Es könnte so schön sein. Eine Kleinstadt
im Süden Italiens. Ein Bourbonenschloss, erbaut nach dem Vorbild von
Versailles, eingebettet in einem der größten Parks Europas.
Doch der Eindruck trügt. Caserta in
Kampanien, nördlich von Neapel, ist ein Ort der Krise. Stadt und Provinz
befinden sich im Würgegriff der organisierten Kriminalität. Die Camorra hat auf
den Ackerflächen ringsum giftigen Müll entladen und verbrannt. Die Erde ist
verseucht. "Terra dei Fuochi", "Erde des Feuers", wird die
Gegend deshalb genannt.
Nicht nur das. Im nahegelegen Castel
Volturno zogen im Juli Immigranten durch die Straßen, zündeten Autos an und
lieferten sich Scharmützel mit der Polizei, nachdem auf zwei junge Ivorer
geschossen worden war. Und als ob das noch nicht reichen würde: Lehrlinge,
Schulabgänger und Universitätsabsolventen finden keine Stelle. Die
Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 60 Prozent.
Mafia, Müll,
Meutereien
Mafia, Müll, Meutereien der Flüchtlinge
und miese Perspektiven für den Nachwuchs – Papst Franziskus dürfte sich deshalb
dafür entschieden haben, die Messe in Caserta zu feiern.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche
will ein Zeichen setzen und den Menschen in der schwierigen Zeit Mut machen. Es
ist wohl auch eine persönliche Hommage an einen mutigen Geistlichen. Vor fast
genau 20 Jahren wurde Don Giuseppe Diana umgebracht. Der Priester aus Casal di
Principe, einem Ort westlich von Caserta, war in den 90er-Jahren einer der
lautstärksten Anti-Mafia-Kämpfer in der katholischen Kirche.
Franziskus flog am Nachmittag mit dem
Helikopter aus Rom ein. Dabei passierte er auch die Terra dei Fuochi. "Es
ist schrecklich, dass eine solch schöne Landschaft ruiniert wird. Es herrscht
kein Respekt für die Umwelt, es herrscht ein Klima des Gesetzesbruchs",
soll der Papst laut Angaben seiner Begleiter gesagt haben. Unter den Reisenden
befand sich unter anderem der Substitut des Vatikanischen Staatssekretariates,
Giovanni Angelo Becciu.
Um 18.00 Uhr begann die Zeremonie auf
der Piazza Carlo III. vor dem barocken Königspalast, "Reggia di
Caserta" genannt, vor einer gigantischen Menschenmasse. Die Besucherzahl
wurde auf 200.000 geschätzt. Geschwenkt wurden argentinische und auch
ukrainische Flaggen. Immigranten aus Castel Volturno hielten ein Transparent
hoch. Darauf war zu lesen: "Vereint gegen die Camorra und Rassismus".
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Caserta Citta Vecchia |
Papst Franziskus wandte sich in seiner
Predigt den Immigranten zu. "Die Gegenwart von Jesus Christus verändert
unsere Existenz. Sie macht uns offen für die Bedürfnisse unserer Brüder. Sie
lädt uns dazu ein, jeden anderen zu empfangen, auch den Fremden oder den
Immigranten."
Auch die Themen Kriminalität und
Umweltschutz griff er auf. "Man muss den Mut aufbringen, nein zu sagen zu
jeder Form der Korruption und Gesetzlosigkeit", sagte Papst Franziskus
unter dem Beifall der Zuhörenden. "Man muss sich für die Umwelt einsetzen,
um die Gesundheit seiner Mitmenschen zu gewährleisten. Wir wissen alle, wie der
Name dieser Korruption und Illegalität lautet."
Ein Lichtblick im
Regen
Angereist waren die Menschen mit Pkws,
Bussen und Bahnen aus dem ganzen Land. Um den Ansturm zu bewältigen, richtete
die italienische Bahn Sonderfahrten ein. Die Menschen trotzten dem schlechten
Wetter. Auf der Piazza Carlo III. in Caserta spannten die Besucher ein Heer an
Regenschirmen auf. Die meisten schützten sich mit Plastikumhängen vor dem
Wolkenguss. Als Papst Franziskus das Wort ergriff, kam allerdings die Sonne
heraus.
Es ist ein verregneter Sommer in
Italien. Am Samstag war der Niederschlag teilweise so stark, dass Flüsse über
das Ufer traten. Besonders betroffen war Mailand. Der Norden der lombardischen
Metropole wurde in Teilen durch den Fluss Seveso überschwemmt. Im Zentrum
Mailands in der Nähe der Porta Romana tat sich im Asphalt ein zwölf Meter
tiefer und sechs Meter breiter Schlund auf. Mehrere Straßen und Plätze wurden
gesperrt.
Der Süden Italiens liegt Papst
Franziskus am Herzen. Die Themen Immigration und organisierte Kriminalität sind
ihm wichtig. In diesem Jahr besuchte der Pontifex bereits die Mittelmeerinsel
Lampedusa, die für afrikanische Flüchtlinge das Tor zu Europa ist, Cagliari auf
Sardinien und die Region Kalabrien, die eine Hochburg der 'Ndrangheta ist. Die
Clanorganisation dominiert den Verkauf von Kokain und ist international
präsent, auch in Deutschland hat sie Fuß gefasst.
Papst Franziskus wirbt für mehr Toleranz
gegenüber den Flüchtlingen und verurteilt kriminelle Umtriebe. In Kalabrien
verstieß er Mafiosi aus der christlichen Gemeinschaft. "Diejenigen, die
den Weg des Bösen gehen, so wie es die Mafiosi tun, sind nicht in der
Gemeinschaft mit Gott. Sie sind exkommuniziert", sagte Papst Franziskus.
Pommes in der Kantine
Reisen in Krisengebiete, klare Worte –
Papst Franziskus sucht die Nähe zu den einfachen Menschen. Manchmal tut er das
auch vollkommen unerwartet. Am Freitag stellte sich der Pontifex unangemeldet
in der Kantine des Vatikans an. Er lud sich einen Stück Kabeljau, Pasta,
gegrillte Tomaten und einige wenige Pommes auf sein Tablett.
Kassiererin Claudia Di Giacomo sei so
baff gewesen, dass sie sich nicht getraut habe, ihm die Rechnung auszustellen,
schrieb die Vatikan-Zeitung "L'Osservatore Romano". Statt zu
bezahlen, spendete Franziskus einen päpstlichen Segen. Während des Essens
plauderte er mit Lagerarbeitern der Vatikan-Apotheke. Anscheinend auch über
Fußball. Schließlich ist Papst Franziskus Fan des runden Leders und glühender
Anhänger des argentinischen Vereins San Lorenzo de Almagro.
Auch gegenüber anderen Religionen zeigt
sich Papst Franziskus gesprächsbereit. Schon am Montag wird Papst Franziskus
nach Caserta zurückkehren. Dieses Mal aber strikt privat. Der Pontifex wird
seinen Freund Giovanni Traettino treffen, der in Caserta Pfarrer ist. Traettino
gehört der Pfingstkirche ein, einer evangelischen Freikirche. Die beiden werden
gemeinsam in der Kirche Chiesa della Riconciliazione beten und danach zu Mittag
essen.
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