Samstag, 19. April 2014

Fast ein Lehrling der Camorra

ein Aufsehen erregendes Buch!


Amedeo Letizia stammt aus Casal di Prinicipe, einer Hochburg der Camorra. In seinem berührenden Buch arbeitet er seine Geschichte mit dem Verbrechersyndikat und das leidvolle Leben seiner Familie auf.




Ein Buch über die Mafia oder die Camorra zu schreiben, ist lebensgefährlich. Der sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia vermerkte 1961 im Nachwort seines Mafia-Romans „Der Tag der Eule“, dass er ein Jahr lang das Manuskript gekürzt habe – um Prozessen zu entgehen und der Wut einiger „ehrenwerter“ Bürger. Roberto Saviano lebt seit Erscheinen seines Camorra-Buches „Gomorrha“ im Jahr 2006 unter Polizeischutz.

Nanni Balestrini blieb davon zwar verschont, als er 2004 seinen Roman „Sandokan“ über den berüchtigten Camorra-Boss Francesco Schiavone veröffentlichte, doch er musste mehrere Verleumdungsklagen überstehen, damit sein Buch weiter verkauft werden konnte.
In den Büchern von Saviano und Balestrini spielt ein kleiner Ort nördlich von Neapel eine zentrale Rolle: Casal di Principe. Es ist die Hochburg des neapolitanischen Verbrechersyndikats Camorra und mehr oder weniger unter der Kontrolle des brutalen Casalesi-Clans, angeführt von Sandokan. Seit dem Erscheinen dieser Bücher ist einiges passiert.




Die Polizei hat endlich den Kampf gegen die Mafia verstärkt. Zahlreiche Camorra-Bosse, so auch Schiavone, sind wegen zahlreicher Morde und Drogenhandels zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Doch die Herrschaft der Camorra ist längst nicht gebrochen.
Mutig legt er sein Leiden daran offen, ein Casaleser zu sein.

Dementsprechend vorsichtig nähert sich Amedeo Letizia in seinem mit Paola Zanuttini verfassten Buch dem Thema – zumal er in Casal geboren und aufgewachsen ist. Ein Teil seiner Familie lebt dort noch heute. Hier hätte er „ein Boss werden können oder eine Leiche, ein Untergetauchter, ein Lebenslänglicher“, heißt es im zweiten Kapitel. „Das Lehrangebot war da“, und tatsächlich war er der Verbrecherlaufbahn näher, als ihm heute lieb ist. Sein Bruder Paolo hat sie kurzzeitig sogar eingeschlagen, bevor er noch als junger Mann spurlos verschwand. Letizia lässt keinen Zweifel, dass Paolo ein Opfer der Camorra geworden ist.

Wie also soll er schreiben über seine Geschichte, er, der heute ein bekannter Schauspieler und Filmproduzent in Italien ist? Er bittet die Journalistin Zanuttini es zu tun und erzählt ihr von seinem „Leben im Schatten der Camorra“, wie es im Untertitel passend heißt.

Das geht nicht ohne Probleme ab. Er erzählt zwar emotional, voller Wut und Schmerz, sehr plastisch, oft erinnert er sich aber unscharf, bietet unterschiedliche Versionen eines Ereignisses, ist bei seinen eigenen kleinen Straftaten erstaunlicherweise nie strafmündig. „Das Gedächtnis verschanzt sich“, glaubt Zanuttini. Das Verschweigenwollen gewinnt gelegentlich die Oberhand. Das Buch dokumentiert eine innere Zerrissenheit, gegen die das Buch eine spezielle Therapie sein soll. Mutig legt er sein Leiden daran offen, ein Casaleser zu sein. Hoffentlich erfolgreich. In letzter Zeit immerhin, sagt seine Frau, brüllt er nicht mehr „wie einer, der gerade abgeschlachtet wird.“


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