Sonntag, 30. August 2015

Acht Mafiosi am Bodensee verhaftet

Bei einer international angelegten Polizeiaktion sind im Landkreis Konstanz acht mutmaßliche Mitglieder der Mafia-Organisation 'Ndrangheta festgenommen worden. Niemand hatte sie bemerkt. „Sie waren unsichtbar“, sagen Nachbarn. Was macht der Verbrecherclan in Süddeutschland?
  • Acht Mafiosi am Bodensee festgenommen
  • Insgesamt 140 mutmaßliche Mafiosi sind dem LKA in Baden-Württemberg bekannt
  • Verbrecherorganisation baut sich ein Netz in Süddeutschland auf




Dienstagmorgen, 4 Uhr: Spezialkräfte der Polizei stürmen die Wohnungen von acht verdächtigen Männern am Bodensee. Der Vorwurf: Sie sollen der mächtigen Mafia-Organisation 'Ndrangheta aus Kalabrien angehören. die verhaftungen erfolgten in Singen und Engen und Radolfzell


Verdächtige im Schlaf überrascht

Mit Rammböcken drückten die Einsatzkräfte die Türen ein und überraschten die Männer im Schlaf. „Alles lief kontrolliert, es gab keine Zwischenfälle, auch keine Schießereien.

Die mutmaßlichen Mafiosi konnten ohne Gegenwehr festgenommen werden. Bei ihnen wurden laut dem Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart allerdings scharfe Schusswaffen sichergestellt. „Es handelt sich um Gewehre, eine Pump-Gun, Pistolen und Revolver mit zugehöriger Munition“, schildert LKA-Sprecher Ulrich Heffner FOCUS Online. Außerdem beschlagnahmte die Polizei auch Daten und Dokumente.


Mafiosi warten auf Auslieferung

Die zwischen 40 und 69 Jahre alten Männer sollen schnellstmöglich nach Italien ausgeliefert werden, wo ihnen dann der Prozess gemacht wird. In Italien ist die Zugehörigkeit zu einer Mafia-Organisation strafbar.


Was macht die Mafia in Deutschland?

Laut dem LKA-Sprecher dient das Grenzgebiet in Süddeutschland Mafia-Mitgliedern als Rückzugsraum. Die Italiener lebten dort unauffällig und bescheiden, für Nachbarn waren sie unsichtbar. Viele seien dort sesshaft geworden und wohnten schon jahrzehntelang im gleichen Ort, so der Sprecher. Allerdings sollen sie exzellente Kontakte zu ihren Bossen nach Italien haben.

Dem LKA in Stuttgart sind 140 Personen bekannt, die in Mafia-Strukturen eingebunden sind. 65 gehören der kalabrischen ’Ndrangheta an, 32 der Stidda, 27 der Camorra und 14 der Cosa Nostra.


LKA: „Wir wissen, dass sie hier leben“

„Wir wissen, dass sie hier leben. Sie fallen hier aber nicht durch strafrechtlich relevante Taten auf“, erklärt Heffner gegenüber FOCUS Online. Für viele mutmaßliche Mafia-Mitglieder sei das Grenzgebiet am Bodensee aber weit mehr als ein Rückzugsraum, räumt der Kriminalbeamte ein. „Der Bereich wird für die Kriminellen immer mehr zum Aktionsraum. Sie agieren von Deutschland aus nach Italien.“


Mafia reproduziert sich in Süddeutschland

Eine Einschätzung, die auch der Chefstaatsanwalt der Provinz Reggio Calabri Cafiero de Raho teilt. Er erklärte, der kalabrischen ’Ndrangheta sei es gelungen, im Grenzgebiet zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz ein fast identisches Netz aufzubauen wie in ihrer süditalienischen Heimat. Selbst der Aufstieg der Mafiosi in der Verbrecherkarriere funktioniere rund um den Bodensee genauso wie in Rosarno oder San Luca, so De Raho.


Italienische Polizei macht Druck

Vor allem die italienische Polizei macht Druck auf die Mafia, auch hier in Deutschland. Viele Zugriffe in Deutschland werden von italienischen Behörden initiiert. Bei der Polizeiaktion am Dienstag im Landkreis Konstanz waren ebenfalls Kräfte der italienischen Ermittlungsbehörden aktiv beteiligt, erklärt LKA-Sprecher Heffner.


