Von Roman Lehberger und Andreas Ulrich
Ermittler haben einen der meistgesuchten Betrüger Deutschlands gefasst.
Nach über zehn Jahren Fahndung sitzt Arkadiusz "Hoss" Lakatosz in
Untersuchungshaft. Gemeinsam mit seinem Clan soll er Rentner um ihr Erspartes
gebracht haben.
Eine schwarze Mercedes S-Klasse mit
cognacfarbener Lederausstattung, frisch gewaschen und poliert, parkt im
Innenhof einer bewachten Wohnanlage in der Warschauer Innenstadt. Bewaffnete
Polizisten haben sich Sturmhauben über den Kopf gezogen, ein Wachmann öffnet
ihnen leise die Haustür. Um Punkt sechs Uhr hämmern sie am Eingang zur Wohnung
Nummer 68 im vierten Stock: "Aufmachen! Polizei!"
Ein Wehklagen hebt an, eine Frau schreit:
"Mein Mann ist nicht da!" Stimmt aber nicht. Arkadiusz
"Hoss" Lakatosz, Fahrer der S-Klasse, liegt verschlafen im Bett. Er klagt sofort über
Kreislaufbeschwerden, die Polizei bestellt einen Rettungswagen. Er trägt
Sportkleidung, als die Beamten ihn abführen, erst ins Krankenhaus und dann ins
Gefängnis. Der Zugriff fand am Dienstag statt. Am Donnerstag wurde Lakatosz der
Haftbefehl verkündet.
Hunderte Rentner in
Deutschland sind Opfer der Bande
Das legere Outfit stand in krassem
Gegensatz zum üblichen Auftreten von Lakatosz, der auf gepflegtes Äußeres
achtet. Er schmiss Partys in Schlössern, ließ Sängerinnen auftreten und
Feuerwerk zünden, Hubschrauber flogen Gäste ein. Den ganzen Prunk und Protz, glauben
Ermittler, haben deutsche Rentner bezahlt. Auf ihr Erspartes, mitunter über
Jahre angesammelt, hatten es Lakatosz und sein Clan abgesehen.
Hunderte Opfer gibt es in Deutschland,
viele stürzte der Betrug in eine tiefe Krise, manche schämen sich so sehr, dass
sie sich nicht zur Polizei trauen. Die Täter hingegen führten ein Leben in Saus
und Braus.
Von Polen aus durchsuchten sie
systematisch Telefonbücher nach Namen wie Elvira oder Emil, die auf ältere
Menschen hindeuten. "Rate mal, wer hier ist!", begann so ein
Gespräch. Wenn das Opfer einen Verwandten zu erkennen glaubte, zogen die
Anrufer es in ihren Bann. Schnell kam dann eine Immobilie zum Schnäppchenpreis
oder ein tragischer Unfall zur Sprache, was dringend und schnell Bargeld
erforderte. Notfalls nahmen sie auch Schmuck.
Sobald Oma versprochen hatte, das Geld zu
besorgen, informierte der Anrufer einen Komplizen, der ein Netz von Abholern in
Deutschland dirigierte. Kuriere brachten das Geld sofort nach Polen.
Der Legende nach waren die Lakatosz-Brüder
1999 in Hamburg beim Versuch eines Telefonbetrugs auf den Trick gekommen. Die
Masche erwies sich als äußerst erfolgreich. Nach einer Wohnungsdurchsuchung bei
Lakatosz 2001 setzten er und sein Bruder Adam sich nach Polen ab und
telefonierten von dort aus. Sämtliche Versuche deutscher Behörden, die
polnischen Kollegen zur Zusammenarbeit zu bewegen, scheiterten. Als polnische
Staatsbürger waren die Lakatosz-Brüder lange vor Strafverfolgung sicher.
Arzt attestierte ein
Herzleiden
2007 sah es kurz so aus, als könne man
ihnen das Handwerk legen. Lakatosz wurde aufgrund eines Haftbefehls aus
Stuttgart festgenommen. Doch ein Arzt attestierte Haftunfähigkeit wegen eines
Herzleidens. 25.000 Euro soll "Hoss" das Gutachten gekostet haben.
Lakatosz machte munter weiter.
Der Geldbedarf der zu den Roma gehörenden
Sippe war offenbar riesig. Alles ging drauf für Autos, Gemälde, Partys. Auf
Youtube ist ein illegales Straßenrennen zwischen Hoss-Sohn Marcin, genannt
Lolli, in einem Mercedes SLR McLaren gegen ein Familienmitglied im Ferrari in der
Warschauer Innenstadt dokumentiert, bei dem Lolli die Kontrolle über seinen
Wagen verlor und in parkende Autos raste. Die Bilanz des Unfalls: Mehrere
Verletzte und Totalschaden an dem Mercedes im Wert von rund 500.000 Euro. Den
Verlust dürften deutsche Rentner ersetzt haben.
Nachbarn waren der aufwendige Lebensstil,
die teure Einrichtung und die lauten Partys der Lakatosz-Sippe nicht geheuer.
Er handle mit Schmuck, rechtfertigte Hoss den Wohlstand. Doch wie
Schmuckhändler sahen seine Söhne und Cousins nicht aus.
Die Polizei
beschlagnahmte den Mercedes, Gemälde und Vasen
Im November 2012 beauftragte die Staatsanwaltschaft
Hamburg die Spezialabteilung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität im
Landeskriminalamt mit neuen Ermittlungen. Allein in dem Verfahren geht es um
Beute von rund zwei Millionen Euro. Auch die polnischen Behörden waren jetzt zu
Ermittlungen bereit.
Eine gewisse Befriedigung war den Nachbarn
in Warschau anzumerken, als Polizisten "Hoss" Lakatosz am Dienstag
gegen 8 Uhr abführten, den Mercedes abschleppten, Gemälde, Vasen und Porzellan
aus seiner Wohnung beschlagnahmten.
Zeitgleich wurden in Polen weitere
Clan-Mitglieder verhaftet, darunter sein Bruder Adam in Posen. Auch in
Deutschland schlug die Polizei zu, unter anderem in Hamburg, Essen und
Duisburg. Bei den Verdächtigen wurden Autos wie Mercedes, Porsche und Ferrari
sowie Gemälde und Schmuck beschlagnahmt.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/betrug-durch-enkel-trick-polizei-nimmt-bande-in-polen-fest-a-972412.html
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