Wer zu jeder Jahreszeit jedes Obst und Gemüse
erwartet und das auch noch zu erträglichen Preisen, muss mit intensiv gedüngter
und gespritzter Ware rechnen. Aber Gemüse von einer Sondermülldeponie?
Am Feldweg nahe Orta di Atella nördlich
von Neapel, mitten in den Gemüseäckern, türmt sich eine mehr als zehn Meter
hohe illegale Müllhalde: Kühltruhen, Farbeimer, Lackdosen, Berge von
Plastikcontainern mit Lösungsmitteln und Klebstoffen, zerschnittene Autoreifen,
Batterien, verkohlte Dachpappe, Dämmmaterial….
Das
Tschernobyl Italiens nennen die Einheimischen das Hinterland von Neapel. Aus
dem Boden raucht und stinkt es, weil unter Broccoli-, Spinat- und
Fenchelfeldern hunderttausende Kubikmeter gefährlicher Sondermüll gären:
Ölschlamm aus Fabriken, Asbest in großen Mengen, Abfälle aus Krankenhäusern,
Medikamente, Lösungsmittel, Farben.
Als „Dreieck des Todes“ wird
die Region um Neapel wegen der illegalen Geschäfte der Mafia mit dem Giftmüll
bezeichnet. Mensch und Umwelt leiden darunter. Und genau hier gedeiht
Gemüse und vergiftet über die Nahrungskette ganz Europa.
Gemüse ist gesund! Was kommt heute auf den
Teller? Kopfsalat, Rucola, Zucchini, Auberginen, Brokkoli? Ja, aber bitte
nicht aus dem „Todesdreieck” Italiens.
Viele von uns kennen aus
der Kinderzeit, dass es im Winter nur Karotten, Rote Rüben, Kraut, Kohl
und Kartoffeln gab. Heute finden wir diese nur noch selten frisch aus der
Region auf den Ladentischen. Somit wird gerne auch auf Gemüse aus Italien
zurückgegriffen. Ist doch aus der EU und gelten da nicht die gleichen
Richtlinien wie in ganz Europa?
Die Camorra hat aus der Umgebung von Neapel und Caserta eine große
Sondermülldeponie gemacht. Mit verheerenden Folgen
für die Gesundheit von Mensch und Tier. Ausgerechnet dort, wo seit
Generationen Gemüse gedeiht, betreiben Mafia und Politik ein besonders
schmutziges Geschäft. Unter den Feldern lagert Sondermüll – und vergiftet über
die Nahrungskette ganz Europa.
Jahrzehntelang
wurde der Giftmüll aus ganz Europa hierher gekarrt und billig entsorgt, das
heißt: einfach unter der Erde verscharrt oder unter freiem Himmel liegen
gelassen. Mit Hilfe von gezielt geschmierten Beamten und dank eines
ausgeklügelten Systems können die Sondermülltransporter unbehelligt Italien
passieren.
Bereits
2007 haben die Filmemacher Esmeralda Calabria, Andrea D’Ambrosio und Peppe
Ruggiero den Müll, die Korruption, die politische Klasse, die organisierte
Kriminalität, die Angst der Bewohner, das Gift und den wirtschaftlichen Absturz
einer ganzen Region zum roten Faden einer Reise durch den Alltag Campaniens
gemacht. Die Dokumentation „Biùtiful cauntri” – Beautiful Country enthüllt
das Problem, welches schon seit 15 Jahren existiert und sowohl Politik, Wirtschaft,
und die öffentliche Gesundheit sind davon betroffen.
Aus dem Müllskandal ist
mittlerweile eine regelrechte Umweltkatastrophe geworden. Selbst die EU
rügte italiens Regierung: 4.866 illegale Müllhalden wurden registriert, über
die wahre Ziffer lassen sich nur Vermutungen anstellen. Am schlimmsten
betroffen ist die Region Campania. Früher galt sie als der grüne Gürtel
Italiens, aufgrund ihrer Artenvielfalt und den Naturreservaten, in denen
die Wasserbüffel leben, die die Milch zum wichtigen Mozzarella liefern. Die
Anwohner lebten hauptsächlich von Landwirtschaft und Viehzucht. Heute
ist die Region eine einzige große Müllhalde.
Radioaktive Abfälle
aus Deutschland
Es geht um Giftmüll
auf italienischen Feldern, um Kinder, die an Krebs erkranken, um einen
Mafia-Kronzeugen, der auspackt, und einen ungeheuerlichen Verdacht: Führt die
Spur nach Deutschland? Ist deutscher Atommüll schuld am Tod italienischer
Kinder?
Deutsche Firmen
mischen mit im kriminellen Müllbusiness
In Deutschland
befinden sich überdimensionierte Entsorgungsanlagen, die nicht ausgelastet sind
und gefüllt werden müssen. So bietet sich der importierte
Müll aus Italien samt seinerSondermüll-Entsorgungsmethoden an.
In Deutschland wird dann der italienische Giftmüll vermischt, beispielsweise
mit Erde oder anderen nicht gefährlichen Stoffen, und schon kann Giftmüll als
harmloser, unschädlicher Müll etikettiert werden.
Aus der Bericht der Frankfurter Rundschau erfahren
wir, dass bereits bereits 1997 eine Untersuchungskommission das Parlament
in Rom über die Vorgänge in Campanien informiert hatte. Es wurden Namen
beteiligter Transportfirmen genannt und auch, dass Laster aus Deutschland radioaktive Abfälle in Bleikisten gebracht
hätten.
„Dank der präzisen Aussagen eines reuigen
Camorra-Bosses kann die Polizei die illegalen Giftdeponien exakt lokalisieren.
Nach Jahrzehnten des Wegschauens soll jetzt aufgeräumt werden. Doch wer
garantiert, dass bei den öffentlichen Ausschreibungen für die Sanierung der
Böden nicht wieder die Camorra mitmischt? Heute geht es der Mafia nicht mehr um
das Geschäft mit der illegalen Entsorgung, sondern um ganz legale
Sanierungsaufträge. Ein zynisches Spiel, in dem nur der Profit zählt.”
Campanien
ist die drittgrößte Agrarregion Italiens und übrigens auch ein Weinanbaugebiet.
Das Weinanbaugebiet
Campanien unterteilt sich in die Provinzen Avellino,
Benevento, Caserta, Neapel und Salerno. Giftmüll kennt keine Grenzen und wird – falsch deklariert – nach
Italien importiert und dort vorzugsweise in der Region Campanien in der Erde
verscharrt. Wie sicher sind die Weine, die von dort aus der Region kommen?
Tomaten,
Brokkoli, Fenchel, Kartoffeln, Salat, Pfirsiche – alles sei
„superkontrolliert“. So versichert es Ministerpräsident Stefano Caldoro: „Wir
haben die besten Erzeugnisse Italiens.” Bedeutet, man will es
nicht wahr haben, also Hände weg von Campanien!
Das Müllproblem greift mittlerweile auch
die Gesundheit von Menschen und Tieren in der Region an. Auf den kontaminierten
Weiden grasen Kuh-, Büffel- und Schafherden, die so den Giftstoff Dioxin
aufnehmen. Im für die Region berühmten Büffelmozzarella wurden erhöhte Spuren
von Dioxin nachgewiesen, ganze Büffelherden mussten notgeschlachtet werden.
Auch auf die Menschen greift die Müllkrise über. Nicht umsonst firmiert die
Region um Neapel unter Medizinern bereits als „Todesdreieck”.
Die
Abfälle werden nicht entsorgt, sondern in den 1.200 illegalen Müllkippen
Kampaniens vergraben oder am Straßenrand verbrannt. Jugendliche fahren
Lastwägen mit Giftmüll-Fässern beladen in entlegene Steinbrüche. Sie atmen
giftige Dämpfe ein. Ab und an kann sich auch eines der Fässer öffnen.
Berufsrisiko. Das Netz der Müll-Mafia reicht inzwischen auch in andere
europäische Länder – sogar nach China werden illegal Abfälle exportiert.
Genau auf dieses Problem machte die Dokumentation „Biùtiful
cauntri” schon vor Jahren aufmerksam, doch geschehen ist bis dato
nichts.
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