Mittwoch, 4. März 2015

Italiens gefährlichster Beruf

Der neueste Parlamentsbericht deckt Drohungen und Angriffe auf Bürgermeister auf.

Die meisten Bürgermeister Italiens fühlen sich von der Mafia und der Camorra bedrängt, oft auch massiv bedroht. Zurecht: In 40 Jahren wurden 132 von ihnen ermordet.




Bürgermeister in Italien zu sein ist eine bewundernswerte, doch nicht immer leichte Tätigkeit - und vor allem eine gefährliche. Einem jüngsten Bericht der einer Kommission des Senats zufolge lebt keine andere »Berufsgruppe« so gefährdet. Allein von Januar 2013 bis zum April 2014 wurden von den 106 italienischen Polizeipräfekturen 1.265 Bedrohungen oder Einschüchterungsversuche gegenüber Bürgermeistern, Assessoren oder Ratsmitgliedern gemeldet.

Der Ort Fino Mornasco mit seinen 10.000 Einwohnern liegt auf halber Strecke zwischen Mailand und Como, in der Nähe der Schweizer Grenze. Seit 2009 ist Giuseppe Napoli Bürgermeister. Er war zweieinhalb Jahre im Amt, als er eines Morgens eine unmissverständliche Nachricht erhielt: "Im Mai wurde ein Kreuz gefunden zwischen dem Friedhof und dem Marktplatz der Gemeinde mit meinem Foto. Darunter war eine Handgranate mit einem Draht am Kreuz befestigt."




Der Grund: In Fino Mornasco gab es ein kommunales Unternehmen, das offenbar mit der organisierten Kriminalität kooperierte und Verluste in Millionenhöhe produzierte, auf Kosten des Steuerzahlers. Nachdem Bürgermeister Napoli dieses Unternehmen aufgelöst hatte, begannen die Einschüchterungsversuche.

Der von der demokratischen Senatorin Doris Lo Moro vorgestellte Bericht fasst auf 205 Seiten alle möglichen Angriffe auf Vertreter der Staatsmacht in den unteren und mittleren Ebenen zusammen. Das Erschreckende an dem vorgelegten Bericht ist nicht nur die hohe Zahl der Bedrohungen, sondern ihre steigende Tendenz.

Dabei sind es in erster Linie nicht die Bürger, die sich auf den Ämtern wegen einer vermuteten ungerechten Behandlung Luft machen und ihren Ärger an den Kommunalpolitikern auslassen. Vor allem die organisierte Kriminalität geht in immer deutlicherer und brutaler Art und Weise gegen lokale Ämter vor. Es geht dabei um die Vergabe von lukrativen Aufträgen, Posten, um Korruption und Lobbyismus. Die organisierte Kriminalität schreckt vor nichts zurück, um ihre Ziele durchzusetzen. In den vergangenen 40 Jahren wurden 132 lokale Politiker und Beamte von den Mafien ermordet.

Von 1994 bis heute mussten 254 Kommunalvertretungen wegen Infiltration durch Cosa Nostra, ´Ndrangheta oder Camorra aufgelöst werden. In siebzig Fällen traten Lokalpolitiker zurück, die entweder von den Kriminellen bestochen oder auf irgendeine Weise in illegale Geschäfte und Auftragsvergaben involviert waren. Wer sich gegen den Druck der kriminellen Vereinigungen wehrte, musste sich in den Schutz der Sicherheitsorgane begeben. Der Bericht vermeldet 341 Fälle, in denen Lokalpolitiker mit ständiger Eskorte und Personenschutz leben müssen.


Die Annahme, die sei nur eine Angelegenheit des italienischen Südens, ist falsch, wie der Senatsbericht zeigt. Köpfe toter Tiere im Garten, Maschinenpistolengarben in Fenster: Eine dem Bericht beigefügte Karte, auf der die Häufigkeiten solcher Bedrohungen festgehalten wurden, zeigt zwar, dass Sizilien und Apulien an der Spitze liegen, die Vorkommnisse sich jedoch zunehmend auch auf Norditalien ausdehnen.
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