Kassra
Z. wird in sein altes Leben nicht zurückkehren können: Der Rocker packt über
die Machenschaften der Hells Angels in Berlin aus. Das Leiden einer Mutter,
gezeigt von SPIEGEL TV, gab ihm den entscheidenden Anstoß.
Für die Hells Angels ist
Kassra Z. ein Verräter, den man umlegen sollte. Der in Hamburg geborene
27-Jährige, in der Szene "Der Perser" genannt, packt seit über zwei
Wochen gegenüber Berliner Ermittlern aus. Hochverrat in den Augen der
Rockergang. A.C.A.B., "All cops are bastards" gilt bei
Outlaw-Motorcyclegangs weltweit als eines der feststehenden unabänderlichen
Gesetze.
Was Kassra Z. erzählt,
ist mehr als brisant. Für die Staatsanwaltschaft ist er eine Art Sechser im
Lotto. Über das Innenleben der Gang hat in der Hauptstadt noch nie jemand so
detailliert berichtet. Es geht unter anderem um zwei Tötungsdelikte, einen
versuchten Mord, eine Schießerei und einen Handgranatenanschlag. Dazu Details
über das Clubleben, Anabolika- und Drogenhandel. Was Hells Angels eben in der
Hauptstadt offenbar so treiben, wenn die Nacht lang ist.
Bonbons
und Obst für den Kronzeugen
"Der
ist total entspannt, der weiß genau, was er macht", berichtet einer der beteiligten
Strafverfolger. Zu den Vernehmungen wird Kassra Z., 1,80 Meter groß, kräftig
und durchtrainiert, schon mal mit schusssicherer Weste gebracht. Über seinen
derzeitigen Aufenthaltsort wird beim LKA eisern geschwiegen.
Die
Hells Angels sind sich sicher, dass er in der JVA Heidering in der Nähe von
Großbeeren sitzt. Der Knast in Brandenburg, Baujahr 2013, ist nur halb voll,
ein Sondertrakt steht für Leute wie den "Perser" zur Verfügung.
Bonbons und Obst werden bei den Befragungen gereicht. Die Befragungen sind
immer von 9 bis 17 Uhr. Zwei Vernehmer reden mit Kassra Z. Zum Mittag gibt es
Falafel.
JVA Heidering |
Kassra
Z. soll es schließlich gut gehen, der Vertraute von Rockerboss Kadir Padir hat
viel zu berichten. Laut dem LKA, das sogar eine eigene Truppe für den Zeugenschutz
hat, gilt für Kassra Z. die höchste Sicherheitsstufe. Als feststand, dass er
redet und es einen Deal geben wird, holte das Mobile Einsatzkommando erstmal
eines seiner "Mädchen" aus dem Bordell "Artemis". Sicher
ist sicher.
Letztendlich
ausschlaggebend für seinen Abschied von den Angels war ein Beitrag von SPIEGEL
TV, so berichtet es ein Verfahrensbeteiligter, und so steht es auch in den
Ermittlungsakten. In einem Beitrag des Magazins auf RTL ging es um den Mord an Tahir Özbek. Der Mann war einem Anschlag der Hells Angels zum Opfer
gefallen.
Am 10. Januar stürmten 13 Hells Angels das Café Expect in Berlin-Reinickendorf, ein Schütze feuerte ohne Vorwarnung achtmal auf den 26-jährigen Özbek. Die ganze Aktion dauerte 25 Sekunden, die Täter konnten flüchten.
Tahir Özbek |
Am 10. Januar stürmten 13 Hells Angels das Café Expect in Berlin-Reinickendorf, ein Schütze feuerte ohne Vorwarnung achtmal auf den 26-jährigen Özbek. Die ganze Aktion dauerte 25 Sekunden, die Täter konnten flüchten.
Schon
kurz nach dem Mord verhaftete die Polizei etliche Rocker, unter ihnen Kassra Z.
Über den Fall sendete SPIEGEL TV drei Beiträge. In der Untersuchungshaft sieht
der "Perser" einen SPIEGEL TV Beitrag, in dem die Mutter des
Mordopfers von ihrem Schmerz und ihrer Trauer berichtet.
Es
geht um Rache
Sein
Anwalt Steffen J. Tzschoppe äußerte sich erstmals zu dem Fall. SPIEGEL ONLINE
sagte er: "Für meinen Mandanten war der Film der letzte Anstoß zu reden.
Was die Mutter sagte, wie sie litt, hat meinen Mandanten sehr betroffen
gemacht." Am 18. März ging der Anwalt zur Staatsanwaltschaft und meldete
die Aussagebereitschaft seines Mandanten.
Aufgrund
der Aussagen von Kassra Z. wurden am vergangenen Dienstag zwei Männer festgenommen. Ein weiterer Tatverdächtiger stellte sich am Mittag der
Mordkommission. Als erster wird Rene P. verhaftet. Am frühen Dienstagmorgen -
um exakt 6.38 Uhr - drang das Spezialeinsatzkommando ins Vereinsheim der Hells
Angels in der Meteorstraße ein. Ehe der fast kahlrasierte und tätowierte
Rocker, dem der Schreck anzusehen war, groß reagieren konnte, war er von den
Elitepolizisten schon fixiert. Auch die Festnahme des zweiten Rockers lief ohne
Probleme ab.
Die
drei Tatverdächtigen sind nicht etwa kleine Supporter, also Mitglieder eines
Unterstützerclubs, sondern Mitglieder der Hells Angels, die damit ihrem Ruf als
kriminelle Vereinigung wieder einmal alle Ehre machen. Allen wird ein tödlicher
Anschlag am 1. September 2013 zur Last gelegt.
An jenem
Tag wurde der 39-jährige Türsteher Sebastian K. vor dem Berliner Soda-Club in
der Kulturbrauerei attackiert. Zwei Kugeln trafen ihn, er starb im Krankenhaus.
Die Ermittler hatten schon bald nach der Tat Rocker der Hells-Angels-Unterstützergruppe
Red Devils im Visier. Es ging, wie oft im kriminellen Rockermilieu, um
verletzte Ehre und Rache. Die Biker durften wohl zuvor nicht in den Club,
wurden von den Sicherheitsleuten abgewiesen.
Einer der Tatbeteiligten
prahlte gegenüber dem Kronzeugen Kassra Z. mit dem Anschlag, wie SPIEGEL TV aus
Ermittlerkreisen erfuhr. Demnach lungerten Rene P. und der "Perser"
im Bordell "Artemis" rum, als P. von der Tat berichtetet. Er war
sichtlich stolz und freute sich schon auf ein neues Tattoo, genauer auf ein
"Filthy Few". Das ist eine Art Orden, den sich die Rocker auch
wahlweise auf die Kutte nähen können, wenn sie jemand umgebracht haben.
Nach
den Aussagen von Kassra Z. lösten sich gleich vier Hells-Angels-Charter in
Berlin auf. Wahrscheinlich nur ein Ablenkungsmanöver, denn vor dem Vereinsheim
"Sahara" der Rocker lungerten am Donnerstag wieder ein gutes Dutzend
Rocker.
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