Die Bundesanwaltschaft (BA) führt erneut
ein Verfahren gegen ein mutmaßliches Mitglied der kalabresischen
Mafia-Organisation ‘Ndrangheta. Der im Südtessin wohnhafte Italiener war am
vergangenen 17. Dezember festgenommen worden. Er soll Gelder gewaschen haben,
die unter anderem aus dem Drogenhandel stammten. Das Bundesstrafgericht
bestätigte nun die vorläufig für drei Monate angeordnete Untersuchungshaft und
lehnte eine Beschwerde des 60-jährigen Geschäftsmannes ab.
Die Festnahme im Tessin
erfolgte einen Tag nach der Verhaftung von 59 Personen in Italien.
Ausgangspunkt dieser Operation «Rinnovamento» (Erneuerung) waren Ermittlungen
der Mailänder Staatsanwaltschaft gegen eine ‘Ndrangheta-Zelle, die den Norden
Mailands kontrolliert, darunter die Region mit dem San-Siro-Fußballstadion.
Drogenhandel, Erpressung, Wucher, illegaler Waffenbesitz lauten unter anderem
die Vorwürfe gegen die Organisation. Sie wird gemäß den Erkenntnissen der
Ermittler von einem aus Reggio Calabria stammenden Brüderpaar (Giorgio und Pino
Belocco) angeführt, das Ende 2009 nach Verbüßung langjähriger Haftstrafen
wieder auf freien Fuß kam.
Der im Tessin in Untersuchungshaft sitzende
Geschäftsmann wird in den italienischen Untersuchungsakten als eine Art
Finanzberater der Organisation bezeichnet. Bereits 1996, als das kalabresische
Brüderpaar verhaftet wurde, soll er mit damals nicht beschlagnahmten Geldern
aus dem Drogenhandel eine Reihe von Investitionen in Immobilien vorgenommen
haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Beteiligung beziehungsweise
Unterstützung einer kriminellen Organisation und wegen Geldwäscherei. Im Visier
sind unter anderem Immobiliengeschäfte, die über eine Firma in Chiasso
abgewickelt wurden. Sie war auch Gegenstand einer Hausdurchsuchung.
Der Beschuldigte, der in der Schweiz über
eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, räumte in den Einvernahmen Kontakte mit
der Familie des kalabresischen Brüderpaars ein, bestreitet aber die Vorwürfe.
Das Bundesstrafgericht kam hingegen zum Schluss, dass die Haftvoraussetzungen
des dringenden Tatverdachts wie auch der Kollusions- und der Fluchtgefahr
erfüllt seien. Nicht bekannt ist, ob sich das Verfahren gegen weitere Personen
in der Schweiz richtet und ob Vermögenswerte beschlagnahmt wurden. Die BA
wollte sich unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern.
Das neue
‘Ndrangheta-Verfahren ist auch deshalb von Interesse, weil Bundesanwalt Michael
Lauber in einem Interview
der «NZZ am Sonntag» kürzlich einen Strategiewechsel bei
Verfahren wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation bekanntgegeben
hat. Demnach sollen solche Verfahren künftig nur noch geführt werden, wenn die
BA Hinweise auf konkrete Unterstützungshandlungen hat. Die reine Mitgliedschaft
in einer kriminellen Organisation bliebe demnach strafffrei. Entscheidend für
das Verfahren im Tessin dürfte somit der Geldwäschereiverdacht sein. Anders
sieht es bei den seit 2009 laufenden Verfahren gegen mehrere mutmaßliche ‘Ndrangheta-Mitglieder im Kanton Thurgau aus;
hier deutet vieles auf eine Einstellung hin. Bisher ist dies allerdings noch
nicht geschehen, wie die BA auf Anfrage erklärte.
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