Enrique Plancarte Solís, alias "Kike", ist
offenbar von mexikanischen Sicherheitskräften erschossen worden. Er ist der
zweite Boss der berüchtigten "Tempelritter", der getötet wurde. Das
Kartell muss langsam um seinen Führungsnachwuchs bangen.
Enrique Plancarte Solís, den alle nur "Kike"
nannten, fürchtete schon länger um sein Leben. Seit Wochen war er auf der
Flucht kreuz und quer durchs Land, die Sicherheitskräfte an seine Fersen
geheftet. Nur in seinem Heimatstaat Michoacán wähnte sich der 43-Jährige sicher,
nur in dem Bundesstaat an der Pazifikküste kannte er jeden Winkel und verfügte
über Netzwerke von Informanten und Freunden, die ihn vor seinen Häschern
schützen sollten.
Aber als Bürgerwehren und
Sicherheitskräfte in Michoacán Anfang des Jahres ihre Jagd auf die
"Tempelritter" begannen, verließ Plancarte - bis dahin einer von drei
Anführern der kriminellen Organisation - Michoacán und verschanzte sich in den
Bergen und Dörfern der angrenzenden Bundesstaaten.
Spätestens als sein Kumpel und Gründer der
"Tempelritter", Nazario Moreno, am 9. März von Soldaten getötet
wurde, wusste Plancarte, dass man auch ihm an den Kragen wollte. Die
mexikanische Regierung hatte umgerechnet eine halbe Million Euro auf seinen
Kopf ausgesetzt. Auch die USA suchten ihn, weil er laut ihren Ermittlungen
hauptverantwortlich war für die Herstellung und den Transport synthetischer
Drogen aus Michoacán in die Vereinigten Staaten.
Laut Angaben der Marine stellten
Eliteeinheiten Plancarte in der Ortschaft Colón im Bundesstaat Querétaro - und
erschossen ihn. Das Innenministerium nimmt gegenwärtig einen DNA-Abgleich vor
und will noch im Laufe des Tages bekanntgeben, ob es sich tatsächlich um die
Leiche von Plancarte handelt.
Handel
mit Drogen, Eisenerz und Organen
Nach
dem Tod von Nazario Moreno hatte Plancarte das Kartell gemeinsam mit Servando
Gómez Martínez alias "La Tuta" geführt. Nun ist Gómez der einzige
Boss, aber auch ihm, so heißt es, seien die Verfolger schon auf der Spur.
Die
"Caballeros Templarios", so ihr spanischer Name, sind ein regional
tätiges Kartell mit Operationsbasis in dem strategisch wichtigen Bundesstaat
Michoacán. Sie sind dort an Drogenhandel, Entführungen und illegalem Bergbau
beteiligt. Sie erpressen Schutzgelder von Limonen- und Avocado-Bauern und
exportieren illegal abgebautes oder erbeutetes Eisenerz an chinesische
Mafia-Gruppierungen, die ihnen im Gegenzug Grundstoffe für die Produktion
synthetischer Drogen liefern. Jüngst hieß es sogar, die
"Tempelritter" seien in den Organhandel verstrickt. Es gibt derzeit
kaum eine Gräueltat in Mexikos Westen, die nicht der Mafia angedichtet wird.
Die Templarios propagieren eine
pseudo-religiöse Ideologie, mit der sie sich als Schützer der Armen und
Entrechteten ausgeben. Verschiedentlich haben die Sicherheitskräfte bei den
Caballeros Umhänge mit roten Kreuzen und Schriften sichergestellt, die von den
mittelalterlichen Kreuzzügen inspiriert sind. Das Kartell bezeichnet seine
Verbrechen als "göttliche Strafen". Auf der anderen Seite setzt es
gnadenlos seine wirtschaftlichen Interessen mit Mord und Einschüchterung durch.
Zwei von drei Unternehmern und Landwirten in Michoacán müssen Schutzgeld an die
Mafia zahlen.
International bekannt wurden die
"Tempelritter", als sich Anfang des Jahres Anwohner in sogenannten
Bürgermilizen zusammenschlossen und gegen die Mafia zur Wehr setzten. Die
Bürgerwehren eroberten nach und nach Dörfer und Städte zurück, in denen die
"Tempelritter" und nicht der Staat die Ordnungsmacht waren.
Der Tod von zwei ihrer drei Anführer innerhalb von nur drei Wochen
könnte nun das Ende der Bande bedeuten. Ob dann Ruhe in Michoacán einziehen
wird, ist fraglich, denn inzwischen geraten auch die Bürgerwehren außer
Kontrolle, sind bis an die Zähne bewaffnet, bekämpfen sich gegenseitig und
wollen sich nur zum Teil dem staatlichen Gewaltmonopol unterwerfen.
Sicherheitsexperten warnen bereits, die Milizen könnten eine ähnlich kriminelle
Karriere einschlagen wie Ende der achtziger Jahre die Paramilitärs in
Kolumbien, die von Großgrundbesitzern zum Schutz gegen die Linksguerillas
gegründet wurden.
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