Die Expo 2015 in Mailand soll Italien einen Wirtschaftsschub
geben. Doch bei dem Mammutprojekt regiert die Korruption. Die Staatsanwaltschaft
ließ nun 13 Mitglieder der Ndrangheta verhaften.
Sie ist die vielleicht mächtigste
kriminelle Organisation der Welt. Die Ndrangheta aus dem süditalienischen
Kalabrien handelt mit Drogen, erpresst Schutzgelder und korrumpiert die
Politik. Sie breitet sich immer weiter aus. Geschätzter
Jahresumsatz: 53 Milliarden Euro. Den reichen italienischen Norden, vor allem
die Lombardei, hat die Ndrangheta bereits in erschreckendem Maße im Griff. Auch
vor der Weltausstellung Expo, die 2015 in Mailand stattfindet, macht sie nicht
Halt.
Das beweist die Operation "Quadrifoglio" ("Kleeblatt")
der Staatsanwaltschaft Mailand. 13 Personen, die der Ndrangheta angehören
sollen, wurden am Dienstag festgesetzt. Einschüchterung, Geldwäsche und
Bestechung wird der Gruppe vorgeworfen.
Besonders pikant: Mitglieder der Bande sollen bei der Expo mitgewirkt
haben. Zwei Ausschreibungen bei dem Mammutprojekt soll sie sich gesichert
haben. Im Gesamtwert von 450.000 Euro.
Konkret geht es um die "Tangenziale Est Esterna di Milano" oder
kurz "Teem". Das ist eine Umgehungsstraße, die extra für die
Weltausstellung gebaut wird, um den Verkehr zu entlasten. Über eine
Gesellschaft soll die Ndrangheta-Bande an den Bauarbeiten mitgewirkt haben.
Italien knüpft an die Expo große Hoffnungen
Die Expo wandelt sich mehr und mehr vom Hoffnungsträger zum PR-Debakel. Es
entsteht der Eindruck, dass die Weltausstellung im großen Stil für krumme
Geschäfte genutzt wird. 2014 schritt die Staatsanwaltschaft bereits mehrmals
ein.
Im Mai nahm sie Angelo Paris fest, der
in der Expo-Betreibergesellschaft für die Planung und den Einkauf zuständig
war. Unter Hausarrest gestellt wurde Antonio Rognoni, der früher
Infrastrukturprojekte für die Region Lombardei verantwortete. 80
Hausdurchsuchungen wurden landesweit durchgeführt.
Italien knüpft an die Expo enorme
Hoffnungen. Die Weltausstellung soll dem Land die Bühne bieten, um sich einem
internationalen Publikum im besten Licht zu präsentieren. "Feeding the
Planet, Energy for Life", lautet das Motto.
Im Mittelpunkt steht der nachhaltige
Umgang mit Nahrungsmitteln und Energie. Von Mai bis Ende Oktober 2015 werden
mehr als 140 Länder neue Technologien und Denkansätze präsentieren. Rund 20
Millionen Besucher werden erwartet.
Es geht um enorme
Summen bei der Ausstellung
Die Regierung von Ministerpräsident
Matteo Renzi baut darauf,
dass die Expo der Wirtschaft einen Schub verleiht. Italien ist 2014 in die
dritte Rezession seit 2008 gerutscht. In den vergangenen sechs Jahren fiel das
Bruttoinlandsprodukt um neun Prozentpunkte, die Industrieproduktion um rund ein
Viertel. In einem Brief an die EU-Kommission in Brüssel sprach Italiens
Finanzminister Pier Carlo Padoan von einem "erheblichen
Deflationsrisiko". Ein viertes Jahr Rezession müsse "unter allen
Umständen" vermieden werden, schrieb Padoan.
Um die
Expo und andere Projekte wie beispielsweise die Flutwehr Mose in Venedig aus
den Schlagzeilen zu holen, ernannte Premier Renzi Raffaele Cantone im März zum
nationalen Antikorruptionsbeauftragten. Cantone, der als Staatsanwalt in Neapel
gegen die Mafia vorging, soll verhindern, dass die organisierte Kriminalität
große öffentliche Bauvorhaben unterwandert.
Es geht
um enorme Summen. 1,3 Milliarden Euro lässt sich der italienische Staat die
Expo kosten, 350 Millionen Euro steuern private Investoren bei. Die
Teilnehmerländer legen eine Milliarde Euro dazu. Deutschland beteiligt sich mit
48 Millionen Euro. Alles in allem wird mit einem Wachstumsimpuls für die
italienische Wirtschaft von zehn Milliarden Euro gerechnet.
Selbst hinter Gittern
ist die Ndrangheta noch aktiv
Die Operation "Quadrifoglio"
weckt Zweifel an der Durchsetzungskraft Cantones und der italienischen
Behörden. Mit einem einfachen Trick soll der Verdächtige Giuseppe Galati die
Anti-Korruptionsregeln ausgehoben haben. Galati, der im Gefängnis sitzt, soll
die Anteile an seiner Baufirma an seinen Schwager übertragen haben.
Da der Schwager nicht
vorbestraft war, schlug das Warnsystem der Expo-Organisatoren nicht an. Galatis
Firma sicherte sich so als Subunternehmer eines anderen Unternehmens aus Modena
die Beteiligung an den Expo-Bauarbeiten.
Die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini informierte bei einer Pressekonferenz über den aktuellen Stand der Ermittlungen zur Korruption bei der Expo |
Firmen
führen aus dem Gefängnis heraus – selbst hinter Gittern ist die Ndrangheta noch
aktiv. Zu den 13 Festgenommen zählen auch alte Bekannte, die die italienische
Justiz eigentlich schon unter Kontrolle wähnte. Salvatore Muscatello
beispielsweise.
Der
80-Jährige soll der Kopf des Ndrangheta-Ablegers in Mariano Comense bei Como
sein. Er wurde bereits vor Jahren im Rahmen der Mammutoperation
"Infinito" festgesetzt und steht unter Hausarrest. Doch das hinderte
ihn anscheinend nicht daran, weiterhin seine Gehilfen zu steuern.
"Nichts
hat sich geändert", resümierte die Mailänder Staatsanwältin Ilda
Boccassini nun. Die rothaarige Boccassini ist weit über die Grenzen Italiens
bekannt. Die Juristin aus Neapel ist unter anderem für den Ruby-Prozess gegen
Silvio Berlusconi zuständig.
Dem
Ex-Premier wirft sie vor, dass er mit einer Minderjährigen gegen Bezahlung Sex
gehabt haben soll. Im Kampf gegen die Ndrangheta wirkt die sonst so
kämpferische Boccassini fast ein wenig resigniert. Wer einmal in der Ndrangheta
sei, der bleibe der Organisation treu. Verhaftung hin oder her. "Bis zum
Tod."
.
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