Schwarze Konten, Geldwäsche, Mafiakontakte: Jahrzehntelang stand die
Vatikanbank unter Verdacht. Ein Schweizer hilft dem Pontifex, das zu ändern.
|
Mit einem Pass des Vatikans reist Jurist Brülhart rund um die Welt |
Wenn René Brülhart auf
dem Weg ins Büro durch den Vatikan geht, entbieten ihm italienische Gendarmen
und Schweizer Gardisten den militärischen Gruß. Jeder der 900 Einwohner im
Kirchenstaat kennt den 41-jährigen Freiburger.
Im kleinsten Staat der
Welt arbeitet er an einer großen Aufgabe. Als Direktor der Finanzaufsicht soll
der Jurist den Vatikan von schmutzigem Geld säubern. Dafür sorgen, dass die
Vatikanbank – offiziell: Istituto per le Opere di Religione (IOR) – genau weiß,
wer ihre Kunden sind. Und sicherstellen, dass nur noch Kleriker und deren
Organisationen ihre Gelder hinter den dicken Mauern der Kirchenbank bunkern.
Also auch keine Mafiosi mehr.
Glasnost und Perestroika im Vatikan
Im Kirchenstaat
herrschen Glasnost und Perestroika, Transparenz und Umbau. Wiederholt machten
der Vatikan und seine Bank mit Finanzskandalen Schlagzeilen. 1982 zum Beispiel,
als Roberto Calvi ermordet aufgefunden wurde.
|
René Brülhart aus Freiburg: «Wo es Veränderungen gibt, sind nicht immer alle glücklich» |
Aufgeknüpft unter der
Londoner Blackfriars Bridge, die Taschen voller Geldbündel und Steinen. Mit engen
Kontakten zu Mafia und Vatikanbank galt Calvi als «Bankier Gottes». Im Januar wurde der
Prälat Nunzio Scarano (62) angeklagt. Dem Topfunktionär der vatikanischen
Vermögensverwaltung werden Geldwäscherei und Spendenbetrug vorgeworfen. Am
Samstag wurde bekannt, dass zwei Ex-Chefs der Vatikanbank wegen Geldwäscherei
vor Gericht müssen. Der Schweizer Brülhart soll dafür sorgen, dass solche
Geschichten nicht mehr vorkommen. Kein einfacher Job in einem Umfeld von
Intrigen und Machtkämpfen.
Papst Franziskus (77)
hatte schon überlegt, die 127-jährige Vatikanbank ganz aufzugeben. Nicht alle
Bischöfe und Kardinäle stehen hinter solch radikalen Reformideen. Entsprechend
diplomatisch äußert sich Brülhart; überall lauern Fallen und Fettnäpfe. Er war
kurz davor, den Bettel hinzuschmeißen. Er sagt dazu lediglich: «Wo es
Veränderungen gibt, sind nicht immer alle glücklich.» Grundsätzlich aber sei
die Unterstützung groß.
|
Die Vatikanbank |
Kampf gegen Geldwäscherei
In eineinhalb Jahren hat
er einiges erreicht. Der Europarat bescheinigte dem Kirchenstaat im Dezember
wesentliche Fortschritte im Kampf gegen Geldwäscherei. Die Vatikanbank, die
Brülhart beaufsichtigt, bereinigt tatsächlich ihre Kundenbeziehungen. Ihren
Sitz hat die IOR im Turm Niccolò V., hinter sechs Meter dicken Mauern, gleich
neben dem Papstpalast. Die Schalterhalle im ersten Stock prunkt mit
Marmorböden.
Während Bankkunden ihre
Geschäfte abwickeln, sitzen im 5. Stock Buchprüfer im Ex-Büro des Bankenchefs.
An Bildschirmen überprüfen sie Konten und verdächtige Transaktionen.
2013 erhielt Brülharts
Aufsichtsbehörde rund 200 Meldungen über verdächtige Gelder. 2012 waren es
gerade mal sechs, 2011 nur eine einzige.
|
Brülhart ist Direktor der Finanzaufsicht im kleinsten Staat der Welt |
Von vielen Kunden hat
sich die Bank getrennt. Führte sie im November 2011 noch 20772
Kundenbeziehungen, waren es zuletzt nur noch 18900. «Das System beginnt zu
greifen», sagt Brülhart. Seit er die Behörde leitet, hat sie spektakuläre
Abkommen mit ausländischen Aufsichtsbehörden und Meldestellen für Geldwäscherei
getroffen. Darunter mit den USA, Italien, Deutschland.
Brülhart ist viel
unterwegs im Auftrag seiner Heiligkeit, auf Flug LX 1726 ist er Stammgast. Es
ist die Swiss-Verbindung zwischen seinem Wohnort Zürich und Rom, wo ihn
Antonio, sein Chauffeur, in einem kleinen Mazda abholt. Brülharts Büro im
ersten Stock des Palazzo San Carlo ist eine Stunde vom Flughafen entfernt. In
den Fluren hängen Bilder und Zeichnungen von Papst Franziskus und seinem
Vorgänger Benedikt XVI.
Neben der Bürotür ein
schlichtes Messingschild: «Direttore». Drinnen ziert ein Kreuz die Wand, auf
dem Arbeitstisch stapeln sich Aktenmäppchen und Ordner.
Immer auf Achse
Drei bis vier Tage die
Woche arbeitet Brülhart in Rom, residiert – wie der Papst – im Gästehaus Santa
Marta. Die restliche Zeit verbringt er an Flughäfen, in Flugzeugen, an
Konferenzen, reist mit einem offiziellen Pass des Kirchenstaats um die Welt.
«Der Vatikan ist eine
globale Institution. Man muss viel rausgehen und erklären, was wir machen und
warum», sagt Brülhart. Internationale Zusammenarbeit sei wichtig. Bereits gehört der zuvor
viel gescholtene Kirchenstaat zur Egmont-Gruppe, einer weltweiten Vereinigung
von Meldestellen für Geldwäscherei. Bis vor wenigen Jahren war das völlig
undenkbar.
Erstmals in seiner
Geschichte hat der Vatikan sogar ein Rechtshilfegesuch an einen anderen Staat
gestellt. Auch wenn Italien bis heute nicht darauf reagiert hat, ist dies als
Zeichen einer neuen Ära zu werten. Dazu passt, dass auf Brülharts
Vatikanbank-Kreditkarte steht: «Tertium Millennium», drittes Jahrtausend.
.