Man mag es kaum
glauben – aber Mafiosi sind oft gläubige Menschen. Besonders wenn sie der
Ndrangheta im süditalienischen Kalabrien angehören. Die Exkommunizierung
bedeutet für deren Mitglieder die Höchststrafe. Papst Franziskus hat sie jetzt
verhängt. Doch kann Kirchenrecht weltliches Unrecht wirksam bekämpfen?
Als der Papst vor Kurzem Kalabrien besuchte, hat er das
Unfassbare getan: Er exkommunizierte ausdrücklich die Mitglieder der
kalabrischen Mafia. Sie hätten die „Straße des Guten“ verlassen – so der Papst.
Die Mafia sei eine Organisation, die auf der Gier nach Geld gegründet sei und
das Böse anbete. Der Ndrangheta anzugehören hieße, sich den dunklen Mächten
zuzuwenden und bedeute die „Verachtung des Gemeinwesens“.
Franziskus ist von Spenden nicht zu beeindrucken
Die Mafiosi sind geschockt. Bisher hatten sie solch klare
Aussagen des Oberhauptes der katholischen Kirche, die sie mit großzügigen Spenden versorgten, nicht gehört. Bei
einem Papst, der die Armut predigt und dem einfachen Leben huldigt, zieht das
pekuniäre Argument aber nicht.
Kampfansage gegen die Mafia
Das Besondere der italienischen Lebensart war es schon immer,
scheinbar Unvereinbares miteinander zu verbinden. Besonders anschaulich haben
dies die italienischen Romanfiguren Don Camillo und Peppone verkörpert, der
streng kommunistische Bürgermeister und der konservative katholische Pfarrer.
Obwohl nach außen ärgste Feinde halten sie in Notsituationen doch immer
zusammen und sind stets zur Stelle, wenn der andere Hilfe braucht.
Wieder ein Papst, der sich "einmischt"
So ambivalent wie diese beiden geht der neue Papst mit
Widersprüchen wohl nicht wohl nicht.
Nachdem der Vorvorgänger, Johannes Paul II sich bereits massiv ins weltliche Geschehen eingemischt und
maßgeblich zur erdrutschartigen Niederlage des Kommunismus in den
osteuropäischen Ländern beigetragen hat, hat der jetzige Papst Franziskus
offensichtlich die Mafia im Visier.
Tragischer Anlass
Bei seinem Besuch in Kalabrien war der Papst am 21.6.2014 mit
der Familie des zu Anfang dieses Jahres in einem Auto verbrannten drei Jahre
alten Jungen zusammengetroffen. Dieser war mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer
eines zwischen rivalisierenden Mafia-Clans ausgetragenen Racheakts geworden.
„Niemals mehr dürfen Kinder Opfer der Ndrangheta werden“ erklärte der Papst und
brüskierte damit die mächtigste Verbrecherorganisation Italiens.
Hauptgeschäftszweig der Ndrangheta ist der Drogenhandel, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und damit auch gegen
die Lehren der Kirche, wie der Papst betont.
Keine Sakramente mehr für Mafiosi
Der Bischof im süditalienischen Cassano all Jonoi, Nunzio
Galantino, hat die Priester seiner Diözese bereits aufgefordert, der
Exkommunikationsanweisung des Papstes Folge zu leisten und den ihnen bekannten
Mafiosi keine Sakramente mehr zu spenden. Die Verweigerung der Kommunion gegenüber
örtlichen Mafiagrößen durch einzelne Priester wäre ein unglaublicher Affront
und wäre für örtliche Mafiagrößen eine ungeheure Bloßstellung und Blamage.
Gefahr für Sakramente verweigernde Priester
Für die betreffenden Priester wäre dies wahrscheinlich mit größter Gefahr für Leib und Leben verbunden.
Es ist daher zweifelhaft, ob eine nennenswerte Zahl an Priestern dem Ruf des
Papstes folgen wird.
Nicht wenige erinnern sich an das Jahr 1993, als Papst Johannes
Paul II nur scharfe Kritik an den Mafia-Strukturen übte. Bereits dies bezahlte
eine Reihe von Priestern in Süditalien mit dem Leben - eine Warnung der Mafia
an die Kirche. Die Worte des Papstes sind also keinesfalls ungefährlich.
Erste Papst-Kritiker
Inzwischen formiert sich bereits eine kleine Kritikerschar
gegenüber dem bisher ziemlich unangefochten operierenden Papst Franziskus. Die
Kritiker zweifeln an, ob der Papst mit seinen klaren Reden angesichts des
mafiösen Bedrohungspotenzials tatsächlich praktisch etwas bewirken könne. Die
Kritiker merken an, der Papst habe in Lampedusa die Europäische
Union kritisiert und den italienischen Staat mit scharfen
Worten aufgefordert, die afrikanischen Flüchtlinge auf menschenwürdige Weise
aufzunehmen. Gefolgt sei seitens der Regierungen nichts.
Andere verweisen allerdings darauf, dass nach der Kritik des
Papstes sich das Verhalten der Marine beim Aufgreifen von Flüchtlingen im Meer
deutlich verändert habe. Auch die EU habe auf die Kritik mit einer Erhöhung
ihrer Flüchtlingskontingente reagiert, wenn bisher auch nicht im gewünschten
Ausmaß. Die Auswirkungen der päpstlichen Worte auf die Menschen sei auch in
Kalabrien nicht zu unterschätzen.
Deutschland von der Mafia unterwandert
Auf die praktischen Folgen der Papstworte darf man also gespannt
sein. Gerade der Einfluss auf das Denken auch der Mafia nahe stehender Menschen
dürfte der Grund für die Angst der Bosse sein. Für diese steht viel auf dem
Spiel. Was als Opiumankauf in Südamerika beginnt, führt am Ende in Kalabrien zu
einer wundersamen Geldvermehrung.
Die Ndrangetha hat sich inzwischen darauf spezialisiert, einen Großteil der Gewinne in Immobilienkäufe in Deutschland zu
investieren. In Ostberlin, in Leipzig und Dresden gehören der Organisation
inzwischen ganze Stadtviertel. Experten gehen davon aus, dass die Macht der
Ndrangheta – zumindest in finanzieller Hinsicht – in
Deutschland inzwischen wohl so groß ist wie in Italien. Mögen
die Worte des Papstes durchaus zu einer positiven Beeinflussung Einzelner
beitragen, die weltweit wachsenden mafiösen Strukturen wird er nur schwer
brechen können.
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