Deutschland unterschätzt die Gefahr

Der bekannte italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri kritisierte die Arbeit der deutschen Behörden in Bezug auf die Mafia: Es sei anfangs nicht leicht gewesen, die deutschen Behörden, vor allem das Kriminalamt, von der Notwendigkeit umfassender Ermittlungen zu überzeugen. Noch fehle offenbar jenseits der italienischen Grenzen das Gefühl für die Gefährlichkeit der ’Ndrangheta.

Der Mafia-Ableger nutze das Grenzgebiet in Deutschland nicht nur als Rückzugsraum, sondern wasche dort auch kriminell erworbenes Bargeld und sei im Drogen– und Menschenhandel aktiv, schreibt die Zeitung weiter.  


Mafia-Zugehörigkeit in Deutschland nicht strafbar

Die italienischen Ermittler haben aufgrund weitergehender gesetzlicher Regelungen bessere Möglichkeiten, kriminelle Strukturen der Mafia zu zerschlagen. Der Paragraph, der die Bildung einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellt, ist dort weiter gefasst.
Außerdem kann in Italien von Verdächtigen schon präventiv Vermögen beschlagnahmt werden. In Deutschland müssen Ermittler zunächst die Tat an sich und dann die in dem Zusammenhang erbeutete Summe nachweisen, bevor sie Geld beschlagnahmen können, erklärt der Kriminalbeamte Heffner vom LKA Stuttgart. Ein Vorgehen wie in Italien ist wegen der Unschuldsvermutung und wegen des im Grundgesetz zugesicherten Eigentumsschutzes nicht möglich.


Samstag, 29. August 2015

Italiens Regierung stellt Rom unter Kuratel

Von Paul Kreiner - Stuttgarter Zeitung

Mafia, Chaos, Heiliges Jahr: Die italienische Regierung stellt die Hauptstadt Rom jetzt unter Kuratel. Der neue Präfekt Franco Gabrielli soll’s richten. Der Ex-Geheimdienstmann gilt als ausgesprochener Troubleshooter.


Präfekt Franco Gabrielli soll den Mafiafilz beseitigen. 


So tief im Schlamassel hat Rom schon lange nicht mehr gesteckt. Der Sinti- und Mafiaclan Casamonica sorgt mit der pompösen Beerdigung seines „Königs“ für nacktes Entsetzen. Mafia-Verdacht richtet sich gegen zahlreiche Politiker und Funktionäre der Stadt; einige schmoren in Untersuchungshaft. Vor lauter Mafiafilz sind die Hafenvorstadt Ostia und ihre derzeit von Millionen Badetouristen belagerten Strände quasi unregierbar.

In der Stadtkasse finden sich statt Geld nur Löcher, und der Stress, vor der ganzen Welt „bella figura“ machen zu müssen, wächst: Am 8. Dezember will Papst Franziskus sein „Heiliges Jahr der Göttlichen Barmherzigkeit“ starten. Erwartet werden 25 Millionen Pilger, aber die Empfangs- und Infrastruktur ist so löchrig wie die römischen Straßen. Zu allem Überfluss hat sich Italiens strapazierte Hauptstadt auch noch um die Olympischen Spiele 2024 beworben.

Jetzt ist die Regierung massiv eingeschritten. Innenminister Angelino Alfano hat die Stadtverwaltung unter Kuratel gestellt. Der ungeliebte, wenn auch unbelastete Bürgermeister Ignazio Marino (60), der just die heißesten Tage seiner mittlerweile zweijährigen Amtszeit ungerührt im USA-Urlaub verbringt, ist laut Regierungsbeschluss vom Donnerstag praktisch nur noch für den Verkehr zuständig.

Den Rest der Stadtverwaltung übernimmt Präfekt Franco Gabrielli (55). Das ist der frühere Geheimdienstmann, der sich mit der Bewältigung der Erdbebenfolgen in L’Aquila, mit der erfolgreichen Beseitigung des Costa-Concordia-Wracks und mit der Führung des nationalen Katastrophenschutzes empfohlen hat.


