Ein Drogendealer sitzt in der Schweiz im Gefängnis. Dort soll er
auch bleiben. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona hat entschieden, dass er
nicht an seine Heimat ausgeliefert wird. Er bleibt vielleicht kein Einzelfall.
In italienischen Gefängnissen seien die Haftbedingungen
menschenrechtswidrig, so urteilten die Schweizer Richter. Das
Bundesstrafgericht in Bellinzona folgt damit einem entsprechenden Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ein Italiener, der wegen
Drogenhandels angeklagt ist, bleibt in der Schweiz in Haft.
Laut SRF-Italienkorrespondent Massimo Agostinis sind die
Verhältnisse in italienischen Gefängnissen tatsächlich menschenunwürdig. «Es
gibt die Nichtregierungsorganisation Antigone, die immer wieder Filme dreht in
den verschiedenen Gefängnissen und sie der Öffentlichkeit zeigt. Was man darin
sieht, erinnert eher an afrikanische als an europäische Verhältnisse.»
Es drohen Geldforderungen aus Straßburg
Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg kennt die Zustände.
Er hat damit gedroht, das Land in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu einer
Schadenersatzzahlung von 50 bis 100 Millionen Euro zu verurteilen, wenn es sein
Gefängniswesen nicht in Ordnung bringt. «Das Geld würde an die Klagenden in
Italien gehen, die vor ein paar Jahren verschiedene Rekurse eingereicht haben»,
erklärt Agostinis.
Dafür, dass die Gefängnisse in Italien so schlecht sind, gibt es
verschiedene Gründe. «In erster Linie hat Italien kein Geld für den Unterhalt»,
gibt der Korrespondent zu bedenken. Außerdem hätten die Gefangenen haben keine
Lobby. «Sie werden als der Abschaum der Gesellschaft betrachtet, noch viel
stärker als in nördlichen Ländern.»
Zudem habe Italien
verschiedenste Gesetze, die zu einer Überbelegung führten. «Man landet im
Gefängnis für kleine Verkehrsdelikte, Mini-Drogendelikte. Aber auch die
illegale Einwanderung ist ein Vergehen, das mit Gefängnis geahndet wird.» Das
sind laut Agostinis alles Vergehen, die eigentlich nicht mit Gefängnis geahndet
werden müssten, sondern mit anderen Maßnahmen.
Regierungswechsel Schuld an Stillstand
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 60'000 Gefangene hat
Italien (Vergleich Deutschland: 64.000). Denen stehen 45'000 Haftplätze gegenüber
(Vergleich Deutschland 72.000). In Ligurien und Apulien sind die Gefängnisse
mit 167 Prozent Auslastung überfüllt. «Es gibt viele Suizide», weiß Agostinis.
«Nicht nur unter den Gefangenen, auch unter den Wärtern, die die Zustände nicht
mehr aushalten.»
Die italienische Regierung sei sich der Problematik zwar
bewusst. «Seit Berlusconi weg ist, hat sie begonnen, verschiedenste Maßnahmen
einzuführen. Die Regierung ist auch daran, gewisse Gesetze, die die Gefängnisse
überfüllen, wieder abzuschaffen», sagt der Korrespondent in Rom. Aber all das
brauche Zeit. Die vielen Regierungswechsel hätten die dringend nötigen Reformen
bisher immer wieder ins Stocken gebracht.
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