Realität.
Die zitierte Warnung an Verräter stammt von der Facebook-Seite
von Gregorio Palazotto. Dort war auch gepostet, als stamme es von einem Kämpfer
für Gerechtigkeit: "Wir öffnen diese Gitter - Amnestiiiiiie" oder
"besser die Freiheit verlieren als Ehre und Würde".
Gregorio Palazotto firmierte als Transportunternehmer in
Palermo, aber nach Ansicht der Polizei in Siziliens Hauptstadt war er ein Haupt
der Cosa Nostra im Stadtteil Arenella. Auch sein Cousin Domenico Palazzotto
suchte den Auftritt auf Facebook, wenngleich nicht unter echtem Namen.
Der 29-Jährige, den die
Ermittler für den jungen Boss von Arenella halten, präsentierte sich da auf Fotos
prahlend, als wäre er ein Mafioso aus einem Film: im Fond einer
Stretchlimousine mit Champagnerflöte und Zigarillo in der Hand, oder mit
nacktem Oberkörper auf einem Motorboot. Auf einem Video rühmte er sich, der
wahre Pate zu sein - vermutlich am Tag seiner Machtübernahme.
Für Domenico Palazzotto hatte das neue
Leben aber schnell ein Ende. Nur zehn Tage, nachdem er das
Stretchlimousinen-Foto gepostet hatte, wurde er als einer von 95 Verdächtigen
Ende Juni bei der Operation "Apokalypse" in Palermo verhaftet - ein
großer Schlag gegen die neue Führung der Cosa Nostra. Seither debattiert
Italien über die Internet-Präsenz der Mafiosi.
Strategiewechsel bei
der Mafia
Ihren berüchtigten Vorgängern wäre so
etwas nie eingefallen. Der sizilianische Superboss Bernardo Provenzano etwa,
der sich mehr als 40 Jahre versteckt hielt, ehe er 2006 in
einer Hütte bei Corleone gefasst wurde, ist berühmt für Botschaften alter
Schule: Er kommunizierte mit "Pizzi" - kleinen Zetteln, die er engst
beschrieb mit Anordnungen oder Grüßen, die über Mittelsleute an die
Adressaten gelangten.
Aber die Mafia ist immer schon mit der
Zeit gegangen; dass archaische, halbreligiöse Rituale oder ein toter Fisch als
Warnung noch üblich seien, ist eine eher folkloristische Vorstellung. Sie nutzt
selbstverständlich Handy und Computer wie alle anderen, und so nutzen vor allem
jüngere Mafiosi auch soziale Netzwerke - privat und geschäftlich. Wie weit das
geht, darüber berichtete das italienische Magazin Espresso.
In Palermo erhielten demnach Ladenbesitzer
Drohungen, mit denen Schutzgeld erpresst werden sollte, auf ihren
Facebook-Seiten. In einem Fall hatte der Absender sogar sein Foto angeheftet.
Das ist nicht unbedingt intelligent. Die potenziellen Opfer zeigten ihre
Erpresser an, sie wurden festgenommen.
Ihr seid nur ein Stück Scheiße, Gehörnte, Bullen und
Huren.
Natürlich ist der Polizei nicht
entgangen, dass Mafiosi Spuren im Netz hinterlassen. Vor allem ihr
Beziehungsgeflecht lasse sich aus Facebook-Auftritten erkennen, sagt ein Experte.
Kleine Lichter in der Mafia-Hierarchie lassen sich aus über
ihre Aufstiegsmöglichkeiten.
Einer, der schon ahnte, dass gegen ihn
ermittelt wird, ging offenbar davon aus, dass die Polizei mitliest: "Die
Leute hören nie auf, Gemeinheiten über mich zu verbreiten", schrieb er,
und: "Hahahaaaa - ihr seid nur ein Stück Scheiße, Gehörnte, Bullen
und Huren."
Als auf einen kampanischen Camorrista
geschossen wurde, postete der aus dem Krankenhaus, es gehe ihm wieder gut und
er gedenke, nach dem Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn zu handeln: "Keine
Gnade mit denen, die dir Böses tun." Dafür erhielt er
Solidaritätsbekundungen. Die bekommen auch andere Mafiosi, die Seite des
inhaftierten Gregorio Palazzotto war sogar voller Liebeserklärungen seiner Frau.
Kriminelle Propaganda über Facebook.
Eine Art kriminelle Propaganda könne
über Facebook entstehen, sagt ein Ermittler, ein Instrument, mit dem Mafiosi
Sympathien für sich und ihre Sache schaffen. So hat zum Beispiel auch der Sohn
des einstigen Cosa-Nostra-Oberhauptes Totò Riina, Giuseppe Salvatore Riina,
eine Facebook-Seite.
Der Mann, der sich in Medien stolz über
seinen Vater geäußert hat und selbst schon acht Jahre lang im Gefängnis saß,
präsentiert sich da als netter Kerl, modebewusst gestylt, der betroffen postet zum
tragischen Tod eines Kindes oder banale Weisheiten verbreitet - die auch als
Botschaften verstanden werden können.
Auch Riinas seit 1993 inhaftierten
Vater findet man auf Facebook, ebenso Bernardo Provenzano, den großen Pizzi-
Kommunikator. Sie sind in Hochsicherheitsgefängnissen isoliert und bearbeiten
ihre Seiten gewiss nicht selbst.
Nicht immer ist klar, ob es
Mafia-Kritiker sind, die diese Profile anlegen, oder Fans, denn auch mit
bewunderndem Unterton wird da von vielfachen Mördern gesprochen. Eine
italienische Initiative wirbt deshalb nun für eine Petition mit der Forderung,
Beiträge aus sozialen Netzwerken zu entfernen, die Mafiosi oder mafiöses
Verhalten anpreisen. Die Mafiosi selbst werden sich kaum
vertreiben lassen.
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