Freitag, 21. November 2014

Aufnahme-Rituale der 'Ndrangheta

Italienische Ermittler filmen heimlich, wie neue Mitglieder in die höchsten Ränge der italienischen Mafia ’Ndrangheta eingeschworen werden. Die Anwärter schwören nicht etwa auf Heilige - sondern auf Nationalhelden, die für die Freiheit und Einheit Italiens kämpften.

Die kalabrische Mafia, die ’Ndrangheta, begräbt in San Luca Opfer einer Schießerei.


Bisher wusste man von solchen Ritualen nur aus den Geständnissen reuiger Mafiosi. Jetzt ist es italienischen Ermittlern erstmals gelungen, mit versteckter Kamera festzuhalten, wie Neumitglieder in die höchsten Ränge der ’Ndrangheta eingeschworen werden.

Die Mafiaorganisation, die mit Drogenhandel, Korruption und Schutzgeldern nicht nur in Italien Milliarden verdient, operiert normalerweise strikt im Geheimen. Deshalb gilt das unscharfe, körnige Polizeivideo als Sensation. Zumal es nicht in einer abgelegenen Berggegend Kalabriens, dem Heimatland der ’Ndrangheta aufgenommen wurde, sondern in einem Restaurant in Castello di Brianza nahe dem Comer See in Norditalien.


Rituale der Freimaurer

Zu sehen sind undeutlich vier Männer, die im Kreis um einen Tisch herumstehen. Einer begrüßt sie mit der Formel: „Ein gutes Abendessen und ein gesegneter Abend für unsere Santisti.“ Santa, das ist eine der höchsten Hierarchiestufen der Clans. Der spricht, ist einer der kalabrischen Bosse und eigens angereist, um den Treue- und Verschwiegenheitseid anzuleiten. Die drei anderen müssen ihm feierlich nachsprechen: „Ich schwöre alles abzustreiten bis zur siebten Generation, um die Ehre meiner weisen Brüder zu bewahren und die ganze kriminelle Gesellschaft anzuerkennen. Unter dem Licht der Sterne und dem Glanz des Mondes bilde ich die heilige Kette.“


Mond und Sterne

Während andere Mafiaorganisationen auf Heiligenbilder und die Madonna schwören, werden in diesem Initiationsritus erstaunlicherweise die Nationalhelden Garibaldi, Mazzini und La Marmora angerufen. Sie kämpften im 19. Jahrhundert für die Freiheit und Einheit Italiens. Aber nicht etwa deshalb stünden sie Paten, erklärt der Mafia-Experte und Bestseller-Autor Roberto Saviano, sondern weil sie Freimaurer waren.
Von den Geheimlogen hätten sich die Mafiosi Rituale und esoterische Symbole wie Mond und Sterne abgeschaut.

In einem zweiten, nicht veröffentlichten Video wurde festgehalten, wie Neuaufgenommene versprechen müssen, dass sie sich bei schweren Verfehlungen entweder mit Gift umbringen oder sich erschießen werden. „Nicht die Menschen urteilen über euch, sondern ihr selbst“, zitierte Staatsanwältin Ilda Boccassini, die Leiterin der Ermittlungen, aus dem Schwur. „Ihr müsst immer eine Kugel für euch übrig haben“, so laute das Gesetz der ’Ndrangheta.


Zwei Jahre dauerten die Ermittlungen, die nun zu 40 Festnahmen in der reichen Lombardei führten, wo die ’Ndrangheta zahlreiche Ableger hat. Das zeige erneut, wie stark die organisierte Kriminalität inzwischen in Norditalien etabliert ist, sagte die Staatsanwältin. Derzeit ist das ganz besonders lukrativ. Rund um Mailand fließt viel Geld für die Vorbereitungen der Weltausstellung Expo 2015, die im Mai eröffnet werden soll.

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