Stuttgart/Pforzheim. In keinem Land leben so viele
Mafiosi wie in Baden-Württemberg auch in Pforzheim und dem Enzkreis. Bei
den Ermittlungen ist die Polizei auf Tipps aus der Bevölkerung angewiesen. Die
gibt es aber nur äußerst selten.
Baden-Württemberg ist bei Mafia-Angehörigen besonders
beliebt. Von bundesweit rund 450 mutmaßlichen Personen mit Bezügen zur
italienischen organisierten Kriminalität lebten etwa 150 im Südwesten, wie
Sigurd Jäger vom Landeskriminalamt am Mittwoch in Stuttgart mitteilte. Das
Bundesland sei sowohl Rückzugs- als auch Betätigungsfeld für die verschiedenen
Organisationen.
Hier im Land gebe es eine starke italienische
Gemeinschaft. Rund ein Viertel der italienischen Bevölkerung in Deutschland
lebe im Südwesten.
Camorra, 'Ndrangheta und die Cosa Nostra seien
beispielsweise im Bereich Waffen- und Rauschgiftkriminalität aktiv. Aktivitäten
gebe es auch beim Thema Betrug und Falschgeld. Jäger beklagte, dass die hier
lebenden Italiener nur äußerst selten mit der Polizei kooperierten. Im
vergangenen Jahr habe es einen leichten Rückgang im Bereich der gesamten
Organisierten Kriminalität gegeben. Aber die Fälle im Bereich mit italienischen
Bezügen hätten leicht zugenommen. Konkrete Zahlen nannte Jäger nicht. LKA-Ermittler
Jäger sprach von «einem guten Informationsaustausch». Seriösen Schätzungen
zufolge erwirtschafte die sizilianische Mafia weltweit 50 Milliarden Euro im
Jahr. Das so illegale Geld werde normal investiert.
Die italienische Mafia mischt vor allem in
Nordrhein-Westfalens Baugewerbe kräftig mit. Die vertrauliche Analyse des dortigen
Landeskriminalamts liegt einem Rechercheverbund aus «Spiegel», WDR und
Funke-Mediengruppe vor. Süditaliener mit Bezügen zur Cosa Nostra würden an
Rhein und Ruhr weiterhin Schwarzarbeiterkolonnen steuern.
Der Chef des Landeskriminalamts Baden-Württemberg,
Dieter Schneider, brachte eine Verschärfung der Gesetze ins Spiel. «Die Politik
muss sich sicherlich überlegen, ob Strafrecht und Strafprozessrecht ausreichend
sind, um wirksamer gegen die Mafia vorzugehen.» Die schlichte Zugehörigkeit zu
einer mafiösen Vereinigung stellt in Baden-Württemberg laut Schneider keinen
Straftatbestand dar - im Gegensatz zum italienischen Recht.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion,
Thomas Blenke, sagte, der Südwesten dürfe als wirtschaftsstarkes Land nicht
weiter Zielscheibe mafiöser Strukturen und schwerer Kriminalität sein. «Diesen
Sumpf darf der Innenminister nicht weiter dulden, sondern muss ihn zügig
trockenlegen.»
Auch in der Region finden immer wieder Mitglieder der
Mafia Unterschlupf, in mindestens einem Fall begingen sie auch Straftaten. So
berichtet Polizei-Sprecher Reinhold Seene von dem Erfolg der Ermittlungsgruppe
„Generator“, der Ende 2009 in der Karlsruher Südstadt ein Schlag gegen
Marken-Piraterie gelang. Mitglieder der Mafia-Organisation „Camorra“ hatten in
Nordbaden gefälschte Stromaggregate und Kettensägen für das 20- bis 40-fache
ihres Werts verkauft.
Aufsehen erregte 1995 die Festnahme eines 25-jährigen
Mafioso und achtfachen Mörders auf dem Buckenberg. Inzwischen hat er nach Informationen
des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ seine 18-jährige Haftstrafe abgesessen und
gegen die Mafia-Organisation „Cosa Nostra“ ausgesagt. Da diese ihn nun
verfolgt, soll er in Deutschland untergetaucht sein.
Wo die Mafia in Deutschland derzeit besonders aktiv
ist, „lässt sich nicht genau lokalisieren, wenn es nicht gerade
Strukturermittlungen gibt“, sagt der Karlsruher Polizei-Sprecher Seene. Und da
gäbe es in der Region derzeit „nichts Berichtenswertes“.
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