Der letzte Semesterbericht
der DIA für die parlamentarische Sicherheitskommission gibt klare Auskünfte
über die Wandlung der archaischen Mafia zur Elite-Organisation. Immer häufiger,
heißt es dort, werden Elemente im Umkreis der Ehrenwerten Gesellschaft lokalisiert,
die einen Universitätsabschluss besitzen und eine langjährige erfolgreiche
Berufskarriere hinter sich haben. Oft treten diese Kaderleute selbst in den
Rang von Paten, was vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die so
genannten colletti bianchi, die Mafiosi im Anzug, können jahrelang
miteinander kommunizieren, ohne sich je zu sehen. Der rituelle Kuss der Mafiosi
ist Geschichte.
Die Piazza als Treffpunkt
existiert nicht mehr. Heute ist die Piazza virtuell, und die
Bügelfalten-Mafiosi sind online miteinander verbunden. Der eine sitzt in
Palermo, der andere in Frankfurt oder Zürich. Das
Jahres-Budget der italienischen Mafia ist größer als der Etat der EU, so das
italienische Außenministerium. Mehr als 200 Milliarden Euro erwirtschaftet
das Organisierte Verbrechen im Land.
Doch nur zehn Prozent des Geldes bleiben
in Italien, der Rest wandert ins Ausland. „Die Mafia hat überall gute
Freunde“, so Giovanni Brauzzi, Sicherheitsdirektor des Außenministeriums. Zum
Vergleich: Das Jahresbudget der EU liegt bei 140 Milliarden Euro.
Brauzzi warnte in Brüssel davor, dass
die Mafia eng mit dem italienischen Rechtssystem zusammenarbeite,
um etwa gegen kleinere Cyber-Angriffe vorzugehen. Das münde in einer für beiden
Seiten vorteilhaften Beziehung: „Die Mafia besorgt Beweismittel,
um diese kleinen Aktivitäten zu stoppen. Dafür können sie ihre Geschäfte
ungestört durchführen.
Top-Manager und Spitzen-Anwälte seien
auf der Gehaltsliste der Mafia. Brauzzi stellte weiter fest, dass die Mafia
ihre „Investitionen“ außerhalb der Grenzen Italiens verschoben habe. Zudem wäre
das Organisierte Verbrechen tief im Bankensystem des Landes
verwurzelt, berichtet der Observer.
Korruption ist ein ernsthaftes Problem im Land, das
sagen auch rund die Hälfte aller italienischen Unternehmen, die im Februar im Anti-Korruptionsbericht
der EU veröffentlicht wurde.
Marano, eine Stadt
nördlich von Neapel, ist das Königreich der hochgebildeten Camorristi. Sie haben einerseits
Verbindungen zu den Familien der Cosa Nostra, andererseits zu Politikern, Banken
und großen Unternehmen. In der Via Poggio Vallesana, eine der Straßen in der
eleganten Enklave von Marano, lebt der Mafiaboss „der Arzt". Man nennt ihn
auch Stefano Brutto, 43 Jahre alt. Eine Penthousewohnung mit allen
Sicherheitsvorkehrungen. Die Ermittler wissen nicht einmal, wer Stefano Brutto
ist. Den Namen gibt es nicht. Er ist klug,
elegant, sympathisch und top ausgebildet. Ein lebender Schläfer der Camorra und scheinbar Lichtjahre
von der Sippe und der Kriminalität entfernt.
Stefano Brutto gehört zur Camorra 2.0. Wer in den Absteigen des Stadtteiles lebt, benötigt weniger Miete als eine Dosis Heroin, wer in Marano wohnt, muss ein Vermögen aufbringen. Man hat in diesen Wohnungen mehrere Hundert Millionen Euro gefunden und beschlagnahmt, wohl wissend, dass die Beträge nur ein kleiner Teil der Finazmittel ist, mit denen die Top-Cammoristi umgehen.
Die Bindung zur
Camorra hat sich weiter entwickelt. Weg von dem Clan in die Anonymität
unbeschreiblichen Reichtums. Hier gibt es keinen Platz für Verbrecher mit
dümmlichem Gewaltprofil. Sie sind hier fehl am Platz. Wir sprechen über
Manager, die jederzeit auch einen Konzern leiten könnten und hochprofessionelle
Dienstleistungen anbieten.
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