Dienstag, 18. Februar 2014

Drohnen als letztes Mittel gegen Mafia

Die organisierte Kriminalität trägt ihre Kriege in Israel in der Öffentlichkeit aus. Es gibt immer mehr Tote. Jetzt wird diskutiert, den Banden mit Mitteln der Terrorismusbekämpfung zu begegnen.





Taher Lalah wartet in seinem silberfarbenen BMW an einer Ampel, als er getötet wird. Die beiden maskierten Männer kommen auf einem Motorrad angefahren, geben mehrere gezielte Schüsse auf den Fahrer ab und sind so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen waren. Der 27-jährige arabische Israeli aus Jaffa ist sofort tot. An Augenzeugen mangelt es nicht.

Der Mord ereignete sich am helllichten Tag, mitten in Tel Aviv. Die Restaurants der Tachana, des zum Touristenzentrum ausgebauten alten Bahnhofs, waren gut gefüllt. In einem Café um die Ecke sollte Kindern die Schokoladenherstellung erklärt werden. Die Zeitung "Yedioth Aharonoth" titelte am nächsten Tag: "Zivilisten in der Schusslinie." Und bei der Konkurrenz von "Israel HaYom" hieß es: "Eine Hinrichtung vor den Augen von Eltern und Kindern."

Denn das Opfer war der Polizei nicht unbekannt: Taher Lalah sei in der Vergangenheit "unter anderem" wegen Gewaltverbrechen, Autodiebstahl und Einbruchs verurteilt und im vergangenen Februar sogar unter Mordverdacht festgenommen worden, hieß es bald. Man gehe deshalb davon aus, dass der Mord im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen zwei kriminellen Familienbanden in Jaffa stehe, sagte der Polizeisprecher.


Staatsanwalt durch Autobombe getötet

Es war nicht der erste Mord dieser Art in Israel. Die israelischen Mafia-Organisationen tragen ihre mörderischen Auseinandersetzung immer unerschrockener in der Öffentlichkeit aus. Erst vor einer Woche war ein Mann bei der Explosion einer Autobombe im Süden Tel Avivs ums Leben gekommen. Eine weitere Autobombe in Petach Tikwa vor zwei Wochen tötete zwei Menschen – der Sprengsatz war vermutlich vorzeitig explodiert. Anfang des Jahres explodierten in der Küstenstadt Aschkalon ebenfalls zwei Autobomben – und immer waren bekannte Persönlichkeiten des organisierten Verbrechens das Ziel.

Das Problem gebe es zwar schon seit Jahren, aber die Intensität nehme zu, musste dann auch Polizeichef Jochanan Danino zugeben. 20 Anschläge in vier Monaten zählte die Zeitung "Haaretz", die Konkurrenz von "Yedioth Aharonoth" kam auf 14 Tote in fünf Monaten. Im November explodierte das Auto eines hochrangigen Staatsanwalts, der mit besondere Härte gegen die organisierte Kriminalität vorging. In fünf Fällen hatte ein von ihm angestrebtes Berufungsverfahren zu härteren Strafen für Mitglieder der berüchtigten Mulner-Familie geführt. Der Mann blieb unverletzt, aber seitdem ist deutlich, dass sich auch Vertreter der Staatsgewalt nicht sicher fühlen dürfen.

Als der Minister für innere Sicherheit, Itzchak Aharonowitsch, im November die Festnahme der Oberhaupts der Domrani-Familie verkündete, erklärte er gleichzeitig, er und seine Familie würden seit vier Jahren von den Banden bedroht. Insgesamt müssten etwa 100 Beamte in Israel mit einer ähnlichen Bedrohung leben, sagte der Minister. "Wir kämpfen einen Krieg, und der wird nicht in einem Tag oder einem Monat beendet sein."


Organisierte Kriminalität ist zum Terrorismus geworden

Das sieht nicht nur er so: Der bekannte Kommentator Dan Margalit schreibt in "Israel HaYom", die dritte Intifada habe längst begonnen. Aber nicht die Palästinenser seien dieses Mal die Urheber, sondern die Mafia-Banden. Die Polizei habe kaum mehr abschreckende Wirkung.

In "Yedioth Aharonoth" schreibt ein Mann, dessen Frau im Jahr 2008 aus Versehen bei den Kämpfen der Kriminellen in die Schusslinie geriet, die organisierte Kriminalität sei zum Terrorismus geworden und müsse ebenso bekämpft werden, wie die Armee und der Inlandsgeheimdienst das täten. Ob er damit gleich außergerichtliche Tötungen und Drohnenangriffe versteht, ließ er offen.

Tatsächlich wird schon seit Monaten die Möglichkeit diskutiert, gewisse Maßnahmen aus der Terrorismusbekämpfung auch gegen das organisierte Verbrechen einzusetzen. Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Form der Verwaltungshaft auf. Bisher ist die Politik allerdings von solchen rechtsstaatlich nicht unproblematischen Maßnahmen zurückgeschreckt. Ministerpräsident Netanjahu kündigte nun bei der wöchentlichen Kabinettssitzung zwar an, das organisierte Verbrechen mit "neuen Mitteln" bekämpfen zu wollen, führte aber nicht im Detail aus, was damit gemeint sein könnte.
Schon heute sind 1000 Beamten der Sondereinheit Lahav 433 mit dem Kampf gegen die Mafia-Familien beschäftigt. Und erst in der vergangenen Woche konnte die Einheit einen beachtlichen Erfolg verbuchen: Im Süden Israels wurde ein Lager mit Sprengstoff, Waffen und Überwachungstechnologie entdeckt.


Bandenkämpfe mit hochmoderner Technologie

Mit hochmoderner Technologie hatte eine Mafia-Familie die Angehörigen des verfeindeten Domrani-Kartells überwacht, um sie dann zu gegebener Zeit umzubringen. Die Ermittler fanden einen "War Room", in dem auf mehreren Bildschirmen die Bewegungen der Opfer überwacht werden konnten. Die eingesetzten Geräte waren so modern, dass sie "einen Geheimdienst stolz machen würden", sagte einer der beteiligten Beamten.

Sorge bereitet den Behörden auch, dass die Verbrecher scheinbar problemlos in den Besitz großer Mengen Sprengstoff gelangen. Polizeichef Jochan Danino versichert, der Sprengstoff stamme aus den Lagern der Armee. Die meisten eingesetzten Bomben seine keine improvisierten Heimprodukte, sondern professionelle und verlässliche Sprengsätze, die teilweise sogar vornehmlich von Eliteeinheiten eingesetzt würden.

Im Büro des Armeesprechers streitet man das nicht ab: "Wir sind eine Volksarmee und ziehen Menschen aus dem ganzen Land ein", heißt es da. "Deshalb wissen wir nicht, ob einige jetzt oder in der Zukunft Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben oder haben werden." Man sei sich des Phänomens bewusst und versuche in Zusammenarbeit mit der Polizei und durch verdeckte Ermittlungen der Militärpolizei dagegen vorzugehen.


Die Banden aber wissen längst, dass Sprengstoffmorde für die Ermittler viel schwieriger aufzuklären sind als Taten mit einer Schusswaffe. Im Zusammenhang mit dem Mord an Taher Lalah hatte die Polizei bald die ersten vier Verdächtigen in Gewahrsam. Ob man ihnen etwas nachweisen kann, bleibt abzuwarten. Kaum aber jemand zweifelt daran, dass die Rache der trauernden Familie nicht lange auf sich wird warten lassen.
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