Samstag, 14. Dezember 2013

So viel Mafia steckt in Hamburg

"Lagebericht Organisierte Kriminalität 2012": Die 21-seitige Abhandlung der Hamburger Polizei hat einen trockenen Titel. Doch die Akte hat es in sich: Bei den 30 Fällen, die den Zeitraum 2010 bis 2012 umfassen, geht es um Messerattacken unter Rockern, Schießereien im Rotlicht-Milieu, weltweit operierende Großdealer oder die italienische Camorra. Die internationalen Ermittlungen dauerten oft Jahre. Hier die spannendsten Fälle der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK).


Vor der Barmbeker "Chill inlounge" liegt einer der niedergeschossenen Männer. Er erliegt später seinen Verletzungen.



Zwei Tote – Bilanz der schlimmsten Schießerei der letzten Jahre in Hamburg. Im August 2011 betreten zwei muskelbepackte Männer (25 und 32) die "Chill inlounge" an der Hamburger Straße. Die Männer erpressen den 32-jährigen Wirt, fordern von ihm ein "Strafgeld". Angeblich hatte er die Ehre der Frau des 25-Jährigen verletzt. Auf der Straße eskaliert die Situation. Der Wirt feuert mehrfach auf die beiden Männer, trifft sie fünf Mal.
Bei Durchsuchungen in Wohnungen von weiteren Erpressern aus dem Rotlichtmilieu finden Beamte eine scharfe Pistole und drei Magazine für eine Maschinenpistole.
Das Landgericht Hamburg spricht den Todesschützen im Fall des erschossenen 25-Jährigen frei und entscheidet auf Notwehr. Für die Tötung des 32-Jährigen wird der Gastwirt zu sechs Jahren wegen Totschlags und illegalen Waffenbesitzes verurteilt.

Hells Angels attackieren ihre Rivalen

In einer Novembernacht 2012 treffen zufällig Angehörige der verfeindeten Rockerbanden Hells Angels und Bandidos im Lokal "Zzzischer" an der Sillemstraße (Eimsbüttel) aufeinander. Vor der Kneipe stechen Höllenengel des Charters "North End" (Alveslohe) auf die Bandidos aus Berlin mit Faustmessern ein. Ein Bandido erleidet schwere Verletzungen. Da das Opfer und alle Zeugen schweigen, kann niemand verurteilt werden.
Am Rückersweg (Hamm) feuern im Mai 2010 zwei Männer (20 und 29) aus dem Umfeld der Hells Angels aus einem Mercedes-Geländewagen heraus mehrfach auf zwei andere Personen aus dem Rotlicht-Milieu, verfehlen sie nur knapp. Anzeigen gibt es nicht, nur zufällig erfährt die Kripo von der Tat. Der 20-Jährige bekommt wegen versuchten Totschlags sieben Jahre Haft.

LKA-Chef Thomas Menzel mit sichergestelltem Kokain.



1,3 Tonnen Koks für 40 Millionen Euro

Mehr als 1,3 Tonnen Kokain im Wert von 40 Millionen Euro – es ist die größte jemals in Deutschland entdeckte Menge Kokain. Geschmuggelt hat sie 2010 eine Bande nach Hamburg. Versteckt ist die Droge in Holzbriketts. Diese wurden in Paraguay hergestellt und in Handarbeit mit dem Kokain gefüllt. Zuvor hatten die Täter immer wieder ungefüllte Holzbriketts containerweise über Speditionen nach Hamburg geschickt. So wollten sie testen, wie genau die Ladungen aus Südamerika kontrolliert werden. Die Holzbriketts entsorgten die Täter dann in den Niederlanden.
Nach sechs Containern ohne Koks schicken die Dealer schließlich die 1,3-Tonnen-Kokain-Lieferung auf die Reise. Am 12. April finden Drogenfahnder die 1244 Kokain-Pakete im Hamburger Hafen. 19 Wohnungen in verschiedenen Bundesländern werden durchsucht. Dabei entdecken die Beamten 450000 Euro Bargeld, beschlagnahmen Rolex-Uhren und drei Mercedes-Fahrzeuge. Die Haupttäter, ein Deutscher türkischer Herkunft (31) und ein Mann aus Paraguay (35), werden zu zwölf beziehungsweise elf Jahren Haft verurteilt.

Eine Waffe der Täter.


Seit Donnerstag steht ein weiterer mutmaßlicher Kokain-Dealer vor dem Hamburger Landgericht. Der Paraguayer (53) soll eine Drogen-Lieferung geplant und überwacht und Geld in seine Heimat geschafft haben. Das Urteil wird im März 2014 erwartet.

Scheinehen und Menschenhändler

Zwischen 2010 und 2012 ermitteln die OK-Fahnder gegen Menschenhändler aus Ägypten und Deutschland. Die Bande hatte Ägyptern durch Schmiergeldzahlungen in Höhe von je 15000 Euro Visa für Deutschland verschafft. Den Männern wurden dafür Scheinehen mit Frauen aus Portugal vermittelt. Diese bekamen dafür 3000 bis 5000 Euro. So erhielten die Ägypter einen legalen EU-Aufenthaltstitel.
2011 durchsucht die Polizei im Raum Hamburg diverse Wohnungen, stellt Vermögenswerte der Schleuser im Wert von 168000 Euro sicher. 2012 gibt es weitere Razzien, die Beschuldigten können schließlich überführt und ausgewiesen werden.

Camorra macht sich in Hamburg breit

Gefälschte Weine weltbekannter Güter, Plagiate von Kettensägen und Bohrmaschinen sowie Billig-Lederjacken haben Angehörige eines Camorra-Clans im "Angebot". 2009 tauchen die Waren erstmals in Hamburg auf. Die Billig-Produkte stammen aus Clan-eigenen Firmen aus dem Raum Neapel. Die Täter reisen mit den Falsifikaten im Gepäck von Italien gezielt nach Hamburg, versuchen die Billig-Waren hier abzusetzen.
2010 schlägt die Polizei zu, stürmt italienische Lokale und Wohnungen unter anderem in Barmbek. Die OK-Fahnder können hier einen Camorra-Mann verhaften, der in Italien wegen schwerer Erpressungen gesucht wird. Die Hamburger Ermittler arbeiten beim Verfahren eng mit italienischen Anti-Mafia-Fahndern zusammen.
Schließlich vollstrecken die Beamten in Hamburg sechs Haftbefehle und 16 Durchsuchungsbeschlüsse. Vorm Landgericht gibt es dann aber eher milde Urteile für die "Camorristi". Der Haupttäter bekommt zwei Jahre und sechs Monate Knast, fünf weitere Männer werden zu Bewährungsstrafen verurteilt
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