Mittwoch, 18. März 2015

Der Neffe hat genug vom Paten

Der sizilianische Reitlehrer Giuseppe Cimarosa distanziert sich öffentlich von seinem Onkel. Das ist nicht unproblematisch, denn der heißt Matteo Denaro und ist ein Superboss der Cosa Nostra.




Giuseppe Cimarosa hätte auch schweigen können. Er hätte sein Leben wie bisher im Schatten der großen Öffentlichkeit leben können, ohne Medien und Politik. Mit seinen Pferden, in seiner Reitschule im sizilianischen Castelvetrano. Er inszeniert dort Theatervorführungen mit den Tieren. Sie sind seine Leidenschaft.

Auf der Webseite der Reitschule beschreibt er sie mit solch poetischer Verve, dass man den Eindruck gewinnt, dass ihm die Welt der Pferde lieber ist als die Welt der Menschen. Inklusive der Welt seiner Familie, oder jener ganz besonders. Der 32-jährige Giuseppe Cimarosa, dichter Bart und sanfte Stimme, ist ein Neffe von Matteo Messina Denaro, dem Boss der Bosse der Cosa Nostra, des meistgesuchten Mafioso Italiens. Und er mochte nicht länger schweigen.




Vor einigen Tagen nahm Cimarosa in Palermo an einer Parteiveranstaltung des linken Partito Democratico teil, unerkannt und unbemerkt. Jeder, der wollte, konnte sich da ans Publikum wenden, die Veranstaltung war als offenes Forum angelegt. Tausend kamen. Cimarosa betrat die Bühne, wirkte nervös und unsicher in seinem eng geschnittenen Anzug, brachte das Stimmengewirr aber schnell zum Verstummen: "Ich bin der Verwandte eines Mafioso", sagte er, "und ich habe mich entschieden, mich gegen die Mafia aufzulehnen. Meine Mutter ist eine Cousine ersten Grades von Matteo Messina Denaro, mein Vater ist im Rahmen der Operation 'Eden' verhaftet worden. Ich komme aus Castelvetrano und leide." Drei Sätze, die sein Leben aus der Anonymität reißen sollten.

Es folgte ein berührendes Zeugnis. Er habe kein Schutzprogramm beantragt für sich, sagte er: "Wir dürfen die Angst nicht mehr als Alibi gebrauchen." Zum Schluss stand das Publikum und klatschte ihm zu. Seine kurze Rede wurde von allen nationalen Medien aufgenommen. Und Cimarosa setzte seine persönliche Öffentlichkeitsarbeit fort, als fühlte er sich endlich frei.

In einer Talkshow auf dem Fernsehsender La7 erzählte er aus seiner Kindheit in Castelvetrano, einer Provinzstadt mit 35 000 Einwohnern, wo sie immer mit einem Mix aus Anerkennung und Furcht von seinem Onkel sprachen: "Seit ich denken kann, hörte ich, Messina Denaro sei ein Krimineller höchsten Grades. Doch schlecht redete man nicht von ihm." Die Gesellschaft habe dem Boss eine Aura angedichtet, als wäre sie von ihm fasziniert, als verehrte sie ihn. "Ich aber", sagte Cimarosa, "fühlte mich immer schuldig, wenn im Fernsehen über ein Verbrechen Messina Denaros berichtet wurde, weil ich mit ihm verwandt bin." In der Familie habe das zu Streit geführt. "Man versuchte mich zu beruhigen. Meine Großmutter sagte einmal: 'Hör auf damit, sonst bringen sie dich um'."
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