Der sizilianische
Reitlehrer Giuseppe Cimarosa distanziert sich öffentlich von seinem Onkel. Das
ist nicht unproblematisch, denn der heißt Matteo Denaro und ist ein Superboss
der Cosa Nostra.
Giuseppe Cimarosa hätte auch schweigen können. Er hätte sein
Leben wie bisher im Schatten der großen Öffentlichkeit leben können, ohne
Medien und Politik. Mit seinen Pferden, in seiner Reitschule im sizilianischen
Castelvetrano. Er inszeniert dort Theatervorführungen mit den Tieren. Sie sind
seine Leidenschaft.
Auf der Webseite
der Reitschule beschreibt er sie
mit solch poetischer Verve, dass man den Eindruck gewinnt, dass ihm die Welt
der Pferde lieber ist als die Welt der Menschen. Inklusive der Welt seiner
Familie, oder jener ganz besonders. Der 32-jährige Giuseppe Cimarosa, dichter
Bart und sanfte Stimme, ist ein Neffe von Matteo Messina Denaro, dem Boss der
Bosse der Cosa Nostra, des
meistgesuchten Mafioso Italiens. Und er mochte nicht länger schweigen.
Vor
einigen Tagen nahm Cimarosa in Palermo an einer Parteiveranstaltung des linken
Partito Democratico teil, unerkannt und unbemerkt. Jeder, der wollte, konnte
sich da ans Publikum wenden, die Veranstaltung war als offenes Forum angelegt.
Tausend kamen. Cimarosa betrat die Bühne, wirkte nervös und unsicher in seinem
eng geschnittenen Anzug, brachte das Stimmengewirr aber schnell zum Verstummen:
"Ich bin der Verwandte eines Mafioso", sagte er, "und ich habe
mich entschieden, mich gegen die Mafia
aufzulehnen. Meine Mutter ist eine Cousine ersten Grades von Matteo Messina
Denaro, mein Vater ist im Rahmen der Operation 'Eden' verhaftet worden. Ich
komme aus Castelvetrano und leide." Drei Sätze, die sein Leben aus der
Anonymität reißen sollten.
Es folgte ein berührendes Zeugnis. Er habe kein Schutzprogramm
beantragt für sich, sagte er: "Wir dürfen die Angst nicht mehr als Alibi
gebrauchen." Zum Schluss stand das Publikum und klatschte ihm zu. Seine
kurze Rede wurde von allen nationalen Medien aufgenommen. Und Cimarosa setzte
seine persönliche Öffentlichkeitsarbeit fort, als fühlte er sich endlich frei.
In
einer Talkshow auf dem Fernsehsender La7 erzählte er aus seiner Kindheit in
Castelvetrano, einer Provinzstadt mit 35 000 Einwohnern,
wo sie immer mit einem Mix aus Anerkennung und Furcht von seinem Onkel
sprachen: "Seit ich denken kann, hörte ich, Messina Denaro sei ein
Krimineller höchsten Grades. Doch schlecht redete man nicht von ihm." Die
Gesellschaft habe dem Boss eine Aura angedichtet, als wäre sie von ihm
fasziniert, als verehrte sie ihn. "Ich aber", sagte Cimarosa,
"fühlte mich immer schuldig, wenn im Fernsehen über ein Verbrechen Messina
Denaros berichtet wurde, weil ich mit ihm verwandt bin." In der Familie
habe das zu Streit geführt. "Man versuchte mich zu beruhigen. Meine
Großmutter sagte einmal: 'Hör auf damit, sonst bringen sie dich um'."
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