Sergio Mattarella, der
neue Präsident Italiens, hatte seinen sterbenden Bruder nach einem Anschlag der
Mafia in den Armen gehalten. Seither ist Sergio Mattarella in der Politik
aktiv. Er warnte schon früh vor Berlusconi.
Sergio
Mattarella ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Ministerpräsident Matteo
Renzi, der ihn als neuen Staatspräsidenten Italiens im Parlament durchgesetzt
hat. Der 73-jährige Verfassungsrichter und frühere Spitzenpolitiker meidet
Fernsehkameras und Journalisten. Er spricht ruhig und distanziert, wirkt
überlegt und reserviert. Der scheue Richter gilt aber als Mann mit Rückgrat und
der Prinzipientreue.
Ein Beispiel
seiner Standfestigkeit lieferte Mattarella im Juli 1990, als er als
Bildungsminister der Regierung von Giulio Andreotti demissionierte. Mit seinem
Rücktritt protestierte er gegen ein neues TV- und Radio-Gesetz, das auf
entscheidende Weise den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg des
Medienunternehmers Silvio Berlusconi begünstigen sollte. Mattarella warnte
frühzeitig vor der problematischen Verquickung von privaten und öffentlichen
Interessen des späteren mehrfachen Ministerpräsidenten Berlusconi. Er
kritisierte den Mailänder Medienzaren schon in einer Zeit, als es den
Anti-Berlusconismus in Italien gar noch nicht gab. Mattarella und Berlusconi
verbindet bis heute eine auf Distanz gepflegte Antipathie.
Bruder Piersanti von Mafia ermordet
«Sergiuzzo»
Mattarella, am 23. Juli 1941 in Palermo geboren, stammt aus einer
links-katholischen Familie. Sein Vater Bernardo und sein Bruder Piersanti waren
wichtige Figuren in der jahrzehntelang mächtigen Christdemokratischen Partei
(DC). Vater Bernardo, ein früher Weggefährte der DC-Ikone Alcide De Gasperi,
amtierte in den 1950er- und 1960er-Jahren mehrmals als Minister italienischer
Regierungen. Sein sechs Jahre älterer Bruder Piersanti schaffte es bis zum
Präsidenten der Region Sizilien, ehe er Anfang 1980 von einem vierköpfigen
Killerkommando der Mafia ermordet wurde. Piersanti starb in den Armen seines
jüngeren Bruders.
Sergio
Mattarella hatte schon eine Laufbahn als Rechtsanwalt und Staatsrechtsprofessor
an der Universität Palermo eingeschlagen. Nach dem Attentat auf seinen Bruder
wandte er sich jedoch der Politik zu – zunächst mit dem Kampf gegen die Mafia
als oberste Priorität. Bei den Bürgermeisterwahlen in Palermo unterstützte er
tatkräftig den Anti-Mafia-Kämpfer Leoluca Orlando, gleichzeitig lancierte er
seine nationale Karriere. 1987, nur vier Jahre nach der Wahl ins
Abgeordnetenhaus in Rom, wurde Mattarella erstmals in eine italienische
Regierung berufen.
Historisches Wahlgesetz «Mattarellum»
Mattarella
gehörte zum Spitzenpersonal der DC, die Anfang der 1990er-Jahre nach dem
Tangentopoli-Skandal implodierte, so wie auch das ganze italienische Parteiensystem.
Im Gegensatz zu vielen Politikern mit grossen Namen überlebte Mattarella die
Wirren beim Übergang von der Ersten zur Zweiten Republik Italiens. Er war
Mitbegründer der Volkspartei (PPI), der Nachfolgepartei der DC, für die er auch
im Abgeordnetenhaus in Rom sass. Von Mattarella stammt eine historische
Wahlrechtsreform, mit der erstmals in Italien ein Mehrheitswahlrecht eingeführt
wurde, um stabilere Verhältnisse im Parlament herbeizuführen. Das «Mattarellum»
genannte Gesetz kam bei den Parlamentswahlen 1994, 1996 und 2001 zur Anwendung.
Als
Berlusconi-Gegner und mittlerweile zur Partei «La Margherita» übergetreten,
schmiedete er mit linken Kräften das Mitte-links-Bündnis «L'Ulivo», das bei der
Wahl von 1996 Romano Prodi zum Amt des Ministerpräsidenten verhalf. 1998/99 war
Mattarella unter Premier Massimo D’Alema stellvertretender Regierungschef,
danach für zwei Jahre Verteidigungsminister unter Premier Giuliano Amato. In
Mattarellas Amtszeit als Verteidigungsminister fiel Italiens Unterstützung für
die Nato-Intervention gegen Serbien im Kosovo-Krieg sowie die Abschaffung der
allgemeinen Wehrpflicht. Mattarella demissionierte 2008 als Mitglied des
Abgeordnetenhauses in Rom. Drei Jahre später wählte es ihn zum
Verfassungsrichter.
Als Politiker ein atypischer Sizilianer
Mattarella
geniesst sowohl im linken Lager als auch im Zentrum grossen Respekt. Freunde
schildern Mattarella als atypischen Sizilianer, weil er als Politiker «nie
irgendjemandem Gefälligkeiten erwiesen hat». Zudem soll er die strenge
Unparteilichkeit eines Richters verkörpern. Vor der Präsidentenwahl bezeichnete
ihn Regierungschef Matteo Renzi als konsequenten Kämpfer gegen die
Verbrecherorganisation und als «Mann des Rechts». Er sei ein Mann «mit eiserner
Faust und samtenen Handschuhen», schrieb die Zeitung «Il Sole 24 ore». Als
«Champion der Stille», wie der zurückhaltende und oft schweigsame Mattarella
auch schon bezeichnet wurde, ist er eine Ausnahmeerscheinung im geschwätzigen
Politbetrieb Italiens.
Das alles
sind brauchbare Eigenschaften für das Amt des Staatspräsidenten. Mattarella ist
der zwölfte Staatspräsident der Republik Italien.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen