Die kalabresische Mafia schmuggelte
jahrelang Drogen von Bolivien nach Europa. Nun wurde der Ring in einer großen
Polizeiaktion gesprengt. Mittendrin steht eine Firma aus Allschwil.
Die Behörden nannten ihren Plan «Operation
Monte Pollino». So heißt ein 2248 Meter hoher Berg in einem 192'000 Hektaren
großen Nationalpark in Kalabrien. Der Name wurde von den Polizisten nicht
zufällig gewählt. Denn im Zentrum ihrer jahrelangen Ermittlungen stand die
'Ndrangheta, die kalabresische Mafia.
Am 20. März schlugen die Ermittler zu.
In einer gemeinsamen Aktion nahmen italienische und brasilianische Polizisten
einen internationalen Drogenring hoch, der mindestens zwei Tonnen Kokain von
Bolivien via Brasilien nach Europa schmuggelte. Hinter dem Handel stand ein
raffiniertes internationales Netzwerk, das sowohl mit der kalabrischen Mafia
'Ndrangheta im Bett lag, wie auch mit montenegrinischen Mafiosi.
Umschlag via Hafen in
Kalabrien
Insgesamt waren Polizeibehörden in neun
Ländern an der «Operation Monte Pollino» beteiligt. 44 Personen wurden
festgenommen - in Italien und Brasilien, aber auch in den Niederlanden, in
Montenegro, Peru, Portugal, Serbien und Spanien. Acht Kriminelle werden noch
gesucht.
Das Rauschgift wurde von Bolivien und
Peru über Paraguay auf dem Landweg in die brasilianische Stadt Santos
geschmuggelt, wo sich der größte Hafen Südamerikas befindet. Dort wurde
die illegale Ware dank bestochenen Hafenarbeitern in Containern mit legitimer
Fracht versteckt.
In Koffern und Rucksäcken verpackt,
wurden die Drogen dann nach Deutschland, Spanien und Belgien transferiert. Am
meisten Stoff landete aber im italienischen Hafen Gioia Taura in Kalabrien -
der Lieblingshafen der 'Ndrangheta. Am zweitmeisten wurde in den
portugiesischen Hafen Leixões verschickt.
Kauderwelsch per Blackberry
Die Täter kommunizierten bevorzugt mit der Chatfunktion ihres
Blackberry. Sie bedienten sie sich eines Codes aus verschiedenen Sprachen der
Gruppe (Spanisch, Italienisch, Serbisch, usw.). Die italienischen Ermittler
nennen es «spagnolo imbastardito». Nur im Extremfall nutzten die Gangster das
Telefon - und wenn, dann brauchten sie öffentliche, abgelegene Kabinen.
Clanchef Pipicello |
Clanchef Ietto |
Die Gruppe ging streng strukturiert vor, jeder hatte seine
Aufgabe. Als Drogen-Broker und Kopf des italienischen Zweigs fungierten
Pasquale Bifulco und seine rechte Hand Vito Francesco Zighini. Beide gehören zu
den 'Ndrangheta-Familien Cua, Ietto und Pipicella, die im 2000-Selendorf Careri
beheimatet sind. In einem Lagebericht der Carabinieri zur 'Ndrangheta vom Juni
2007 steht, dass dieser Clan seit jeher groß im Drogenhandel mitmischt und sich
inzwischen nicht mehr nur auf den Süden beschränkt. Die drei Familien haben
sich auch erfolgreich in den nordöstlich von Mailand gelegenen Gemeinden
Inveruno, Cuggiono und Castano Primo in der Lombardei eingenistet.
Auch in der Region Basel aktiv
Der 'Ndrangheta-Clan Cua, Ietto und Pipicella entfaltete auch in
der Schweiz Aktivitäten, was in der Öffentlichkeit bisher unbekannt
war. In Allschwil hatte die kalabrische Mafia eine Finanzchefin
eingesetzt: Maria de Fatima Stocker-da Silva. Die gebürtige Brasilianerin mit
Schweizer Pass wird heute von Interpol global gesucht. Die Baseler Kantonspolizei
wollte zu Fragen von Handelszeitung keine Stellung nehmen. Sie verwies auf die
Bundesbehörden (Fedpol). Dort klopften die italienischen Beamten offenbar auch
an. Pressesprecherin Jeanette Balmer: «Ich kann bestätigen, dass die
Bundesanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen aus Reggio Calabria vollzieht.»
Maria de Fatima Stocker-da Silva amtet in Allschwil bis heute
als Geschäftsführerin und Inhaberin der UTI GmbH. Sie wird in der Verfügung des
italienischen Staatsanwalts Massimo Minniti als Kopf der «Europäischen
Organisation» betitelt. Laut den italienischen Behörden fungierte sie als
Scharnier zwischen allen beteiligten Gruppen. Laut brasilianischen
Polizeibehörden konnten die Beamten über 700'000 Euro und diverse Konten von
Stocker-da Silva behändigen.
«Auf großem Fuß» - und ein Zürcher
Grieche
Für die UTI war auch ein Grieche aus der Stadt Zürich aktiv. Er
scheint ein wahres Multitalent zu sein: Restaurants, Treuhandgeschäfte, Leasing,
Versicherungen, Kredite. Der fleißige Mann besaß für die UTI eine Vollmacht für
Amtshandlungen. Auf eine Anfrage von handelszeitung.ch reagierte er bis zum
Publikationszeitpunkt nicht.
Bekannte der
Finanzspezialistin Stocker-da Silva berichteten, dass die UTI schon seit Beginn 2003
ausschließlich «Geldtransfers machte». Und zwar vornehmlich für brasilianische
Frauen, die in Sachen Finanzen ein wenig «unbeholfen» gewesen seien. Stocker-da
Silva, die mit einem IT-Spezialisten einer großen Schweizer Bank liiert war,
lebte auf großem Fuß. «Über ihre Verhältnisse», wie es eine Quelle ausdrückt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen