Der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio
Berlusconi soll zehn Monate als Altenpfleger arbeiten. Viele lachen darüber,
andere sind verärgert. Ihm selbst eröffnen sich durch das Urteil ganz neue
Möglichkeiten.
"Oh nein, ich werde mich wegdrehen, wenn ich ihn
sehe!" Die Rentnerin aus Cesare Boscone in der Lombardei reagiert empört
auf den prominenten Altenpfleger, der demnächst in der "Fondazione Sacra
Famiglia" seinen Dienst ableisten wird. Andere dagegen freuen sich darauf,
dass Silvio Berlusconi in den kommenden zehneinhalb Monaten vier Stunden
Sozialdienst pro Woche in ihrem Dorf ableisten soll: "Er ist sympathisch,
ich habe ihn immer gewählt", erzählt eine andere Seniorin.
In der "Instituzione Sacra Famiglia" in der Lombardei muss der Ex-"Cavaliere" Sozialdienst leisten |
Der Europäische Gerichtshof in Strasbourg hat am
Dienstag (15.4.2014) erneut den Antrag abgelehnt, mit dem der ehemalige
italienische Ministerpräsident eine Aussetzung des Ämterverbots gefordert
hatte, das gegen ihn mit dem Urteil wegen Steuerbetrugs verhängt worden war.
Damit kann Berlusconi seine Hoffnung, bei den EU-Wahlen am 25. Mai kandidieren
zu dürfen, endgültig begraben und muss die gegen ihn verhängte Strafe antreten.
Berlusconi verliert erneut
Es ist die zweite Niederlage des
Ex-"Cavaliere" innerhalb einer Woche. Zuletzt hatte der Europäische
Gerichtshof die Beschwerde gegen das Anti-Korruptions-Gesetz abgewiesen, die
Berlusconis Anwältin Ana Palacio gemeinsam mit Unterschriften seiner Forza-Italia-Anhänger
eingereicht hatte. Genau dieses Gesetz hatte ihn im November seinen Sitz im
Senat gekostet.
Nun muss der Politiker, der erst kürzlich den
Sozialdienst als eine Demütigung bezeichnet hat, als Altenpfleger in der
Fondazione Sacra Famiglia arbeiten.
Die Einrichtung für alte und behinderte Menschen ist
gut 30 Kilometer von seiner prunkvollen Villa in Arcore entfernt. Der kleine
Ort im Hinterland Mailands ist dem "Cavaliere" nicht ganz unbekannt.
Es ist ironischerweise der Heimatort von Massimo Tartaglia, der Silvio
Berlusconi 2009 mit einem Souvenir in der Piazza Duomo in Mailand angegriffen
und verletzt hatte.
Zurückhaltender Empfang
In dem Seniorenheim war von Begeisterung nichts zu
spüren, als die Nachricht von dem neuen Helfer die Runde machte. "Ich glaube
nicht, dass er hier reinpasst", sagt eine Mitarbeiterin gegenüber dem
italienischen Fernsehen. "Allerdings wird er in Kontakt mit einer anderen
Realität kommen, die er nicht kennt. Vielleicht tut ihm das ganz gut."
Nicht alle sind jedoch so zuversichtlich. "Einen
halben Tag in der Woche, was für eine Rehabilitation soll das denn sein?"
fragt eine Besucherin. “Ich glaube kaum, dass das was bringen wird“.
20 Tage Arbeit in zehn Monaten
Rechnet man die Gesamtstundenzahl aus, so muss
Berlusconi tatsächlich nur knapp 21 Tage arbeiten. Nach Ansicht vieler
Italiener, darunter auch Politiker, wäre ein gewöhnlicher Bürger in derselben
Situation vermutlich härter bestraft worden.
Felice Casson, ehemaliger Richter und Senator der
sozialdemokratischen PD-Fraktion, sieht es genauso: “Ich kann nachvollziehen,
dass es für Normalbürger nur schwer zu verstehen ist, wie man zu so einer
milden Strafe kommen konnte.
Casson: "Bin perplex über das milde Urteil" |
Als ehemaliger Richter bin ich selbst etwas perplex
über dieses Urteil. Ich kann mir das nur so erklären dass die Mailänder Richter
Berlusconis politische Aktivitäten berücksichtigt haben.“ Er vermute, man habe
den Vorwurf eines "politischen" Urteils vermeiden wollen. “Eine
Wahlkampagne zu beeinflussen, hätte zu Protesten und Kontroversen geführt. Ich
denke, das wollte das Gericht verwerfen“, so Casson.
Berlusconis Anwälte äußerten sich zufrieden über das
Urteil. Kein Wunder, denn der 77-jährige Milliardär, im vergangenen August in
der Affäre Mediaset rechtskräftig verurteilt, muss wegen seines hohen Alters
weder ins Gefängnis, noch wurde er unter Hausarrest mit den dazugehörigen
strengen Auflagen gestellt. Stattdessen darf er zu beruflichen Zwecken sogar
nach Rom reisen, obwohl er eigentlich die Lombardei nicht verlassen darf.
Das bedeutet, Berlusconi kann sich weiterhin politisch
frei bewegen und die Wahlkampagne hinsichtlich der Europawahlen am 25. Mai für
Forza Italia führen, auch wenn er nicht selbst kandidieren darf.
Hohn und Spott im Internet
Auf Facebook und Twitter zirkulieren derweil unzählige
Gags über Berlusconis bevorstehende Aufgabe. Posts mit Fotomontagen, in denen
Berlusconi mit Witzen die älteren Menschen unterhält oder mit Krankenschwestern
flirtet, überschwemmen das Internet.
Doch auch an bissigen Kommentaren mangelt es nicht:
“Die armen Menschen im Altenheim, sie sind diejenigen, die bestraft wurden.“
Oder: “Berlusconi wird das Altenheim für seine Wahlkampagne ausnutzen“,
twittern viele. Vermutlich haben sie Recht, denn Berlusconi ist ein Medienprofi
und wird versuchen, sein Image durch den Sozialdienst aufzupolieren.
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