Roberto
Helg galt als Vorkämpfer gegen Mafia und Korruption. Nun flog auf, dass er sich
schmieren ließ.
Der
Umschlag mit dem Bargeld lag noch auf dem Schreibtisch, der Check steckte schon
in der Jackentasche. Als die Carabinieri Roberto Helg stellten, in flagranti in
dessen Büro in Palermos Handelskammer, stritt der 78-jährige Verbandspräsident
zunächst alles ab. Der Umschlag? Keine Ahnung, was da drin sei. Und der Check
in der Sakkotasche? «Ich hielt ihn für einen Notizzettel, ich habe ihn
versehentlich eingesteckt.» Es waren die letzten Ausflüchte vor dem Sturz des
vermeintlichen Helden.
Roberto Helg,
gefeierter Kämpfer gegen Korruption und Mafia, liess sich mit 100'000 Euro
schmieren – etwa so, wie es sonst die Cosa Nostra tut, wenn sie den «pizzo»
eintreibt, das Schutzgeld. Nun sitzt Helg im Gefängnis. Und die Italiener
fragen sich, was die Anti-Mafia-Bewegung noch wert ist. Entlarvt wurde Helg von
einem Opfer, dem Konditor Santi Palazzolo. Dieser hatte sich lange erfolglos
darum bemüht, die Mietlizenz für seinen Laden im Flughafen von Palermo zu
verlängern.
Helg, ein
Mann mit vielen Ämtern und Ehrentiteln, war auch Vizepräsident der
Verwaltungsgesellschaft des Flughafens. Als das Drängen des Patissiers immer
stärker wurde, schickte man ihn zu Helg, der regle solche Dinge.
Palazzolo
erzählt, Helg habe ihn beim ersten Treffen in der Handelskammer mit Gesten angewiesen,
das Handy auszuschalten und auf den Tisch zu legen. Dann habe er ihn in einen
anderen Raum geführt, um ihm die Bedingungen für eine Fortführung des Vertrags
leise zuzuflüstern. «Er sagte zu mir: ‹100'000, oder du bist draussen.› Er
sagte gar, mein Leben als Unternehmer würde sonst schnell enden.» Er sei
verzweifelt und verängstigt gewesen: «Helg war ein Symbol. Wie konnte ich gegen
ihn bestehen?» Doch Palazzolo fasste Mut. Beim vorletzten Treffen nahm er das
Gespräch mit Helg auf: 47 Minuten Beweismaterial. Damit er ging zur Polizei.
Geständnis
unter Tränen
Und so
beschloss man, Helg eine Falle zu stellen. Palazzolo machte einen Termin für
die Geldübergabe aus: 30'000 Euro in Cash, 70'000 als Check. Als Helg den
Check entgegennahm, traten die Carabinieri ins Büro. Nachdem man ihm dann das
aufgenommene Gespräch abgespielt hatte, gestand Helg unter Tränen. Er habe das
Geld dringend gebraucht, alles habe er verloren. Bis 2012 betrieb die Familie
eine Kette von Geschenkläden, die aber alle eingingen. Unlängst habe man seine
Wohnung verpfändet. Palermos Staatsanwaltschaft weitete die Ermittlungen
umgehend aus.
Noch schwerer
als die juristischen Folgen wiegen in diesem Fall die moralischen und
politischen. In Italien wird nun debattiert, ob die Anti-Mafia-Bewegung, die
1992 nach den Mordanschlägen gegen die Richter Paolo Borsellino und Giovanni
Falcone aufkam und zunächst spontan wuchs, mittlerweile von einigen ihrer
öffentlichen Figuren als Scheinbühne missbraucht wird.
Rita Borsellino, eine Schwester des ermordeten Richters, sagt
es in einem Gespräch mit der Zeitung «La Repubblica» so: «Seien wir ehrlich: Es
gibt Leute, die im Schatten der Anti-Mafia-Fahne ihre eigenen Interessen
verfolgen.» Mit dem sichtbaren Teil der Bewegung wolle sie deshalb nichts mehr
zu tun haben: «Ich habe mich zurückgezogen. Ich gehe nur noch in die Schulen,
arbeite mit den Kindern. Sie misstrauen der Politik und den Institutionen,
völlig zu Recht.» Zu Wort meldet sich auch Pina Grassi, Witwe von Libero
Grassi, den die Mafia 1992 umbrachte, weil er den «pizzo» nicht entrichtete.
Sie sagt: «Viele von uns sind auf diesen Helg hereingefallen. Auf seinem
Schreibtisch stand ein Foto von Libero – gleich neben dem Umschlag mit den
30'000 Euro.»
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