Von Klaus Ehringsfeld
Seit 33 Tagen keine Spur von den verschleppten Studenten in Mexiko. Die
Angehörigen trafen nun Präsident Peña Nieto. Doch der smarte Staatschef will
nicht zur Kenntnis nehmen, dass sein Land aus den Fugen ist.
Fast fünf Stunden haben sie zusammengesessen
im schicken Präsidentenpalast. Der smarte Staatschef Enrique Peña Nieto, der
stets wie ein Telenovela-Schauspieler auftritt, und mehr als 80 verzweifelte
Väter und Mütter in Sandalen, Turnschuhen und mit Cowboyhüten. Enrique Penã
Nieto redete viel an diesem langen Mittwochnachmittag im Los-Pinos-Palast, er
machte Versprechen und rechtfertigte sich. Die Angehörigen der 43 vermissten
Studenten rangen um Worte, stellten Fragen und klagten an.
Kurz vor 21 Uhr gingen Angehörige und
Staatsoberhaupt auseinander, ohne je zusammengefunden zu haben.
Der Präsident wandte sich umgehend live
auf allen Kanälen an die Bevölkerung und verkündete, man werde in der Suche
nach den vermissten Studenten nicht nachlassen, man werde eine Kommission
gründen und mehr Beamte in den Bundesstaat Guerrero schicken. "Es gibt
keinen noch so kleinen Raum für Straflosigkeit", versprach der Präsident.
"Ich bin dem Rechtsstaat verpflichtet." Acht Minuten dauerte die
Rede, die vor allem zeigen sollte, dass seine Regierung handelt.
Für die Angehörigen der vermissten
Lehramtsstudenten muss das wie Hohn geklungen haben. 98 von 100 Verbrechen
bleiben in Mexico ungesühnt. Und in vielen Regionen des Landes hat der
Rechtsstaat kaum mehr Einfluss. Dort, wo vor 33 Tagen die Studenten verschleppt
und vermutlich ermordet, verbrannt und verscharrt wurden, gilt nur das Recht
der organisierten Kriminalität. Die Mafia kauft Politiker und Polizisten,
erpresst, entführt, schmuggelt und - wie im Fall der Studierenden - ermordet
diejenigen, die ihnen in die Quere kommen oder ihre Ordnung stören.
"Nichts
passiert"
Während der Präsident im Fernsehen
auftritt, rollen die Väter und Mütter die großen Transparente mit den Fotos
ihrer Söhne zusammen, steigen in Busse und fahren in ein Menschenrechtszentrum
in Mexico Stadt ein paar Kilometer entfernt vom Präsidentenpalast. Dort machen
sie ihrem Frust, ihrem Misstrauen und ihrer Hoffnungslosigkeit Luft: "Wir
vertrauen dem Präsidenten und seinen Worten nicht", sagt Felipe de la Cruz
Sandoval, einer der Sprecher der Angehörigen.
"Der Staat tut angeblich
alles, um unsere Söhne zu finden, aber nichts passiert. Lebend wurden sie uns
genommen, lebend wollen wir sie zurück." Mehr als einen Monat sind die
Jungen nun vermisst, mehr als 50 Polizisten und Schergen der lokalen
Mafia-Bande "Guerreros Unidos" sind festgenommen, jeden Tag werden
Massengräber gefunden. Aber die Jungen bleiben unauffindbar. Das verstehen die
Familien nicht.
Was am 26. September als eines der vielen
Verbrechen in diesem längst aus allen Fugen geratenen Kampf um Mexiko begann,
hat sich zur größten Staatskrise ausgewachsen, seit Enrique Peña Nieto vor
knapp zwei Jahren das Präsidentenamt übernommen hat. Mexiko ist erzürnt und die
Welt schockiert, weil der Fall von Iguala und den Studenten beinahe
lehrbuchhaft zeigt, wie organisierte Kriminalität, Politik und Polizei auf
regionaler Ebene in Mexiko zusammenarbeiten.
26.000 Menschen vermisst
Der Bürgermeister Iguala und seine Frau,
beide flüchtig, erhielten von den "Guerreros Unidos" monatlich
umgerechnet 175.000 Euro, wovon 35.000 Euro an die lokale Polizei flossen. So
standen die Einheiten der Ordnungsmacht fast vollständig unter dem Kommando des
Kartells. Faktisch herrschten die "Guerreros Unidos" über die
mexikanische Stadt, kaum 200 Kilometer südlich von Mexico-Stadt.
...der Bürgermeister Iguala und seine Frau |
Kurz vor 21 Uhr gingen Angehörige und
Staatsoberhaupt auseinander, ohne je zusammengefunden zu haben.
Der Präsident wandte sich umgehend live
auf allen Kanälen an die Bevölkerung und verkündete, man werde in der Suche nach
den vermissten Studenten nicht nachlassen, man werde eine Kommission gründen
und mehr Beamte in den Bundesstaat Guerrero schicken. "Es gibt keinen noch
so kleinen Raum für Straflosigkeit", versprach der Präsident. "Ich
bin dem Rechtsstaat verpflichtet." Acht Minuten dauerte die Rede, die vor
allem zeigen sollte, dass seine Regierung handelt.
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