Staatspräsident Giorgio Napolitano hat als Zeuge in einem Mafia-Prozess
ausgesagt.
Die Richter und Anwälte befragten den 89-Jährigen am Dienstag im
Quirinalpalast in Rom, dem Sitz des Präsidenten. Es geht in dem seit Monaten
laufenden Verfahren um einen mutmaßlichen „Nichtangriffspakt“ zwischen
hochrangigen Politikern und Mafia-Bossen in den 1990er Jahren.
Napolitano, der seit 2006 Staatspräsident ist, war von 1992 bis
1994 Präsident des Abgeordnetenhauses. Das Staatsoberhaupt sagte laut einem
beteiligten Anwalt aus, er habe nichts von möglichen Absprachen gewusst.
Wegen seines Amtes wurde Napolitano hinter verschlossenen Türen
in Rom und nicht im Gerichtssaal in Palermo befragt. Er sollte zu einem Brief
eines früheren Beraters aussagen, in dem es um die Absprachen gegangen sein
könnte.
Angeklagt sind in dem Prozess unter anderem mehrere Mafia-Bosse
und frühere Polizeichefs, der ehemalige Innenminister Nicola Mancino und
Marcello Dell'Utri, ein früherer Vertrauter von Ex-Regierungschef Silvio
Berlusconi, der bereits wegen Mafia-Verwicklungen verurteilt worden ist.
Die Staatsanwälte vermuten, dass die Behörden in Italien in den
1990er Jahren in dem Versuch, weitere Mafia-Morde zu verhindern,
Gefängnisstrafen für mehr als 300 Mafiosi lockerten. Einem nun ebenfalls
angeklagten Mafia-Boss sollen sie jahrelang die Flucht ermöglicht haben.
Es ist eine
Frage, die Italien seither beschäftigt: Ebenso plötzlich, wie die Mafia in den
Neunzigerjahren begann, Attentate zu verüben, hörte sie damit auch wieder auf.
Italien fragt sich bis heute: Warum hörte der Terror schlagartig auf?
Prozess soll Vergangenheit beleuchten
Der aktuelle
Prozess in Palermo soll Licht in diese Angelegenheit bringen. Kritiker
behaupten, der Staat und die Mafia hätten im Juni 1992 eine Art «Waffenruhe»
ausgehandelt: Unter anderem sollte der Staat den inhaftierten Cosa-Nostra-Bossen
Hafterleichterung gewähren – die Mafia wiederum soll versprochen haben, mit dem
Bombenterror aufzuhören. Beweise für diese These gibt es bisher keine.
Wesentliche Ergebnisse unwahrscheinlich
Heute Dienstag
sagt Italiens Staatspräsident, Giorgio Napolitano, im Prozess in Palermo aus.
Napolitano soll in einem Telefongespräch Mitte der Neunzigerjahre über mögliche
Verhandlungen zwischen dem Staat und der Mafia gesprochen haben.
Italien versucht ein normales
Land zu werden.
SRF-Italien
Korrespondent, Massimo Agostinis, hält es aber für unwahrscheinlich, dass
Napolitano nennenswerte Aussagen macht. Agostinis glaubt auch nicht daran, dass
der gesamte Prozess viel Licht in die Angelegenheit bringen wird: «Ich glaube
nicht, dass man in den nächsten zehn Jahren – solange Zeugen noch leben –
wesentliches herauskommt. Höchstens Teil-Wahrheiten.»
Im Prozess in
Palermo gehe es nicht um den aktuellen Kampf gegen die Mafia, sagt Agostinis,
sondern um die Aufarbeitung: «Italien versucht damit ein normales Land zu
werden.» Im Kampf gegen die Mafia stehe Italien schlechter da als noch vor 20
Jahren – die Mafia sei heute deutlich stärker.
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