In Italien
hat die Mafia auch bei Filmproduktionen ihre Hände im Spiel. Wer in bestimmten
Regionen drehen will, muss dem organisierten Verbrechen oft Schutzgeld zahlen.
Auf der Suche nach
einem geeigneten Set für die erste Staffel der erfolgreichen TV-Serie «Gomorra»
nach dem gleichnamigen Buch von Roberto Saviano hatte das italienische
Produktionshaus Cattleya eine protzige Villa in einem Vorort Neapels gesichtet.
In den mit reichlich Gold und Marmor geschmückten Innenräumen des opulenten
Anwesens entstanden später die Szenen aus dem Leben der fiktiven Familie
Savastano.
Es gleicht schon einem Treppenwitz, dass ausgerechnet Roberto Saviano die Zahlung von Schutzgeldern an die Camorra akzeptiert, jede Verbrecherorganisation, die er angeblich am meisten bekämpft.
Roberto Saviano mit seinem neuen Buch ZeroZero |
Realität übertrifft Fiktion
Kaum war die erste von
zwölf Folgen gedreht, verhafteten die Behörden im April 2013 den eigentlichen
Hausbesitzer. Denn auch in der Realität war der Gastgeber der Anführer eines
Camorra-Clans. Seither sitzt Francesco Gallo wegen Mitgliedschaft in einer
kriminellen Vereinigung hinter Gittern. Nun besteht der Verdacht, dass Cattleya
für die Dreharbeiten Schutzgeld bezahlt hat.
Francesco Gallo - Camorra-Boss und Hausbesitzer an ihn bzw seine Familie werden nach wie vor Schutzgelder bezahlt |
Wie die Sondereinheit
Direzione Distrettuale Antimafia (DDA) jüngst festhielt, hatte Cattleya die
Villa für 30 000 Euro gemietet. Als der Mafia-Boss kurz nach dem Drehbeginn im
Gefängnis landete, beschlagnahmte die Polizei auch seine Villa. Um die
Dreharbeiten fortsetzen zu können, überwiesen die Produzenten die übrigen vier
Raten des Mietzinses nicht mehr dem inhaftierten Eigentümer, sondern einem
beauftragten Richter.
Laut den Ermittlungen
soll indes das Produktionshaus eine zusätzliche Rate von 5000 Euro direkt der
Familie Gallo als Schutzgeld bezahlt haben, statt den Erpressungsversuch der
Justiz zu melden. Angeblich liegen abgehörte Telefonate vor, die den Verdacht
bestätigen, dass drei Mitarbeiter von Cattleya mit den Camorristi verhandelt
haben.
Regisseur Matteo Garrone |
Die Produktionsfirma
hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Doch Cattleyas Präsident hat gleichzeitig
bedauert, dass man im heiklen Umfeld der Dreharbeiten in Neapel nicht
vorsichtiger gewesen sei.
Zu Besuch beim Boss
Schutzgeldzahlungen,
um in einer Hochburg der Mafia zu drehen, sind kein neues Phänomen. Auch bei
dem dieses Jahr an den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichneten Kinofilm
«Gomorra» leitete die Justiz Ermittlungen ein, um zu prüfen, ob Schutzgeld
erpresst worden war. Der Film war in mehreren Kerngebieten der Camorra
entstanden. Regisseur Matteo Garrone hatte zwar Erpressungsversuche
abgestritten, aber zugegeben, dass die Darsteller und die Techniker seines
Films von der Camorra Pässe erhalten hatten, um sich in Neapels Problemquartier
Scampia bewegen zu können.
Garrone bestätigte
auch, für die Dreharbeiten einen Camorra-Boss zu Hause besucht zu haben. Das
Schutzgeld fordert die Camorra, weil unter anderem lange Dreharbeiten und
verstärkte Polizeikontrollen auf dem Set sich negativ auf das illegale
Geschäft, vor allem den Drogenhandel, auswirken.
Oscarpreisträger Giuseppe Tornatore |
Südlich von Kampanien
ist die Situation ebenso dramatisch. In Sizilien steckt die Filmindustrie tief
in der Krise, auch weil Produktionshäuser, die auf der Insel drehen wollen,
ausnahmslos den sogenannten Pizzo an die Cosa Nostra bezahlen müssen. Diese
Umstände hat jüngst auch der sizilianische Oscarpreisträger Giuseppe Tornatore
bedauert. Filmproduktionen blieben nur wenige Wochen, bis sie vom
Verbrechersyndikat um Schutzgeld erpresst würden, sagte der Regisseur von «Cinema
Paradiso». Danach verließen sie die Insel. Für viele Produzenten sei es zu
riskant, sich gegen die Forderungen des organisierten Verbrechens zu wehren.
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