Brüssel hat 105 Millionen
Euro nach Pompeji geschickt, um die antike Stätte vor dem Zerfall zu bewahren.
Doch dem Unesco-Weltkulturerbe geht es nicht besser – im Gegenteil: Es fehlen
durchdachte Projekte und Kontrollen über Bauunternehmen. So treiben Kunsträuber
und Mafiosi ihr Unheil.
Kein anderes europäisches Land besitzt
so viele Weltkulturgüter der Unesco wie Italien: 46 sind es ingesamt. Doch
Italien ist mit dem Kulturerbe überfordert. Neapels Altstadt zum Beispiel –
komplett zum Weltkulturgut ernannt – gammelt vor sich hin und verfällt. In
Pompeji, südlich von Neapel, soll dank einer Geldspritze aus Brüssel alles
besser werden. Doch die 105 Millionen Euro helfen nicht – das Gegenteil ist der
Fall.
Geldsegen zurückgeben?
Obwohl die Verantwortlichen des größten
archäologischen Parks der Welt (etwa 100 Fußballfelder) wussten, dass 2012 eine
Menge Geld aus Brüssel kommt, bereitete sich niemand darauf vor. Die Gelder
wurden verbucht, und Italiens Kulturpolitiker versprachen das Blaue vom Himmel.
Ein ganzes Jahr dauerte es, bis konkrete Projekte bereitstanden. Dabei war
bekannt: Die EU-Gelder müssen wieder zurückgegeben werden, wenn die
beschlossenen 47 Restaurierungsprojekte nicht bis Ende 2015 begonnen hätten.
Kunsträuber und
Mafiosi
Die ausgedehnten Ruinen der antiken Stadt Pompeji sind zu
Italiens kulturpolitischem Sorgenkind Nummer eins geworden. In den vergangenen
Jahren wechselten ständig die Verantwortlichen. Derzeit gibt ein ehemaliger
General den Ton an – doch auch unter seiner Leitung ist die Situation nicht
besser geworden. Etwa 40 Prozent der ausgegrabenen Gebäude können nicht
besichtigt werden. Als Grund dafür werden Bauarbeiten und statische Probleme
angegeben.
Einige der besonders
kostbaren Villen bleiben geschlossen, weil es nicht genügend Wachpersonal gibt.
Die Folge: Kunsträuber können nachts ungestört vorgehen und Mosaike sowie
Fresken entfernen, um sie im In- und Ausland zu verkaufen. Hinzu kommt, dass
die lokale Mafia immer noch die Mehrzahl der in Pompeji beschäftigen
Bauunternehmen kontrolliert.
Desinteresse oder
Unfähigkeit?
Kulturpolitiker und Archäologen
kritisieren, dass das Kulturministerium im Fall Pompejis nicht hart
durchgreife. Die Rede ist von genaueren Kontrollen aller Beschäftigten und
Bauunternehmen wegen der Mafia – doch das Ministerium setzt immer wieder neue
Verantwortliche ein, die Projekte realisieren, aber das Grabungsgebiet nicht
komplett auf Vordermann bringen.
Dabei könnte man in Pompeji von der nah
gelegenen antiken Stadt Herculaneum lernen, die ebenfalls 79 n. Chr. im
Aschenregen unterging und seit dem 18. Jahrhundert ausgegraben wird. In einem
für Italien beispiellosen kulturpolitischen «Joint Venture» zwischen
der Stadt, dem Ministerium und der US-amerikanischen Packard-Stiftung fließen
seit 20 Jahren viele Millionen Dollar in das Erforschen und den Erhalt von
Herculaneum.
Die antiken Ruinen dieser Stadt gehören
heute zum Schönsten, was Italien zu bieten hat. Warum man diesem Beispiel nicht
folgte und für Pompeji einen Sponsor zu suchen begann – auf diese Frage gibt es
keine Antwort.
Unesco rügt Pompeji
Sollte Italien die EU-Gelder für Pompeji
zurückgeben müssen, würde das nicht nur eine Blamage bedeuten, sondern könnte
böse Folgen haben. Die Unesco klagt seit Jahren, dass in Pompeji eine andere
Politik zur Anwendung kommen müsse – doch nichts geschieht. So ist nicht
auszuschließen, dass die antike Stadt von der Liste der Weltkulturgüter
gestrichen wird. Für Pompeji wäre das fatal.
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