Roms Hafenstadt Ostia ist unregierbar geworden

Mit der weitreichenden Entmachtung der demokratisch gewählten Stadtführung vermeidet die Regierung am Rand ihrer gesetzlichen Befugnisse eine weit drastischere Maßnahme: die gänzliche Auflösung von Marinos Bürgermeisterriege sowie des Stadtparlaments, wie sie für mafiaverseuchte Gemeinden in Italien normalerweise vorgesehen ist. Aufgelöst wird dennoch: Zumindest der Stadtteil Ostia kommt für vorerst 18 Monate unter die Leitung eines im Kampf gegen die Mafia erfahrenen Regierungskommissars.

Ostia mit seinen 100 000 Einwohnern ist die zweitgrößte Kommune Italiens, der diese Behandlung widerfährt. Größer war nur die süditalienische Regionalhauptstadt Reggio Calabria. Deren Verwaltung musste 2012 wegen Verquickung mit der „Ndrangheta“ entlassen werden. Damals behaupteten Polizeifunktionäre und Politiker noch, in der Hauptstadt Rom gebe es keine Mafia.


Ostia - Badestrand


Es gab sie durchaus, wie die Verhaftungswelle in Ostia schon wenige Monate danach zeigte. Nur war – so merkt die frühere Justizministerin Paola Severino an – in Rom die „omertà“ viel stärker ausgeprägt als selbst im Mezzogiorno: „Man hat die Mafia flächendeckend und kollektiv verschwiegen, weil sich Rom als stolze Hauptstadt nicht eingestehen wollte, dass sie davon befallen war.“ Und „Antikörper“, so heißt es heute resigniert, habe Roms Gesellschaft auch nicht entwickelt.

die frühere Justizministerin Paola Severino


Dabei wusste man schon 2011 aus Parlaments- und Gerichtsakten, wer die Casamonica waren: Eine Großfamilie, deren Mitglieder sich dem Finanzamt gegenüber als mittellos ausgaben, bei der die Fahnder aber regelmäßig Vermögen, Villen, Luxusautos im Millionenwert beschlagnahmten. Die Casamonica lebten und leben von Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Wucher; sie machten sich in städtischen Sozialbauten breit und, terrorisierten die Nachbarn. Sie verkauften, wenn’s sein musste, auch die illegal besetzten Wohnungen und arbeiteten mit anderen Verbrecherorganisationen zusammen.


Die Beerdigung des „Königs von Rom“

82 Clanmitglieder, so teilt die Polizei in diesen Tagen mit, befänden sich derzeit unter „spezieller Beobachtung“. Trotzdem haben sämtliche Kontrollen versagt, als die Casamonica vor einer Woche ihren als „König von Rom“ titulierten Boss Vittorio begruben.

Der kilometerlange Leichenzug auf einer der größten Ein- und Ausfallstraßen Roms, die barocke, sechsspännige Kutsche, der Hubschrauber, der ganze Wolken roter Rosenblütenblätter über dem Kirchplatz abwarf – das war als provokative Inszenierung alles minutiös geplant. „Aber von den örtlichen Sicherheitskräften sind keine Informationen nach oben gegeben worden“, hält der Sicherheitschef Gabrielli fest.

Geschlafen hat Rom lange auch in Ostia, wo sich einheimische Clans und die sizilianische Cosa Nostra die Geschäfte teilten: millionenschwere Lizenzen für Strandbetriebe, für Kinos und Klubs und Restaurants. Nach außen unauffällig, verfilzt mit der Stadtteilverwaltung, hofften sie alle auf den ganz großen Brocken: Auf die vom früheren Bürgermeister Gianni Alemanno geplante, monströse „Waterfront“ aus Einkaufsmeilen und Unterhaltungsbetrieben. Die „Waterfront“ ist abgeblasen, gegen Alemanno wird ermittelt.

.

Freitag, 28. August 2015

Pforzheim - Waffen für die Mafia besorgt

Vor annähernd zwei Jahren schnappte die Polizei im Engelsbrander Ortsteil Grunbach einen 60-jährigen Mann einer mafiösen Organisation. Der Fall schien erledigt, wurde der Verbrecher doch kurz darauf nach Italien ausgeliefert, um in seinem Heimatland eine lange Haftstrafe abzusitzen. Doch am Donnerstag lebte das Geschehen im Pforzheimer Amtsgericht wieder auf. Bei einem ehemaligen Freund des abgeschobenen Mafioso hatte die Polizei in Birkenfeld vor einem Jahr bei einer Durchsuchung zwei Waffen und 500 Gramm Marihuana entdeckt. Ist der 33-jährige Italiener ebenfalls ein schwerer Junge?

