Ein Anschlag auf die Milliardenerbin eines
Immobilienimperiums erschüttert das Fürstentum. Die Ermittler vermuten die
’Ndrangheta oder die Camorra hinter der Tat.
Bei einem Anschlag im
südfranzösischen Nizza ist die Erbin eines monegassischen Immobilienimperiums
schwer verletzt worden. Ein Unbekannter feuerte laut Polizeiangaben am
Dienstagabend auf den Wagen der 77-jährigen Hélène Pastor, als dieser ein
Krankenhaus verließ. Auch ihr Fahrer wurde schwer verletzt. Der Täter und ein
Komplize konnten zu Fuß fliehen.
Ein VIP-Leben lang war
Hélène Pastor diskret, mied Anlässe mit Scheinwerferlicht und Kameras.
Diskretion war gar das prägendste Markenzeichen dieser reichen und strengen
monegassischen Immobilienerbin. Es gibt nur wenige öffentliche Fotos von ihr,
das jüngste ist 16 Jahre alt. Ihrer prominenten Kundschaft gefiel das so.
Wem Pastor eine ihrer teuren Wohnungen vermietete, der wusste, dass die
Angelegenheit vertraulich bleiben würde. In Monaco, dem Paradies der
Steueroptimierer, ist das nun mal eines der wichtigsten Kriterien. Die Pastors
beherbergen viele dieser reichen Teilzeit-Monegassen. Es gehört ihnen ein
Drittel aller Immobilien im Fürstentum. Geschätztes Familienvermögen:
19 Milliarden Euro.
Nun aber prangt das alte
Bild von Hélène Pastor in allen Zeitungen, die Schlagzeilen dazu sind düster.
Seit einer Woche liegt die 77-jährige Frau im Koma. Lebensbedrohlich getroffen
am Hals, am Brustkorb, am Kiefer. Überrascht von einem Auftragsmörder, der ihr
auf dem Parkplatz vor einem Spital in Nizza aufgelauert hatte. Ihr Chauffeur
und Butler, ein Ägypter, der seit 30 Jahren für sie gearbeitet hatte, starb an
den Verletzungen, die er im Kugelhagel erlitt.
Und Monaco, diese kleine
Welt an der Riviera, weiß nicht, wie ihr geschieht. Fürst Albert II.
schreibt in einem Communiqué von seiner «tiefen Bestürzung» über die
dramatischen Ereignisse. Die Pastors sind enge Freunde der herrschenden
Grimaldis, seit vielen Generationen schon. Beide Dynastien haben italienische
Wurzeln, sie teilen sich gewissermaßen die Macht. In Monaco nennt man die
Pastors «die zweite Fürstenfamilie».
Auf den ersten Blick
scheint vieles rätselhaft an dieser Kriminalgeschichte. Schon die Tat an sich:
Die Ermittler haben zwar viel Material von Videoüberwachungskameras und von einem
Dutzend Augenzeugen, von denen manche die Szene auf dem Parkplatz mit ihrem
Handy gefilmt haben. Doch allzu viele Elemente verwirren die Fahnder. Der Täter
kam mit dem Taxi. Er wartete hinter einer Mauer, bis Hélène Pastor aus dem
Krankenhaus trat, in dem sie ihren rekonvaleszenten Sohn besucht hatte.
Sie
setzte sich auf den Beifahrersitz. Der Täter näherte sich dem Wagen,
unmaskiert, zog sein Jagdgewehr aus der Tasche und schoss durchs
Beifahrerfenster. Mehrmals. Dann vergewisserte er sich, ob er auch getroffen
hatte, schaute dafür durchs Fenster, schoss noch einmal. Auf dem
Armaturenbrett, leicht greifbar, lag Pastors Handtasche. Der Täter ließ die
Tasche dort liegen, drehte ab, ohne Hast, setzte sich auf das Motorrad eines
Komplizen, der auf ihn wartete, und fuhr weg.
In den Lokalzeitungen wähnt
man sich an Vergeltungsmorde erinnert, wie man sie so in Frankreich sonst aus
dem Drogenmilieu von Marseille kennt: brutal, ohne Aufhebens um Zeugen. Nur
dass sie in Marseille mit Kalaschnikows zugange sind, nicht mit Jagdgewehren.
Zunächst wurde spekuliert, dass der Fahrer das Ziel des Anschlags gewesen sein
könnte. Doch der hatte schon seit zwei Stunden im Auto gesessen. Der Schütze
schritt erst zur Tat, als Pastor dazu kam. Und er schoss zuerst gezielt auf
sie. Nur, warum?
Die
Hand der Clans
Am plausibelsten erscheint
den Ermittlern die These, wonach die kalabrische Mafia, die ’Ndrangheta, oder
die neapolitanische Mafia, die Camorra, hinter der Tat stehen könnte. Dass
Clans womöglich ein Zeichen setzen, einen Widerstand brechen wollten. Seit
etlichen Jahren schon warnen die italienischen und französischen Behörden vor
einer Infiltrierung der Clans weit über die Grenzen hinaus: nach Menton,
Monaco, Nizza, Antibes, Cannes, Saint-Tropez. Allein in den letzten Wochen
wurden an der Côte d’Azur mehrere mutmaßliche Emissäre der Mafia festgenommen,
solche auch, die Verbindungen zu berühmten italienischen Politikern haben.
Die Mafia kauft sich
offenbar gerade massiv und aggressiv in den Immobilienmarkt ein, um Geld zu
waschen. Auch russischen Investoren gefällt die Gegend über die Massen gut. Im
Luxussegment von Monaco führt kein Weg vorbei an den Pastors. Hélènes Großvater
Jean-Baptiste, ein ligurischer Steinhauer, war 1880 ins Fürstentum
ausgewandert. Er war es, der das Fundament des Imperiums legte.
Der große Coup gelang
aber seinem Sohn Gildo, dem Vater Hélènes, der nach dem Zweiten Weltkrieg für
wenig Geld viel unbewohntes Land kaufte auf dem Larvotto, einem Stück
monegassischer Küste. Als Fürst Rainier das Land in Zonen einteilte, zog Gildo
Pastor dort eine Reihe Hochhäuser mit schönen Namen und unverbaubarer
Meersicht hoch. Der Quadratmeterpreis hat sich seither versechzigfacht.
Von Gildos drei Kindern,
die den Immobilienpark erbten, lebt nur noch Hélène. Victor Pastor starb vor
zwölf Jahren. Und Michel Pastor, ehemals Präsident des örtlichen Fußballvereins,
der AS Monaco, erlag vor einigen Monaten einer langen Krankheit. Hélène ist
bekannt dafür, dass sie das Vermögen nur verwalten möchte. Mieten eintreiben,
das reicht ihr. Bauen mag sie nicht, verkaufen auch nicht. Gab es womöglich
deshalb Reibungen? Versuchten die Clans, Pastor zum Verkaufen zu drängen, und
scheiterten? Trachteten sie nun danach, die Familie in ihrem fragilsten Moment
zu treffen? Und wie stehen die nachrückenden Generationen zum Geschäft? Solch
niedere und trübe Fragen umwehen das Paradies.
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