Bei den Ermittlungen der Schweizer Behörden nach Schlepperbanden konzentrieren
sich Grenzwächter weniger auf Mailänder Hausfrauen oder Taxifahrer, die für ein
paar Euro Lohn papierlose Migranten im Auto ins Tessin zu chauffieren versuchen
und an der Grenze aus dem Verkehr gezogen werden. Ermittelt wird vielmehr gegen
skrupellos agierende und international tätige Netzwerke aus Italien, die für
Wucherpreise oder Zwangsprostitution oder Sklavendienste als Gegenleistung,
Flüchtlinge nach Europa und von da in die Schweiz bringen: ins Tessin, aber
auch von Domodossola durch den Simplontunnel nach Brig und ins St. Galler
Rheintal.
Oberzolldirektor
Rudolf Dietrich sagt, er habe bei einem Augenschein selbst miterlebt, wie
Grenzwächter im Zug von Mailand nach Arth-Goldau einen Mann anhielten, der mehr
als ein Dutzend afrikanische Pässe und kostspieligen abessinischen Goldschmuck
auf sich trug. Die Papiere gehörten Migranten, denen der Mann mutmaßlich die
illegale Einreise in die Schweiz ermöglichen wollte und sich von den Familien
für seine Dienste mit Gold auszahlen ließ. Ebenso denkbar ist, dass der Mann
die Ware im Auftrag eines Komplizen transportierte.
Doch
Ermittlungen gegen Schlepper werden nicht in fahrenden Zügen, sondern vorab in
den Grenzgebieten selbst geführt. Jürg Noth, Chef des Grenzwachtkorps, wollte
gestern aus ermittlungstaktischen Gründen keine näheren Angaben dazu machen. Er
sagte: Heute beobachte man Schleppertätigkeiten vermehrt während längerer Zeit.
Um die organisierte Kriminalität in allen Details zu
dokumentieren, würden bei der Beweisaufnahme auch Kameras und Drohnen
eingesetzt. «Früher hat man sofort eingegriffen und sich mit Anzeigen
zufriedengegeben, während Schlepper heute vermehrt verhaftet werden», so Noth.
Oberzolldirektor Dietrich führt die Fortschritte im Kampf gegen
die Schleusungskriminalität auch auf die verstärkte Teilnahme der Schweiz an
Programmen der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den
Außengrenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Frontex) zurück. Über
diese Plattform erhält das GWK Zugang zu wichtigen Informationen. Zudem
beteiligt es sich mit Spezialisten an internationalen Einsätzen in Ländern wie
Griechenland, Bulgarien und Italien. Flüchtlinge können dort vor Ort zu ihrer
Flucht befragt und Schleppertätigkeiten analysiert werden.
Das so gewonnene Wissen ist für Schweizer Ermittler im Kampf
gegen die organisierte Kriminalität äußerst hilfreich.
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