"Die Mafia ist keine tropische
Krankheit. Die Paten mögen aus dem warmen Süden kommen, doch für ihr Überleben
brauchen sie die Banken im kalten Norden." Leoluca Orlando muss es wissen.
Er entstammt einer der ältesten sizilianischen Adelsfamilien, geboren in der
Mafia-Hochburg Corleone, er war von 1993 bis 2001 Oberbürgermeister von Palermo
und sitzt jetzt im römischen Parlament.
Von allen Titeln, die ihm verliehen
wurden, trägt er "Mafiajäger" am stolzesten. Viele Mafiagrößen hat er
dingfest gemacht, doch sein größter Erfolg ist wahrscheinlich, dass er noch
lebt. Ausgefochten ist Orlandos Kampf gegen die Mafia aber noch nicht.
"Ich bin überzeugt davon, dass wir die modernen Paten in den großen
europäischen Banken suchen müssen", sagte er am Donnerstag bei den vom
Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) veranstalteten Sicherheitstagen in
Saalfelden.
Leoluca Orlando |
Auf welche Bereiche sich die organisierte
Kriminalität künftig konzentrieren wird, beschreibt auch der neue
Europol-Lagebericht. Groß im Kommen ist zum Beispiel Mehrwertsteuerbetrug und
hier vor allem der länderübergreifende Handel mit Emissionszertifikaten.
"Jemand registriert sich national als Trader, erwirbt in einem anderen
Land steuerfrei die in der Industrie heißbegehrten Zertifikate, geht damit
woanders an die Börse und kassiert dann die Mehrwertsteuer", umriss
Europol-Sprecher Gerald Hesztera die einfach anmutende Methode. Pro Jahr
entstehe dadurch bereits ein Schaden von 100 Milliarden Euro.
Auftauchen von gefälschten Medikamenten im
normalen Handel. Ein Apotheker aus Großbritannien fiel aus allen Wolken, als
die staatliche Kontrollagentur in seinen Regalen ein gefälschtes und völlig
unwirksames Krebsmedikament fand. "Das bedeutet, dass es den Fälschern
gelungen ist, sich in die legale Distribution einzuklinken", so Hesztera.
Der Fall zeige deutlich, wie gefährlich
Produktpiraterie sein könne. Hesztera: "Es geht nicht nur um das
nachgemachte Lacoste-Shirt, sondern auch um essenzielle Produkte wie
Autobremsanlagen und Flugzeugersatzteile." Größte Umschlagplätze für
minderwertige Fälschungen seien die Häfen von Rotterdam und von Konstanz.
Gewalt gegen
Gesellschaft
Bei seinen Analysen hat das europäische
Polizeiamt auch den Typus "Gewalt gegen die Gesellschaft" eingeführt.
Dabei handelt es sich gewissermaßen um ein Branding mit bekannten
Kriminalitätsgruppen. Die Mafia verleiht quasi ihren Namen an andere
Gruppierungen, die dafür Franchise-Gebühren zahlen. Dadurch entsteht ein loses
Netzwerk von Organisationen, das global agieren kann. Korruption auf hohem
Level gehört ebenso dazu wie Gewalt gegen Richter, Zeugen und Staatsanwälte, um
eine Verfolgung zu verhindern.
Zivilcourage ist für Leoluca Orlando das
beste Mittel gegen mafiöse Strukturen. "Corleone galt jahrzehntelang als
die sicherste Stadt Italiens, weil die Statistik keine Verbrechen aufwies.
Dabei wusste jeder, dass die Mafia mordet. Als die Menschen nicht mehr
schweigen wollten, brach das Krebsgeschwür schließlich auf.
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