Die
"Terra dei Fuochi", das "Land der Feuer", liegt nördlich
von Neapel. Jede Nacht verbrennt die Mafia hier Giftmüll. Die Krebsrate ist
deswegen viermal so hoch wie anderswo. Jetzt kommt der Papst.
Der Himmel über der Region Kampanien ist
unschuldig blau an diesem Märztag. Die Augen von Anna Magri strahlen in
derselben Farbe. Doch immer wieder füllen sie sich mit Tränen, die sie
beherrscht am Augenlid abbremst, während sie von ihrem Sohn Riccardo erzählt.
Vor fünf Jahren ist er an einer selten aggressiven Form von Leukämie gestorben.
Anna ist überzeugt, dass eine schleichende Umweltkatastrophe in ihrem Heimatort
Schuld an Riccardos Tod hat.
Sie lebt in Caivano, nördlich von Neapel
im Herzen der "Terra dei Fuochi" gelegen, dem "Land der
Feuer". Den Namen verdankt die Gegend großen Feuern, die nachts entlang
der Provinzstraßen brennen. Vordergründig verbrennt hier Hausmüll, doch
darunter gehen hochgiftige Industrieabfälle in Flammen auf. Toxischer und radioaktiver
Schlick aus ganz Italien und Nordeuropa werden in Feldern und Flüssen
verklappt. Ein illegales Milliardenbusiness, das die hier ansässigen Clans der
neapolitanischen Mafiaorganisation Camorra in 30 Jahren steinreich machte.
Ein gigantisches Umweltverbrechen, so
verheerend, dass "hier alle in 20 Jahren an Krebs sterben werden",
wie der frühere Camorra-Boss wie Carmine Schavione schon in den 90er Jahren auspackte. Schavione war der Topmanager des Casalesi-Clans.,
Forscher sprechen vom "Dreieck des Todes"
In der Tat ist die Krebsrate in der Gegend mehr als dreimal so hoch wie im
nationalen Durchschnitt. Die Feuer setzen ätzende Dioxinwolken frei, das
Grundwasser ist verseucht, Schwermetalle und Gift sind im Erdreich versickert,
auf dem Tomaten und Pfirsiche wachsen. Ein Forscher sprach vom "Dreieck
des Todes" zwischen Neapel, der nördlich davon gelegenen Kleinstadt
Caserta und Nola im Osten.
Die Gegend ist ein dicht besiedelter Großraum: Mehr als eine halbe Million
Menschen leben hier. Zu Weltruhm kam sie, als der Journalist Roberto Saviano sie
2006 in seinem Roman "Gomorrha" die Machenschaften der Casalesi
beschrieb. Saviano stammt selbst aus Casal di Principe. Die Camorra wollte ihn
daraufhin mit einer Autobombe töten. Saviano, damals erst 26 Jahre alt, musste
abtauchen, lebt seither unter Personenschutz. Nun rückt Neapel in den Fokus der
Medien, weil Papst Franziskus die Stadt am Samstag besuchen wird. Im
Mafiaviertel Scampia will er ein Zeichen gegen die Camorra setzen – und so den
Widerstand der Bürger gegen die Mafiosi stärken.
.
Im Jahr werden 300.000
Tonnen Gift vergraben
Nachts kommen dann die Lkw aus dem
Norden, wo illegale Entsorgungsfirmen für Sondermüll der Industrie ihren
giftigen Dreck mit bis zu 80-prozentigen Rabatten abnehmen – in der Krise oft
lebensrettend. Schätzungen ergaben, dass es im Jahr etwa 3500 Mal nachts brennt
und 300.000 Tonnen Gift vergraben werden. Eine Sanierung dürfte nach
Schätzungen 50 bis 60 Jahre dauern. Ein Drittel der Böden dürfen nicht mehr
bebaut werden. Aber überall gibt es neue Plantagen.
Eine der über 200 Deponien für Hausmüll,
die beim Müllnotstand in Neapel von 2007 im Eiltempo überall angelegt wurden,
ist von einem einfachen Drahtzaun abgegrenzt. Dahinter huschen riesige Ratten
entlang, die "auch Menschen angreifen". Im nahen Giuliano liegt
Resit, eine der größten Deponien Europas. Dort droht eine Katastrophe, wenn der
Schlick in die Erde sackt.
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