Sonntag, 6. April 2014

Hells Angel - Der Perser packt aus

Kassra Z. wird in sein altes Leben nicht zurückkehren können: Der Rocker packt über die Machenschaften der Hells Angels in Berlin aus. Das Leiden einer Mutter, gezeigt von SPIEGEL TV, gab ihm den entscheidenden Anstoß.




Für die Hells Angels ist Kassra Z. ein Verräter, den man umlegen sollte. Der in Hamburg geborene 27-Jährige, in der Szene "Der Perser" genannt, packt seit über zwei Wochen gegenüber Berliner Ermittlern aus. Hochverrat in den Augen der Rockergang. A.C.A.B., "All cops are bastards" gilt bei Outlaw-Motorcyclegangs weltweit als eines der feststehenden unabänderlichen Gesetze.




Was Kassra Z. erzählt, ist mehr als brisant. Für die Staatsanwaltschaft ist er eine Art Sechser im Lotto. Über das Innenleben der Gang hat in der Hauptstadt noch nie jemand so detailliert berichtet. Es geht unter anderem um zwei Tötungsdelikte, einen versuchten Mord, eine Schießerei und einen Handgranatenanschlag. Dazu Details über das Clubleben, Anabolika- und Drogenhandel. Was Hells Angels eben in der Hauptstadt offenbar so treiben, wenn die Nacht lang ist.


Bonbons und Obst für den Kronzeugen

"Der ist total entspannt, der weiß genau, was er macht", berichtet einer der beteiligten Strafverfolger. Zu den Vernehmungen wird Kassra Z., 1,80 Meter groß, kräftig und durchtrainiert, schon mal mit schusssicherer Weste gebracht. Über seinen derzeitigen Aufenthaltsort wird beim LKA eisern geschwiegen.

Die Hells Angels sind sich sicher, dass er in der JVA Heidering in der Nähe von Großbeeren sitzt. Der Knast in Brandenburg, Baujahr 2013, ist nur halb voll, ein Sondertrakt steht für Leute wie den "Perser" zur Verfügung. Bonbons und Obst werden bei den Befragungen gereicht. Die Befragungen sind immer von 9 bis 17 Uhr. Zwei Vernehmer reden mit Kassra Z. Zum Mittag gibt es Falafel.


JVA Heidering


Kassra Z. soll es schließlich gut gehen, der Vertraute von Rockerboss Kadir Padir hat viel zu berichten. Laut dem LKA, das sogar eine eigene Truppe für den Zeugenschutz hat, gilt für Kassra Z. die höchste Sicherheitsstufe. Als feststand, dass er redet und es einen Deal geben wird, holte das Mobile Einsatzkommando erstmal eines seiner "Mädchen" aus dem Bordell "Artemis". Sicher ist sicher.

Letztendlich ausschlaggebend für seinen Abschied von den Angels war ein Beitrag von SPIEGEL TV, so berichtet es ein Verfahrensbeteiligter, und so steht es auch in den Ermittlungsakten. In einem Beitrag des Magazins auf RTL ging es um den Mord an Tahir Özbek. Der Mann war einem Anschlag der Hells Angels zum Opfer gefallen. 


Tahir Özbek


Am 10. Januar stürmten 13 Hells Angels das Café Expect in Berlin-Reinickendorf, ein Schütze feuerte ohne Vorwarnung achtmal auf den 26-jährigen Özbek. Die ganze Aktion dauerte 25 Sekunden, die Täter konnten flüchten.




Schon kurz nach dem Mord verhaftete die Polizei etliche Rocker, unter ihnen Kassra Z. Über den Fall sendete SPIEGEL TV drei Beiträge. In der Untersuchungshaft sieht der "Perser" einen SPIEGEL TV Beitrag, in dem die Mutter des Mordopfers von ihrem Schmerz und ihrer Trauer berichtet.


Es geht um Rache

Sein Anwalt Steffen J. Tzschoppe äußerte sich erstmals zu dem Fall. SPIEGEL ONLINE sagte er: "Für meinen Mandanten war der Film der letzte Anstoß zu reden. Was die Mutter sagte, wie sie litt, hat meinen Mandanten sehr betroffen gemacht." Am 18. März ging der Anwalt zur Staatsanwaltschaft und meldete die Aussagebereitschaft seines Mandanten.

Aufgrund der Aussagen von Kassra Z. wurden am vergangenen Dienstag zwei Männer festgenommen. Ein weiterer Tatverdächtiger stellte sich am Mittag der Mordkommission. Als erster wird Rene P. verhaftet. Am frühen Dienstagmorgen - um exakt 6.38 Uhr - drang das Spezialeinsatzkommando ins Vereinsheim der Hells Angels in der Meteorstraße ein. Ehe der fast kahlrasierte und tätowierte Rocker, dem der Schreck anzusehen war, groß reagieren konnte, war er von den Elitepolizisten schon fixiert. Auch die Festnahme des zweiten Rockers lief ohne Probleme ab.

Die drei Tatverdächtigen sind nicht etwa kleine Supporter, also Mitglieder eines Unterstützerclubs, sondern Mitglieder der Hells Angels, die damit ihrem Ruf als kriminelle Vereinigung wieder einmal alle Ehre machen. Allen wird ein tödlicher Anschlag am 1. September 2013 zur Last gelegt.

An jenem Tag wurde der 39-jährige Türsteher Sebastian K. vor dem Berliner Soda-Club in der Kulturbrauerei attackiert. Zwei Kugeln trafen ihn, er starb im Krankenhaus. Die Ermittler hatten schon bald nach der Tat Rocker der Hells-Angels-Unterstützergruppe Red Devils im Visier. Es ging, wie oft im kriminellen Rockermilieu, um verletzte Ehre und Rache. Die Biker durften wohl zuvor nicht in den Club, wurden von den Sicherheitsleuten abgewiesen.



Einer der Tatbeteiligten prahlte gegenüber dem Kronzeugen Kassra Z. mit dem Anschlag, wie SPIEGEL TV aus Ermittlerkreisen erfuhr. Demnach lungerten Rene P. und der "Perser" im Bordell "Artemis" rum, als P. von der Tat berichtetet. Er war sichtlich stolz und freute sich schon auf ein neues Tattoo, genauer auf ein "Filthy Few". Das ist eine Art Orden, den sich die Rocker auch wahlweise auf die Kutte nähen können, wenn sie jemand umgebracht haben.




Nach den Aussagen von Kassra Z. lösten sich gleich vier Hells-Angels-Charter in Berlin auf. Wahrscheinlich nur ein Ablenkungsmanöver, denn vor dem Vereinsheim "Sahara" der Rocker lungerten am Donnerstag wieder ein gutes Dutzend Rocker.
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen