Dienstag, 15. April 2014

Berlusconi und seine Mafiosi


Wegen Zusammenarbeit mit der Mafia muss Berlusconi-Weggefährte Dell'Utri ins Gefängnis. Doch der Ex-Senator setzte sich mit einer aberwitzigen Ausrede ins Ausland ab.
Zweimal hatte die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Palermo vergeblich beantragt, Marcello Dell‘Utri den Pass zu entziehen, damit der nicht außer Landes flüchte. Denn dem Ex-Senator, engen Freund und Weggefährten von Silvio Berlusconi drohen sieben Jahre Haft wegen Zusammenarbeit mit der Mafia. Dazu ist er in zweiter Instanz verurteilt worden, das endgültige Urteil steht für Dienstag dieser Woche auf der Agenda.

Als das Berufungsgericht in Palermo am 4. April zum zweiten Male verkündete, es bestehe keine Fluchtgefahr, war Dell'Utri gerade weg. Am Tag zuvor war er via Paris nach Beirut geflogen. Doch unauffindbar sei er bereits Mitte März gewesen, meldete die Antimafia-Sondereinheit der italienischen Polizei.

Aber, nobody is perfect, auch der Justiz- und Mafia-Kenner Dell'Utri macht Fehler: Er zahlte mit seiner Kreditkarte und telefonierte mit dem Handy - schon war er geortet, in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Nun sah, am 8. April, auch das Gericht in Palermo "konkrete Fluchtgefahr" und erließ einen Haftbefehl.

Nein, nein, ließ der Gesuchte umgehend von seinen Anwälten daheim erklären, er "beabsichtige nicht, sich dem Urteil des Kassationsgerichts zu entziehen", vielmehr sei er krank, sei "zur Behandlung und Erholung" in Beirut. Das könnte der von politischen und terroristischen Wirren immer wieder heimgesuchten Stadt womöglich ein ganz neues ökonomisches Fundament verschaffen. Denn als Heil- und Kurort war sie bislang nicht bekannt.


Ein Gefallen für Freund Wladimir

Selbst Silvio Berlusconi wusste darüber offensichtlich nichts. Denn er lieferte einen anderen, noch viel besseren Grund für Dell'Utris Aufenthalt im Nahen Osten. "Ich habe ihn dorthin geschickt", zitieren ihn italienische Medien nach einem Treffen mit Parteifreunden, weil "Wladimir Putin mich gebeten hat, Amin Gemayel im Wahlkampf zu unterstützen". Aha.
Staunend hörten die Forza-Italia-Funktionäre ihrem großen Anführer zu, wie der ausführte, dass man dem libanesischen Ex-Präsidenten womöglich "auch finanziell" helfen wolle, erneut den Chefsessel seines Landes zu erobern. Und, so Berlusconi, habe er "Garantien", dass Dell'Utri, der die Lage vor Ort sondieren soll, selbstverständlich vor dem Urteilsspruch des Gerichts zurückkommen werde.

Ungeachtet der garantierten Rückkehr des Nicht-Flüchtigen verhaftete ihn die örtliche Polizei aufgrund eines internationalen Haftbefehls am Samstagmorgen in seinem Domizil, dem Luxushotel Phoenicia Beirut. Jetzt geht ein Auslieferungsverfahren seinen Gang, mit ungewissem Ausgang. Zwar gibt es dazu ein Abkommen zwischen Italien und dem Libanon, aber ob die Dell'Utri unterstellte Straftat darunter fällt, ist offenbar nicht ganz klar.

Vielleicht wäre es für Berlusconi ja auch besser, Dell'Utri käme nicht zurück. Denn niemand weiß so viel wie er über den ebenso rasanten wie teilweise dubiosen Aufstieg des Kreuzfahrt-Conférenciers Berlusconi zum Milliardär, Medienmogul und mächtigsten Politiker Italiens der vergangenen zwei Jahrzehnte.



Berlusconi, 77, kannte Dell'Utri, 72, schon an der Universität. Der hat ihm später den Aufbau seiner Partei organisiert, aus seiner Werbefirma Publitalia eine Art Goldesel gemacht, und als Berlusconi Probleme mit der Mafia hatte, sorgte Marcello Dell'Utri dafür, dass nichts passierte. Er vermittelte sogar einen ranghohen Cosa Nostra-Boss, der bei Berlusconi wohnte und als Schutzpatron über ihn wachte.


Zum Schutz vor der Justiz in die Politik

Aber bald häuften sich, wie beim Chef, auch bei Dell'Utri die juristischen Probleme:
    §  wegen Steuerbetrugs,
    §  wegen schwarzer Kassen bei Publitalia,
    §  und immer wieder geht es um die in Italien als eigenständiger Straftatbestand verfolgte "externe Zusammenarbeit mit der Mafia" - im Süden spricht man auch vom "Halb-Mafioso".

"Zum Schutz vor der Justiz", wie Dell'Utri selbst erzählte, ging auch er in die Politik. Obwohl ihn kostbare alte Bücher und Kunstausstellungen viel mehr interessieren als politische Debatten, verbrachte er mehr als ein Jahrzehnt erst im Europäischen Parlament, dann im italienischen Senat. Viel gehört hat man von ihm da nicht. Aber die Ämter bewahrten ihn vor Verurteilungen. Bis er Anfang letzten Jahres trotz aller Mühen Berlusconis nicht mehr haltbar war, aus der Politik ausscheiden musste und in seinen Augen "vogelfrei" wurde. Mit den befürchteten Folgen.

Am Dienstag dieser Woche steht das Urteil in dritter und letzter Instanz an, möglicherweise gefolgt von einer siebenjährigen Haftstrafe. Aber nun ist der Angeklagte ja erst einmal - auf Mission oder zur Kur - im Libanon. Und nicht einmal in dessen Abwesenheit kann die Verhandlung beginnen. Denn am Sonntagabend ließ sich einer seiner beiden Anwälte ins Krankenhaus einweisen. Und am Montag meldete sich auch der zweite Dell'Utri-Advokat krank. Mit ärztlichem Attest natürlich, nicht dass jemand auf falsche Gedanken käme. Und vor einem Urteil in Palermo läuft in Beirut in Sachen Auslieferung sowieso nichts, heißt es dort.

siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/berlusconi-vertrauter-dell-utri-in-beirut-verhaftet-a-964364.html


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