Wollte er mit den Waffen Verbrechen verüben? Oder brauchte er Pistolen, um sich vor Racheaktionen der Mafia zu schützen, wie er dem Gericht erzählte? Die Ndrangheta in Kalabrien sei hinter ihm her, er habe zwei Waffen des früheren Freundes nicht gut versteckt. Er erhielt einen Drohbrief von ihm: Deshalb habe er zwei weitere Waffen zum eigenen Schutz besorgt.



Strafrichter Karl-Michael Walz tat sich schwer, ihm diese Version abzunehmen. Kurz vor dem Prozess hatte die Kriminalpolizei nach einem anonymen Anruf in seinem Garten eine Waffe gefunden. Am Donnerstag, ein paar Stunden vor der Verhandlung, übergab der Angeklagte der Kripo eine Schrotflinte. Was sich Walz jedoch fragte: „Warum haben Sie sich ein Jahr lang nicht gerührt?“ Er hätte doch reinen Tisch machen können.

Aus Angst vor einer Gefängnisstrafe und der drohenden Auslieferung nach Italien sei er herzkrank und depressiv geworden, unfähig zu reagieren, sagte der 33-Jährige. Walz und seine Schöffen fiel die Entscheidung schwer. Sie verurteilten den Italiener zu zwei Jahren Gefängnis – setzten die Strafe aber zur Bewährung aus. „So knapp wie Sie ist schon lange keiner mehr am Gefängnis vorbeigeschrammt“, sagte Amtsgerichtsdirektor Walz.

Die Bewährung werde sein Lieblingsverfahren, mit Argusaugen werde er verfolgen, ob er sich nichts mehr zuschulden kommen lässt.

Wollte er mit den Waffen Verbrechen verüben? Oder brauchte er Pistolen, um sich vor Racheaktionen der Mafia zu schützen, wie er dem Gericht erzählte? Die Ndrangheta in Kalabrien sei hinter ihm her, er habe zwei Waffen des früheren Freundes nicht gut versteckt. Er erhielt einen Drohbrief von ihm: Deshalb habe er zwei weitere Waffen zum eigenen Schutz besorgt.

Strafrichter Karl-Michael Walz tat sich schwer, ihm diese Version abzunehmen. Kurz vor dem Prozess hatte die Kriminalpolizei nach einem anonymen Anruf in seinem Garten eine Waffe gefunden. Am Donnerstag, ein paar Stunden vor der Verhandlung, übergab der Angeklagte der Kripo eine Schrotflinte. Was sich Walz jedoch fragte: „Warum haben Sie sich ein Jahr lang nicht gerührt?“ Er hätte doch reinen Tisch machen können.

Aus Angst vor einer Gefängnisstrafe und der drohenden Auslieferung nach Italien sei er herzkrank und depressiv geworden, unfähig zu reagieren, sagte der 33-Jährige. Walz und seine Schöffen fiel die Entscheidung schwer. Sie verurteilten den Italiener zu zwei Jahren Gefängnis – setzten die Strafe aber zur Bewährung aus. „So knapp wie Sie ist schon lange keiner mehr am Gefängnis vorbeigeschrammt“, sagte Amtsgerichtsdirektor Walz. Die Bewährung werde sein Lieblingsverfahren, mit Argusaugen werde er verfolgen, ob er sich nichts mehr zuschulden kommen lässt

.

Mittwoch, 26. August 2015

Mafia - Ein Staatsanwalt will aufräumen

von Julius Müller-Meiningen
                                          
Ein sizilianischer Anti-Mafia Staatsanwalt soll die von Korruption und Verbrechen zersetzte italienische Hauptstadt auf Vordermann bringen. Eine unmögliche Aufgabe? Rom, sagen manche, ist heute gefährlicher als Palermo.



Alfonso Sabella (52) sitzt in seinem Büro im Senatoren-Palast auf dem Kapitol und raucht eine Zigarette nach der anderen. Neben der Zigarettenschachtel liegt eine Maxi-Packung mit Kopfwehtabletten. Es ist drückend heiß in der Stadt und Sabellas Aufgabe im römischen Rathaus übermenschlich.

