Wegen Zusammenarbeit mit der Mafia muss
Berlusconi-Weggefährte Dell'Utri ins Gefängnis. Doch der Ex-Senator setzte sich
mit einer aberwitzigen Ausrede ins Ausland ab.
Zweimal hatte die Staatsanwaltschaft im sizilianischen
Palermo vergeblich beantragt, Marcello Dell‘Utri den
Pass zu entziehen, damit der nicht außer Landes flüchte. Denn dem Ex-Senator,
engen Freund und Weggefährten von Silvio
Berlusconi drohen sieben Jahre Haft wegen Zusammenarbeit mit der Mafia. Dazu ist er in zweiter Instanz
verurteilt worden, das endgültige Urteil steht für Dienstag dieser Woche auf
der Agenda.
Als das Berufungsgericht in Palermo
am 4. April zum zweiten Male verkündete, es bestehe keine Fluchtgefahr, war
Dell'Utri gerade weg. Am Tag zuvor war er via Paris nach Beirut geflogen. Doch
unauffindbar sei er bereits Mitte März gewesen, meldete die
Antimafia-Sondereinheit der italienischen Polizei.
Aber, nobody is perfect, auch der Justiz-
und Mafia-Kenner Dell'Utri macht Fehler: Er zahlte mit seiner Kreditkarte und
telefonierte mit dem Handy - schon war er geortet, in der libanesischen
Hauptstadt Beirut. Nun sah, am 8. April, auch das Gericht in Palermo
"konkrete Fluchtgefahr" und erließ einen Haftbefehl.
Nein, nein, ließ der Gesuchte umgehend von
seinen Anwälten daheim erklären, er "beabsichtige nicht, sich dem Urteil
des Kassationsgerichts zu entziehen", vielmehr sei er krank, sei "zur
Behandlung und Erholung" in Beirut. Das könnte der von politischen und
terroristischen Wirren immer wieder heimgesuchten Stadt womöglich ein ganz
neues ökonomisches Fundament verschaffen. Denn als Heil- und Kurort war sie
bislang nicht bekannt.
Ein Gefallen für
Freund Wladimir
Selbst Silvio Berlusconi wusste darüber
offensichtlich nichts. Denn er lieferte einen anderen, noch viel besseren Grund
für Dell'Utris Aufenthalt im Nahen Osten. "Ich habe ihn dorthin
geschickt", zitieren ihn italienische Medien nach einem Treffen mit
Parteifreunden, weil "Wladimir Putin mich gebeten hat, Amin Gemayel im
Wahlkampf zu unterstützen". Aha.
Staunend hörten die
Forza-Italia-Funktionäre ihrem großen Anführer zu, wie der ausführte, dass man
dem libanesischen Ex-Präsidenten womöglich "auch finanziell" helfen
wolle, erneut den Chefsessel seines Landes zu erobern. Und, so Berlusconi, habe
er "Garantien", dass Dell'Utri, der die Lage vor Ort sondieren soll,
selbstverständlich vor dem Urteilsspruch des Gerichts zurückkommen werde.
Ungeachtet der garantierten Rückkehr des
Nicht-Flüchtigen verhaftete ihn die örtliche Polizei aufgrund eines
internationalen Haftbefehls am Samstagmorgen in seinem Domizil, dem Luxushotel
Phoenicia Beirut. Jetzt geht ein Auslieferungsverfahren seinen Gang, mit
ungewissem Ausgang. Zwar gibt es dazu ein Abkommen zwischen Italien und dem
Libanon, aber ob die Dell'Utri unterstellte Straftat darunter fällt, ist
offenbar nicht ganz klar.
Vielleicht wäre es für Berlusconi ja auch
besser, Dell'Utri käme nicht zurück. Denn niemand weiß so viel wie er über den
ebenso rasanten wie teilweise dubiosen Aufstieg des Kreuzfahrt-Conférenciers
Berlusconi zum Milliardär, Medienmogul und mächtigsten Politiker Italiens der
vergangenen zwei Jahrzehnte.
Berlusconi, 77, kannte Dell'Utri, 72,
schon an der Universität. Der hat ihm später den Aufbau seiner Partei
organisiert, aus seiner Werbefirma Publitalia eine Art Goldesel gemacht, und
als Berlusconi Probleme mit der Mafia hatte, sorgte Marcello Dell'Utri dafür,
dass nichts passierte. Er vermittelte sogar einen ranghohen Cosa Nostra-Boss,
der bei Berlusconi wohnte und als Schutzpatron über ihn wachte.
Zum Schutz vor
der Justiz in die Politik
Aber bald häuften sich, wie beim Chef,
auch bei Dell'Utri die juristischen Probleme:
§ wegen Steuerbetrugs,
§ wegen schwarzer Kassen
bei Publitalia,
§ und immer wieder geht es
um die in Italien als eigenständiger Straftatbestand verfolgte "externe
Zusammenarbeit mit der Mafia" - im Süden spricht man auch vom
"Halb-Mafioso".
"Zum Schutz vor der
Justiz", wie Dell'Utri selbst erzählte, ging auch er in die Politik.
Obwohl ihn kostbare alte Bücher und Kunstausstellungen viel mehr interessieren
als politische Debatten, verbrachte er mehr als ein Jahrzehnt erst im
Europäischen Parlament, dann im italienischen Senat. Viel gehört hat man von
ihm da nicht. Aber die Ämter bewahrten ihn vor Verurteilungen. Bis er Anfang
letzten Jahres trotz aller Mühen Berlusconis nicht mehr haltbar war, aus der
Politik ausscheiden musste und in seinen Augen "vogelfrei" wurde. Mit
den befürchteten Folgen.
Am Dienstag dieser Woche steht das Urteil
in dritter und letzter Instanz an, möglicherweise gefolgt von einer
siebenjährigen Haftstrafe. Aber nun ist der Angeklagte ja erst einmal - auf
Mission oder zur Kur - im Libanon. Und nicht einmal in dessen Abwesenheit kann
die Verhandlung beginnen. Denn am Sonntagabend ließ sich einer
seiner beiden Anwälte ins Krankenhaus einweisen. Und am Montag meldete sich
auch der zweite Dell'Utri-Advokat krank. Mit ärztlichem Attest natürlich, nicht
dass jemand auf falsche Gedanken käme. Und vor einem Urteil in Palermo läuft in
Beirut in Sachen Auslieferung sowieso nichts, heißt es dort.
siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/berlusconi-vertrauter-dell-utri-in-beirut-verhaftet-a-964364.html
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