Der Beamte soll die 50 000 Mitarbeiter umfassende Verwaltung Roms zu einer nach rechtsstaatlichen Maßstäben funktionierenden Behörde umbauen. Davon kann heute nicht die Rede sein. „Die Verwaltung Roms ist seit Jahrzehnten korrupt“, sagt Sabella.

Das ist das eine Problem. Das andere war vor ein paar Tagen sichtbar, als der wegen Prostitution, Drogenhandel und Erpressung berüchtigte Clan der Casamonica einen seiner Chefs mit einem pompösen Begräbnis zu Grabe trug, das dem Set eines Mafia-Films glich. Auf an der Kirchenwand im Viertel Tuscolano angebrachten Transparenten wurde der verstorbene Vittorio Casamonica als Herrscher über Himmel und Erde und als „König von Rom“ gefeiert.

Auf die Frage, warum in einer europäischen Hauptstadt ein solches von Ganoventum strotzendes Begräbnis vor aller Augen stattfinden kann, hat Sabella nur eine Antwort: „Den Römern ist die Legalität seit jeher scheißegal.“




Über Hundert Mafiosi hat Sabella als Staatsanwalt gejagt und einsperren lassen, darunter Bosse wie Giovanni Brusca und Leoluca Bagarella. Jetzt soll der Sizilianer in Rom aufräumen. Die Mafia, sagen Leute, die sich auskennen, sei heute in Rom gefährlicher als in Palermo. An diesem Donnerstag berät die Regierung

Der Anruf von Bürgermeister Ignazio Marino kam nicht zufällig kurz vor Weihnachten. In Rom war ein Mafia-Netzwerk aufgeflogen, bei dem die Fäden der organisierten Kriminalität in der Stadt zusammenliefen und das Unternehmer, Funktionäre der Verwaltung und Politiker auf seiner Gehaltsliste hatte. Das bestätigte, was viele ahnten: Weite Teile des Geschäftslebens der Hauptstadt sind von Korruption und Verbrechen zersetzt.




Die vom Ex-Terroristen Massimo Carminati koordinierte Hauptstadt-Mafia schmierte über Jahre und Parteigrenzen hinweg Politiker und Funktionäre, die teilweise Monatsgehälter für ihre Dienste erhielten. Auch der Casamonica-Clan profitierte von der Machtaufteilung. Bis heute wurden knapp 80 Verdächtige verhaftet, im November soll der Prozess beginnen.

Die juristische Aufarbeitung der Affäre wäre aber nur halb so viel wert, würde die Stadt jetzt nicht auch von innen her gesäubert. Das ist Sabellas Job. „Eigentlich dürfte es mein Amt gar nicht geben“, sagt er. „Das ist ja etwa so wie ein Referat für gute Manieren.“ Der Sizilianer soll die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen unterstützen, die Vetternwirtschaft vieler Verwaltungsmitarbeiter aufdecken, öffentliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren kontrollieren und neue Regeln für die Verwaltung entwerfen. Gleich nach Amtsbeginn im Dezember 2014 sorgte Sabella dafür, dass auf der Homepage der Stadt alle aktuellen Auftragsverfahren für jeden abrufbar und transparent sichtbar sind.




Verwaltungsmitarbeiter können heute per Intranet verdächtige Vorgänge anzeigen. Sabella ließ bereits über 50 irreguläre Vergabeverfahren stoppen. „Wir haben das Krebsgeschwür eingedämmt“, sagt er. Sabella will weitermachen, auch wenn es schwer wird. „Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, stören diejenigen, die bisher in Ruhe ihre Geschäfte machen konnten“, sagt der Mafia-Jäger. Manchmal nimmt er seine Pistole mit ins Rathaus. Er hat als Staatsanwalt einen Waffenschein.

 .

Dienstag, 25. August 2015

Die Mafia - stärker als jemals zuvor

In Italien ist inzwischen ein nie dagewesenes Niveau der Verflechtung und Unterwanderung erreicht, warnt der Anti-Mafia-Aktivist Luigi Ciotti. Die organisierte Kriminalität trete wieder selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf.


Pfarrer Luigi Ciotti


Die Mafia in Italien ist nach den Worten des Turiner Priesters und Anti-Mafia-Aktivisten Luigi Ciotti stärker denn je. In der aktuellen Wirtschaftskrise hätten die finanzstarken Clans enorm an Einfluss gewonnen, sagte Ciotti der „Welt“ (Dienstag). „Wir haben heute ein nie dagewesenes Niveau der Verflechtung und Unterwanderung erreicht“, so der Gründer des Netzwerks „Libera“, unter dessen Dach sich mehr als 1.600 Bürgergruppen und Geistliche im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zusammengeschlossen haben.

Vor wenigen Tagen sorgte die pompöse Beisetzungsfeier für einen römischen Mafia-Boss für Schlagzeilen in Italien. Die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ kritisierte die Zeremonie in scharfer Form, bei der der Sarg des verstorbenen Vittorio Casamonica in einer sechsspännigen Kutsche transportiert worden war und eine Kapelle die Musik aus dem Hollywood-Epos „Der Pate“ intonierte.

Das Bistum Rom bekräftigte, es sei zuvor nicht über die skandalöse Beerdigungsfeier in einer Gemeinde im Osten der Stadt informiert worden. Nur der Pfarrer habe vorher von der Beerdigung gewusst. Kardinalvikar Agostino Vallini hatte den Geistlichen zu einem persönlichen Gespräch einbestellt.



Ciotti nahm dagegen seinen Amtsbruder in dem Gespräch mit der „Welt“ in Schutz. Der Pfarrer sei überrumpelt worden. „Er kannte die Familie nicht gut genug und hat nur nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt: Er hat die Türen seiner Kirche geöffnet, eine Messe zelebriert.“ Der Seelsorger trage keine Verantwortung „für das, was draußen passiert ist. Draußen war der Teufel los.“

Die Feier nannte Ciotti einen „Akt der Arroganz“. Der Casamonica-Clan, dem schätzungsweise 1.000 Mitglieder angehören und gegen den seit Jahren wegen illegaler Geschäfte ermittel wird, habe den Anlass genutzt, „um Potenz und Macht zu zeigen, ein Hoheitsgebiet abzustecken und sich gesellschaftliche Legitimation zu verschaffen“.

Der Vorfall zeige, wie selbstbewusst die organisierte Kriminalität derzeit wieder auftrete. Einmal mehr bestätige sich die Grundregel: „Die Mafia ist stark, wenn die Politik schwach und die Demokratie blass ist.“ Gegen diesen Trend müsse sich die ganze Gesellschaft zur Wehr setzen. „Wir brauchen Bewusstsein, Verantwortung und Mut zum persönlichen Engagement und dürfen das nicht alles an Institutionen, Ermittler, Politiker, Sicherheitskräfte delegieren.“

.

Sonntag, 23. August 2015

Die Schweiz jagt jetzt den Mafia-Boss der Bosse

Die Schweiz arbeitet mit Italien bei den Ermittlungen gegen den Cosa-Nostra-Boss Matteo Messina Denaro zusammen. Der Chef der sizilianischen Mafia, der vor zwei Jahrzehnten untergetaucht war, soll Millionen auf Schweizer Konten versteckt haben.
Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigte eine entsprechende Meldung der "Sonntagszeitung". Die BA führe "in diesem Kontext ein eigenes Strafverfahren", teilte Sprecherin Walburga Bur am Sonntag mit.


Matteo Messina Denaro - der Unsichtbare


Dabei arbeite man im Rahmen der Rechtshilfe mit der Anti-Mafia-Behörde von Palermo in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe. Die BA habe Bankunterlagen editiert sowie zwei Hausdurchsuchungen und Einvernahmen durchgeführt.

Der 1993 untergetauchte Denaro gilt als Nachfolger der lebenslang einsitzenden "Paten" Toto Riina und Bernardo Provenzano. Die letzten bekannten Fotos von ihm stammen aus den frühen 90er Jahren.

Auf dem Höhepunkt seiner Mafia-Karriere hatte er den Ruf eines Frauenhelden und Protzes, der seine rund 900 Gangmitglieder fest im Griff hatte. Denaro werden über 50 Morde zur Last gelegt. Berichten zufolge soll er einmal damit angegeben haben, mit seinen Opfern einen ganzen Friedhof füllen zu können.

In den vergangenen Monaten haben die italienischen Ermittler ihre Bemühungen verstärkt, um Denaro zu schnappen und dessen Netzwerk und Finanzströme offenzulegen. In mehreren Razzien wurden Gelder und Güter im Millionenwert beschlagnahmt und mehrere Verwandte und Helfer Denaros sowie mit ihm verstrickte Unternehmer verhaftet.

.

Die Mafia triumphiert in Rom

Jörg Bremer / FAZ / Rom

Die Staatsanwaltschaft in Rom wirft der Familie Casamonica vor, sich im Menschenhandel, der Prostitution und dem Rauschgifthandel verdingt zu haben. Die prunkvolle öffentliche Beerdigung des Familienoberhauptes Vittorio Casamonica in Rom bleibt deshalb nicht ohne Folgen



Die Carabinieri lassen ein Gespräch mit den beiden Männern vom römischen Mafia-Clan der Casamonica nicht zu. Kaum haben die zwei Verwandten des am Donnerstag so prunkvoll in der Basilika San Giovanni Bosco betrauerten Vittorio Casamonica das Gartentor zur Villa ihres verstorbenen „Königs von Rom“ einen Spalt weit geöffnet und ein paar Sätze mit dem Reporter ausgetauscht, da schreiten die Uniformierten ein und fordern die beiden auf, das Tor wieder zu schließen.

Die Carabinieri sagen, einer der beiden Männer sei Vittorios Sohn Antonio. Er stehe unter Hausarrest und dürfe keinen Kontakt nach draußen haben. Seltsam: Denn Antonio hatte am Donnerstag zur Teilnahme am triumphalen Trauerzug zu Ehren seines Vaters mit sechsspänniger Droschke und Rolls-Royce die Genehmigung, das Haus zu verlassen, und von der Villa bis zur Kirche konnte ganz Rom ihn und seine Familie sehen und sprechen.

Seitdem müssen sich Polizei, Verwaltung und Kirche gegen den Vorwurf verteidigen, sie wollten nicht wahrhaben, dass die „Mafia Capitale“, die für städtische Aufträge zum Bau von Asylheimen und Straßen Lokalpolitiker und städtische Angestellte bestach, weiter lebt – trotz der Festnahmen im November, trotz des Prozesses gegen ihre Anführer und der Entlassung vieler Amtsträger.

Aber so wie diese Villa des verstorbenen Mafiabosses auf der Grenze zwischen zwei Distrikten in der Provinz Rom liegt, wodurch sich die Polizisten des einen und des anderen stets absprechen müssen, bevor sie handeln, so arbeitet auch der Clan auf einer Grenze, nämlich zwischen Recht und Unrecht. Offenbar fällt es der Staatsanwaltschaft darum schwer, dem Verbrechen auf die Spur zu kommen.




So kann Antonio Casamonica dem Reporter mit Unschuldsaugen sagen: „Mein Vater hat sich von seinen Anfängen als Händler in den Abruzzen mühsam in Rom hochgearbeitet. Er hat bald diese und bald jene Arbeit getan, und dabei stets an die Ärmeren von uns gedacht und ihnen geholfen. Deswegen ist er für uns der König von Rom.“



König von Rom“ und Schwerverbrecher

Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft den Casamonicas und sechs weiteren Clans in Latium schwere Verbrechen vor: Menschenhandel, Prostitution, Rauschgifthandel, Wucherei und Betrug sowie eben Bestechung, um öffentliche Aufträge zu bekommen. Der „König von Rom“ soll nie zu einer längeren Haftstrafe verurteilt gewesen sein, aber viele Familienmitglieder mussten ins Gefängnis – oder werden juristisch verfolgt wie eben Sohn Antonio und ein Neffe, der in Untersuchungshaft sitzt. Vittorio machte sich offenbar selten die Hände schmutzig; er nahm lieber als „ehrenwerter Bürger“ an den Abendessen teil, bei denen die Bauaufträge der Politik an die Wirtschaft verschoben wurden.




So zeigt ihn ein Foto mit Lokalpolitikern. Vittorio wurde mit seinen Geschäften reich. Das Interieur einer seiner gut 20 Villen sieht so aus: Die Halle wird von schweren Alabastersäulen und dorischen Kapitellen getragen. Der Boden ist aus Marmor, die Armaturen in den Badezimmern aus Gold.


Samstag, 22. August 2015

Ex-Mafioso schweigt vor Stuttgarter Gericht

George Stavrakis, 22.08.2015 06:00 Uhr

Vor dem Landgericht Stuttgart steht ein Mann, der mit seinem Familienclan die Region Stuttgart vor 20 Jahren in Angst und Schrecken versetzt haben soll. Die Gruppe hatte Eisdielenbesitzer, Reifenhändler und Pizzeriabetreiber bedroht.
Das hat sich der 43 Jahre alte Enrico M. wohl anders vorgestellt. Nach 20 Jahren bürgerlichen Lebens in Süditalien war er nach Stuttgart zurückgekehrt, um mithilfe seines Anwalts Hans Bense eine alte Sache in Ordnung zu bringen.



Die Staatsanwaltschaft nennt die alte Sache aus den Jahren 1994 und 1995 gemeinschaftliche räuberische Erpressung und versuchten Menschenraub. Enrico M. soll aktives Mitglied eines damals in Stuttgart und Umgebung gefürchteten Mafia-Clans gewesen sein. Der 43-Jährige wanderte, nachdem er bei den Ermittlungsbehörden vorstellig geworden war, sofort in U-Haft. Inzwischen steht er vor der 16. Strafkammer des Landgerichts.

Der Clan hatte Eisdielenbesitzer, Reifenhändler und Pizzeriabetreiber bedroht, ihnen Schutzgeld abgepresst und sie zur Übernahme von Bürgschaften gezwungen. „Die Leute hatten Angst“, sagt beispielsweise ein Beamter des Landeskriminalamts (LKA), der damals die Ermittlungen gegen die Familie M. leitete und der jetzt als Zeuge geladen ist. Der Clan, geführt vom Vater Francesco, den man Ciccarone nannte, und von seinem Sohn Don Aniello, sei als sehr gewalttätig bekannt gewesen, so der LKA-Beamte. Als Deckmantel habe der Familie M. und ihren Helfern ein Import-Export-Geschäft in Feuerbach gedient.

Und Enrico M.? „Er hat aktiv an den Erpressungen mitgewirkt“, sagt der LKA-Mann unumwunden. Das hätten unter anderem die Telefonüberwachungen ergeben, die man von 1994 bis 1996 gemacht habe. Der 43-Jährige weist das von sich. Er macht zwar im Prozess bis dato keine Angaben. Doch Verteidiger Bense sagt, sein Mandant räume nichts ein.


Deal geplatzt – Staatsanwältin lehnt ab

Trotzdem treffen sich die Mitglieder der Strafkammer, die Staatsanwältin und der Verteidiger zu einem Rechtsgespräch. Bense bietet ein Teilgeständnis an und will dafür eine Bewährungsstrafe für Enrico M. Schließlich seien die Vorwürfe schon 20 Jahre alt. Die Staatsanwältin lehnt ab. Sie stellt sich eine deutlich höhere Strafe vor. Und die Richter können sich bei einem weitergehenden Geständnis drei Jahre Gefängnis vorstellen. Der Deal scheitert, es muss weiterverhandelt werden.




Das könnte interessant werden. Beim Prozess gegen Francesco und Aniello M. hatten sich Opfer geweigert auszusagen. Ein Zeuge nässte sich aus Angst vor Gericht ein. Trotzdem wurde Francesco M. zu dreieinhalb Jahren verurteilt. Sohn Aniello wurde gar mit zwölf Jahren Gefängnis belegt.

Der Clan soll 1994 einem Geschäftsmann in Bietigheim mit dem Tod gedroht haben, um vom ihm Waren im Wert von 40 000 Euro zu bekommen. Gehorche er nicht, werde er in eine Badewanne mit Säure gelegt – „damit kein Knochen übrig bleibt.“ Eiscafé-Betreiber sollten Schutzgeld bezahlen. Um den Forderungen Nachdruck zu verschaffen, wurde vor einer Eisdiele ein Brandsatz gezündet, in ein anderes wurde hineingeschossen. Der Prozess wird fortgesetzt.

.